Rostock. Hafen. Schiffswerft im Jahre 1858

Aus: Das deutsche Vaterland in Reisebildern und Skizzen für das Jünglingsalter und die Gebildeteren aller Stände
Autor: Heinzelmann, Friedrich (?-?) Herausgeber und Reiseschriftsteller, Erscheinungsjahr: 1858
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Mecklenburg-Vorpommern, Hansestadt Rostock, Hafen, Schiffswerft, Schiffbau, Handel, Schifffahrt, St. Petersburg, Schraubendampfer
Dahin fahren wir jetzt, die Warnow aufwärts steuernd. Zuerst taucht rechts Bramow auf, ein Vergnügungsort der Rostocker, links Gehlsdorf mit einem Rettungshause. Auf dem anderen Gestade liegt die Tischbein’sche Maschinenfabrik, wo die bekannten Schraubendampfschiffe gefertigt werden. Weiterhin begrüßen uns, einladend in Gärten, die Landhäuser der Rostocker Senatoren. Noch eine kurze Strecke, und wir erreichen die Schiffswerft und den inneren Hafen von Rostock. Da beschauen wir vor uns den mächtigen, erst jüngst von St. Petersburg heimgekehrten Schraubendampfer, den "Großherzog Franz". Alle vierzehn Tage ungefähr, kommt oder geht ein Schiff von oder nach der Newastadt. Neben ihm sehen wir umgelegt einen der beiden vor etwa zwei Monaten heimgekehrten Grönlandfahrer, den „Polarstern“. Er ist umgelegt, so dass wir seine Masten berühren können. Wie pocht und sägt man auf seiner nun senkrecht sich darstellenden Oberfläche. Diese Grönlandfahrer sind immer fürchterlich zugerichtet, trotz dem gewaltigen Beschläge von Eisen, das einen wahren Panzer bildet, vorn und hinten gegen das Anprallen des Eises; es sind förmlich geharnischte Schiffe, aber das Metall ist, wie ein abgebrühter Krebs, ganz rot vom Salzwasser. Wandern wir zu dem zweiten Grönlandfahrer, „Flora“ genannt, der auch starker Ausbesserung bedarf. Ringsum ihn her stehen lauter leere Tonnen, alle leer; denn er hat seine Ladung nicht erlangt, aber auch keine außergewöhnliche Gefahr bestanden. Der "Polarstern" ist mit zweihundert Seehunden und einem Walfisch von achtzig Tonnen Tran zurückgekehrt, die Flora nur mit 450 Robben.

Obschon die größten Schiffe sich gegenwärtig hier gar nicht befinden, sondern nach allen Weltgegenden ausgezogen sind, selbst in die Levante, nach Smyrna und Konstantinopel, so herrscht doch den Hafen entlang reges Gewimmel; überall Tätigkeit, überall charaktervolle originelle Gestalten! Welche Masse von Ankern und Ketten, ein ganzer Berg von Eisen! Und jenes braune Holzhaus mit dem riesigen Einhorn? — Es ist der Kran zum Aufziehen der Lasten, das Wappen Rostocks abenteuerlich groß darauf gemalt: der goldene Greif in weiß-schwarz-grünem Felde.

Nun auf die Schiffswerft. Elf Schiffe türmen sich gegenwärtig hier unter Klopfen und Hämmern und Klirren empor. So erst gewahrt man, welch einen ungeheuren Umfang diese Paläste des Ozeans haben, wie tief sie im Wasser gehen. Alle Phasen ihrer Entstehung breiten sich vor uns aus. Rückwärts in den Werkstätten liegen nur Boote und Nachen. Dort wächst der Kiel, der Grundpfeiler und gigantische Träger des Ganzen. Hier in der Mitte erblicken wir nur Fragmente, lauter kolossale Schiffsrippen. Weiter hin streckt sich ein Bauch vor, gleich einer Riesenmuschel; rechts ein ganzes Skelett. Vorne liegt eine nach Finnland bestimmte Brigg fast vollendet; schon ragen seine Masten empor und hoch oben hängen Männer.

Rostock, Giebelhäuser bei der Nikolaikirche

Rostock, Giebelhäuser bei der Nikolaikirche

Rostock, Kröpeliner Tor und Teufelsgrube

Rostock, Kröpeliner Tor und Teufelsgrube

Rostock, Kröpeliner Tor

Rostock, Kröpeliner Tor