Rostock 1807 - Von der Aufklärung in Rostock, und dem sittlichen Charakter der Einwohner - (06)

Aus: Bemerkungen aus dem Gebiete der Heilkunde und Anthropologie in Rostock. Bd 1. Medizinische und anthropologische Bemerkungen über Rostock und seine Bewohner
Autor: Nolde, Adolf Friedrich Dr. (1764-1813) Professor der Medizin, Erscheinungsjahr: 1807

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Themenbereiche
Enthaltene Themen: Mecklenburg-Vorpommern, Hansestadt Rostock, terra incognita, orientalische Sprache, Philologie, Theologen, Examen, geborene Rostocker, Universität, Plattdeutsch, Hochdeutsch, Französisch, Geschmack, Vorlieben, Muttersprache
Was insbesondere das Studium der Sprachen und der Philologie betrifft: so ist dieses hier in Rostock mit einigen seltenen Ausnahmen beinahe eine terra incognita [lat. unbekanntes Land]. Die orientalischen Sprachen kultiviert der Theologe überwiegend nur in so fern, dass er bei dem Examen nicht ganz die stumme Rolle spielen darf, die griechische Sprache kommt immer mehr aus der Mode, und selbst die Gelehrten sehen sich zum Teil gern mit der lateinischen verschont. Ich rede nicht von den Jünglingen, die sich auf unserer Universität bilden; sondern von dem eigentlichen Rostocker, der alle diese Sprachen in der Regel für sehr überflüssig zu halten scheint, und auch wohl in den zu ihrer Erlernung bestimmten Jahren nicht die erwünschte Gelegenheit hat, sie mit einer gewissen Vorliebe und mit Geschmack zu kultivieren. Die neueren Sprachen finden zwar mehr Beifall; die jungen Kaufleute insbesondere beschäftigen sich seit einigen Jahren ziemlich mit der französischen und englischen; auch nehmen viele junge Frauenzimmer Unterricht im Französischen: aber die deutsche, die doch unsere Muttersprache ist, wird leider gar zu sehr vernachlässigt. Der geborene Rostocker drückt sich am liebsten in der plattdeutschen Sprache aus, und sie wird von den meisten allein mit einiger Fertigkeit gesprochen. So bald sie den Mund zu einer Konversation in hochdeutscher Sprache öffnen, sieht man ihnen die Verlegenheit und Ungewohntheit an. Dies gilt vorzüglich auch von unseren Frauenzimmer, bei dem es besonders auffällt, wenn man sie in ihren eleganten Modekleidern wie die gemeinen Leute sprechen hört. Man möchte sich dann oft die Ohren verstopfen, um nur zu sehen und ja nichts zu hören. Seit der Wiederherstellung der hiesigen Universität, und seitdem sich überhaupt die Sitten bei uns etwas verfeinert haben, fängt man zwar, an mehr hochdeutsch zu sprechen, als ehedem; aber dies ist denn auch immer ein so abschreckendes Deutsch, dass man alle Augenblicke Gelegenheit hat, den Hofmeister zu machen. Nicht nur kennt man bei uns die Feinheiten der Sprache fast gar nicht, oder man weiß sie nicht anzuwenden; sondern man spricht auch obendrein noch äußerst fehlerhaft und grammatisch unrichtig. Dies geschieht so allgemein, dass auch selbst die Gelehrten unter den geborenen Rostockern nur selten eine Ausnahme davon machen. Ein gründlicher Unterricht in der deutschen Muttersprache ist daher für die hiesigen Einwohner, die einigen Anspruch auf Bildung machen wollen, ein wahres Bedürfnis, durch dessen Befriedigung man sich um sie recht sehr verdient machen würde.

Rostock - Giebelhäuser bei der Nicolaikirche

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Rostock - Markt, Marienkirche und Blutstraße

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Hansestadt Rostock - Stadtansicht

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Rostock, Neuer Markt mit Ladenzeile 1967

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Hansestadt Rostock, Giebelhäuser und Marienkirche

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Rostock, Lange Straße, Marienkirche in den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts

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