Rostock - Die St. Marien-Kirche - Taufkessel

Aus: Die Kunst- und Geschichts-Denkmäler des Großherzogtums Mecklenburg-Schwerin. I. Band
Autor: Schlie, Friedrich Dr. (1839-1902) Professor, Archäologe, Kunsthistoriker, Museumsdirektor und Hofrat, Erscheinungsjahr: 1898

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Themenbereiche
Enthaltene Themen: Mecklenburg-Vorpommern, Großherzogtum Mecklenburg-Schwerin, Amtsgerichtsbezirk Rostock, Hansestadt, Denkmäler, Bauten, Architektur, Kirchen, Kirchenmobiliar, Renaissance, Barock, Rokoko, Klassizismus, Denkmalsschutz, Geschichte, Geschichtsdenkmäler, Regionalgeschichte, Landesgeschichte, Stadtgeschichte, Kirchengeschichte, Marienkirche
Der Taufkessel, jetzt in der Mitte der Westwand des Turmes, stand früher in der Nordwestecke vor der Krämerkapelle innerhalb der Kirche und ist ein treffliches altes Bronzewerk. Seine Höhe beträgt 2,95 m. Als Träger dienen vier auf einem Beine kniende bärtige Männer; die aus langhalsigen, rundbauchigen Gefäßen Wasser ausgießen. Sie gelten hier aber nicht, wie sonst, als die vier Paradiesströme, sondern werden durch Inschriften an ihren Gefäßen als die vier Elemente bezeichnet. Der Bildner beweist damit, dass er sich der ursprünglichen Bedeutung dieser auf die Antike zurückführenden Gestalten als Stromgötter nicht bewusst war. Der von ihnen getragene Kessel ist rund, nach oben zu etwas an Umfang zunehmend. Drei Inschriftbänder mit eingetieften Majuskeln umziehen denselben am unteren und oberen Rande und in der Mitte. Zwischen dem oberen und mittleren und zwischen diesem und dem unteren Inschriftenbande befinden sich Reihen bildlicher Darstellungen aus dem Leben Jesu mit halbrunden, meist in Vorderansicht gestellten, schlanken, gerade aufgerichteten Figuren, meistenteils nur eine unter einem Kleeblatt-Bogenform, deren in jeder Reihe sechzehn, also in beiden Reihen zweiunddreißig vorhanden sind. Die Szenen der unteren Reihe sind: Die Verkündigung mit Gabriel und Maria, über deren Haupte die Taube schwebt. — Die Heimsuchung, Maria und Elisabeth, sich umarmend. — Die Geburt, Maria auf dem Lager, das Christkind in der Krippe, dahinter die Köpfe von Ochs und Esel, oben der Stern; Joseph mit dem Spitzhut der Juden, den Krückstock in der Hand. — Die Verkündigung. Einem Hirten bei seinen Schafen erscheint oben ein Engel, auf dessen Spruchband “in principio erat“ zu lesen ist. — Der Kindermord des Herodes mit der Krone, ein Krieger zerhaut ein Kind, neben ihm eine weinende Mutter mit ihrem Kinde. — Die Flucht nach Ägypten. Maria, das Kind im Arme, sitzt auf einem Esel, diesen leitet Joseph, den Spitzhut auf dem Kopfe und ein Bündel an einem Stock über der Schulter tragend. — Die hl. drei Könige. Zwei Könige stehen, der dritte kniet, sie bieten ihre Gaben, Maria sitzt und hat das Kind auf dem Schoß, über ihr der Stern. — Die Darstellung im Tempel. Maria und Simeon, welcher mit den vom Gewände umhüllten Händen das Kind hält, das zugleich auf dem Altar steht. — Die obere Reihe bietet folgende Darstellungen: Maria mit dem Kinde auf dem Arme. — Dieselbe, den neben ihr stehenden Jesus-Knaben an der Hand haltend; Jesus mit dem Kreuznimbus, auch hier, wie fast immer beim Gange zum Tempel, einen Korb in der Hand haltend. Der Korb deutet Opfergaben an. — Die Versuchung. Der Satan zeigt mit der Linken auf einen Steinhaufen, in der Rechten ein Spruchband, worauf para mihi panem, Jesus mit abweisender Haltung. — Der Verrat des Judas. Ein Jude, der am Spitzhut als solcher kenntlich ist, hat einen Beutel in der Rechten und hält die Linke mit Geldstücken dem Judas hin. — Die Gefangennahme. Judas küsst den Herrn, von zwei Kriegsknechten trägt der eine eine Keule, der adere eine Fackel und ein Heil. — Die Verurteilung. Pilatus, mit übereinander geschlagenen Beinen dasitzend, wäscht sich die Hände, wozu ein Knabe neben ihm Schüssel und Krug reicht, ein anderer zur Seite flüstert dem Landpfleger die bekannte Botschaft: seiner Gattin zu. — Die Geißelung. Jesus an der Martersäule zwischen zwei Kriegsknechten (dem zur Rechten fehlen die Hände). — Die Kreuzigung. Jesus am Kreuze mit dem bekannten Titulus über seinem Haupte, hier allein ohne Nimbus, zwischen Maria und Johannes, alle drei in kleinerem Maßstab unter einem Bogen. — Die Auferstehung. Jesus, mit der Fahne in der Hand, steigt aus dem Grabe, dessen gehobener Stein nach hinten zu sichtbar ist. Unterhalb des Sarges sitzen zwei Krieger in Kettenpanzern. — Das Noli me tangere. Jesus einen Spaten in der Linken haltend, macht mit der Rechten eine abwehrende Bewegung gegen die kniende Maria Magdalena.

Der Deckel schließt oben mit einem Knauf ab, auf welchem eine Taube mit ausgebreiteten Flügeln sitzt. Der Kopf freilich hat einen Adlerschnabel, aber Schwanz und Leibesform sind die der Taube. Am unteren Rande befinden sich vier Löwenköpfe mit Ringen im Maule. Daran waren ehedem die Seile oder Ketten zum Heben des Deckels angebracht, da die Taufen nach kirchlichen Vorschriften unter gutem, sicherem Verschluss gehalten werden sollten. Diese Köpfe unterbrechen wohl, aber verdecken nichts von der untersten der drei Inschriften, welche den Deckel umziehen. Über jedem der Inschriftbänder befinden sich Figurenreihen, die gruppenweise geordnet sind , ohne dass aber darüber Baldachinbögen angebracht wären, wie über denen des Kessels. Die unterste dieser Figurenreihen beginnt mit der Himmelfahrt. Christus schwebt in der Mitte empor, in dem Berge unter ihm seine Fußstapfen (nach Zacharias XIV, 4). Zu jeder Seite sechs Jünger, und außerdem links, unmittelbar neben dem auffahrenden Heiland, die Gestalt der Maria. Dem einen der Jünger fehlt der Kopf — Die Taufe. Jesus in der Mitte, im Wasser stehend, das wie ein seinen Leib fast ganz verdeckender Wellenberg aussieht, zu seiner Rechten Johannes der Täufer, ihm die rechte Hand auf das Haupt legend, während er in der Linken das Gefäß mit dem Chrisam hält, dessen Deckel geöffnet ist. Hinter ihm steht ein Engel mit einem Buche und einer brennenden Taufkerze. Ein zweiter Engel hält das Gewand des Heilandes, hinter diesem ein Diacon mit Rauchfass und Weihrauchschiffchen. — Es folgen nach rechts vom Beschauer hin vier Gruppen von je drei Heiligen, die aber wegen fehlender Attribute nicht näher zu bestimmen sind. Man sieht zuerst drei gekrönte Frauen, welche Bücher in den Händen halten. Dann drei ohne Kronen, die mittlere hält eine runde Büchse (Maria Magdalena?), die zwei anderen haben Bücher. — Weiterhin drei Bischöfe, von denen der in der Mitte eine zugespitzte Mitra trägt, vielleicht das alte päpstliche Phrygium, so dass dieser ein Papst sein könnte, während die anderen eine niedrigere Mitra trafen. — Weiterhin ein Bischof und ein Diakon; eine dritte kleinere, weibliche Heilige gehört, dem Stil nach, ursprünglich nicht hierher, sie wird ein späterer Ersatz für eine ausgefallene Figur sein. — Die mittlere zweite Reihe zeigt den Heiland mit dem Kreuznimbus, er stellt zwischen den törichten und klugen Jungfrauen; erstere halten in ihren herabhängenden Händen den Stiel halbkugelförmiger Lampen, die dem Boden zugewandt sind; letztere tragen ihre brennenden Lampen hoch erhoben und halten in der Linken ein Buch. — In der obersten Reihe, unter der den Deckel bekrönenden Taube, drei heilige Frauengestalten, von denen die eine eine Krone trägt und einen Kelch in der Hand hält.

Das Material der Fünte ist helle Bronze, an einzelnen Stellen von edler Patina, an anderen leider von schädlicher nasser Oxydierung bedeckt. Unten, in der Mitte des Grundes, ist ein Loch zum Ablassen des Wassers. Zwischen Deckel und Kessel sind Unterschiede in der Art der Verbindung; zwischen Figuren und Grundfläche, ferner in der Stilisierung der Figuren (weniger in der Behandlung der Buchstaben) zu bemerken, sodass beide Teile, wenn auch aus einer Werkstatt und einer und derselben Zeit, doch vielleicht nicht von derselben Hand sind. Die Figuren des Deckels sind für sich gegossen und nachher aufgeheftet, die am Kessel aber sind von vorneherein im Guss mit dem Grunde verbunden. Jene sind größer und im Ganzen auch freier und edler, letztere sind kleiner, gedrückter und auch weniger scharf ziseliert. Auf dem oberen Rande des Kessels sieht man Spuren von Ornamenten, die vom Deckel dem Auge ziemlich entzogen werden. Am Deckel ist der oberste Inschriftenring aufgenietet, die beiden unteren hängen mit dem Hauptkörper durch Guss zusammen.

Die Inschriften am Kessel lauten:



Der Text muss, nach dem Breviarium romanum verbessert, folgendermaßen lauten: Ave Maria, gratia plena, dominus tecum, benedicta tu in mulieribus et benedictus fructus ventris tui! Amen. Salve regina (mater) misericordiae, vita, dulcedo et spes nostra, salve! Ad te clamamus exules filii Evae, ad te suspiramus gementes et flentes in hac lacrimarum valle. Eya ergo, advocata nostra, illos tuos misericordes oculos ad nos converte et Jesum, benedictum fructum ventris tui, nobis post hoc exilium ostende, o clemens (o pia, o dulcis virgo Maria). Anno Domini millesimo ducentesimo nonagesimo in festo Paschae praeparatum fuit baptismum in Rozstok (2. April 1290). Vergl. Organ für christliche Kunst 1867 ff. (Dr. Crull) und Nürnberger Anzeiger für Kunde der deutschen Vorzeit 1880, S. 280 (Schneider). Im Urkundenbuch III, S. 2064, und Jahrb. XXIX, S. 2 16 ff. ist die Inschrift nicht überall genau genug gelesen. Auch die Bild-Beschreibungen weichen hier und da ab. Vergl. Schnaase, Gesch. d. K. Bd. V, S. 618. Pabst, Kirchenmöbel, Tafel 30. Ztschrft. f. christl. K. VII (1894) Heft V.

Schlie, Friedrich Dr. (1839-1902) Professor, Archäologe und Kunsthistoriker, Direktor der Großherzoglich-Schwerinschen Kunstsammlungen

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Rostock. 031 Marienkirche, Bronze Taufkessel

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Rostock. St. Marien-Kirche. Taufkessel. Inschriften

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