Rostock 1807 - Kurze Übersicht der bürgerlichen Verfassung in Rostock (07)

Aus: Bemerkungen aus dem Gebiete der Heilkunde und Anthropologie in Rostock. Bd 1. Medizinische und anthropologische Bemerkungen über Rostock und seine Bewohner
Autor: Nolde, Adolf Friedrich Dr. (1764-1813) Professor der Medizin, Erscheinungsjahr: 1807

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Themenbereiche
Enthaltene Themen: Mecklenburg-Vorpommern, Hansestadt Rostock, Ratsmitglieder, Gewett, Schoß, Weinamt, Niedergericht, Kämmerei, Ehegericht, Vierzeitenpfennig, Assessor, Polizei, Jurisdiktion, Departement, Bürgermeister
Die verschiedenen Ämter, welche die Ratsmitglieder teilweise verwalten, sind nun aber: das Obergericht, das Niedergericht, das Gewett, die Kämmerei, der Schoß, das Weinamt und Waisengericht, die Kriegskasse, das Aerarium, die Stadtkasse, die Armenordnung, das Ehegericht, und die Verwaltung des Vierzeitenpfennigs. Das erste von diesen, ist unter allen am zahlreichsten besetzt; nächstdem aber das Niedergericht, die Kämmerei und das Gewett, von welchen die beiden letztern die einträglichsten sind. Ein jedes dieser Collegien hat einen Präses, und einen oder mehrere Beisitzer. Das Präsidium ist nur für ein Jahr, nach dessen Verlauf die Assessoren der Reihe nach diese Stelle bekleiden, bis sie den ersten Präses aufs neue trifft; der aber eben so gut ein Kaufmann, als ein Gelehrter sein kann. So wenig anpassend dieses sein möchte, da der Kaufmann als Präses in den wichtigeren Angelegenheiten sich besonders auf seinen gelehrten Beisitzer verlassen muss, oder wohl gar von dem Sekretär abhängt: so scheint es mir doch noch weit unzweckmäßiger, dass man die Departements so sehr zerstückelt, dadurch aber in der Tat die Verwaltung nicht nur gar nicht erleichtert, sondern auch selbst die Übersicht des Ganzen noch mehr erschwert hat. Ein Ober- und ein Nieder-Gericht, eine allgemeine Ökonomie-Verwaltung, ein Departement für das Fach der Polizei, und dann noch eins für die Finanzen der Stadt würden wahrscheinlich schon genügen, und zur Einführung einer besseren Ordnung dienen, die durch jene sonderbare Einteilung nur gar zu sehr gestört wird. Über die zweckwidrige Einteilung der Staats-Verwaltung könnte eine genauere Untersuchung der Geschäfte in jedem Departement noch mehr Aufschluss geben; allein diese Erörterung würde mich zu weit führen, und kann auch meiner Absicht nicht entsprechen, da diese allgemeine Bemerkung schon genügen wird. Nur dies kann ich nicht unbemerkt lassen, dass teils die Jurisdiktion, teils die Ausübung der Polizei unter mehrere Departements geteilt ist, überdem aber auch noch die Administration mancher Güter und Ländereien, welche der Stadt angehören, dem Gewette, das doch schon ein genug beschäftigtes Gericht ist, in der Art obliegt, dass sich dieses ganze Kollegium nicht selten mehrere Tage von der Stadt entfernen muss, wodurch offenbar der Gang der eigentlich gerichtlichen Geschäfte gestört, und ihre Beendigung nicht ohne mannigfaltigen Nachteil in die Länge gezogen wird.

Außer den für ein jedes Departement besonders bestimmten Zusammenkünften, versammeln sich noch, Bürgermeister und Rat mit den Syndicis, dem Protonotar und Sekretär dreimal in der Woche, um die allgemeinen Angelegenheiten zu besorgen, und entweder für sich, oder gemeinschaftlich mit den die Bürgerschaft repräsentierenden Quartieren über Gegenstände, welche an der Ordnung sind, zu beratschlagen. Dieses führt mich auf das Verhältnis der Quartiere zu dem Rat. Furcht vor den Anmaßungen des letzteren und Unzufriedenheit mit der wahren oder vermeinten Vernachlässigung seiner Pflichten, die aber gewiss häufig ihren eigentlichen Grund in der bunten Verfassung haben mag, hat die Quartiere, in neueren Zeiten besonders, beinahe zu einer Oppositions-Partei gemacht. Nur wenn die beiden Quartiere mit dem Ratskollegium übereinstimmen, kann ein Rats- und Bürgerschluss zu Stande kommen; wenn aber nur ein Quartier den Vorschlägen des Rates beipflichtet, bleibt die Sache unentschieden. Freilich könnte in wichtigeren Fällen durch eine Appellation an die Landesherrschaft manches seine Bestimmung erhalten: allein weil man sich dadurch zu abhängig zu machen glaubt; so sucht man dies immer zu vermeiden, und zieht die wiederholten, doch mehrenteils fruchtlosen; Verhandlungen jeder schnelleren Entscheidung vor, ohne den daraus entspringenden Zeitverlust und den Schaden, welchen die durch Widerspruch gehinderte Entscheidung oft in sehr wichtigen Fällen zur Folge haben muss, in Anschlag zu bringen. Es kann aber der Rat für sich nur in den unbedeutendem Fällen beschließen; in allen wichtigeren Angelegenheiten, wo die Bürgerschaft eine Schmälerung ihrer Gerechtsame befürchten könnte, und wo sie selbst zu den etwa erforderlichen Kosten ihre Einwilligung geben muss, ist der Rat genötigt, die Quartiere zusammen zu rufen, und ihren Beschluss auf den gemachten Vortrag zu erwarten. Ob die Quartiere sich ohne den Willen des Rats versammeln und entfernen können; darüber sind in neueren Zeiten einige Debatten vorgefallen: doch werden die Quartiere gewöhnlich zu einer Versammlung von Bürgermeistern und Rat eingeladen, wenn dieser ihnen einen Vorschlag zu machen hat; und so macht er ihnen auch in der Regel die Anzeige, wann sie auseinander gehen können.

Dieses Verhältnis E. E. Rats zu der Bürgerschaft, und den sie repräsentierenden Quartieren ist nun aber häufig wieder die Ursache, dass manche sehr wichtige und nötige Verbesserungen bei uns unterbleiben. Denn einmal hat, wie schon oben bemerkt worden, der kleinere Teil des Rats, der aus den Gelehrten besteht, nicht nur den in Sachen, welche die Handlung nicht betreffen, mehrenteils unerfahrenen und schwer zu überzeugenden Kaufmann zu gewinnen; ist ihm aber auch dieses gelungen, so hat er noch alles von den Quartieren zu befürchten. Eben so ist das Interesse der Gewerker von dem der Kaufleute getrennt, wodurch gleichfalls mancher Vorschlag, zu dessen Ausführung das erste Quartier seine Einwilligung gegeben hat, bei dem zweiten seine Gegner findet, so dass kein Rats- und Bürgerschluss formiert werden kann. Wo überdem zur Ausführung irgend einer Sache — und welche Verbesserung erfordert nicht einigen Kostenaufwand! — Geldzuschüsse von den Quartieren bewilligt werden sollen, da pflegen nicht selten unter mancherlei Vorwand diese verweigert zu werden, und alles bleibt beim Alten. Vielleicht möchte durch die Wiederherstellung der vier Quartiere, zu welchen denn auch die einheimischen Gelehrten, wenn sie Bürger sind, und andere Bürger der unteren Klassen, die nicht zu den Gewerken gehören, erwählt würden, dazu dienen, vorteilhaftere Verbesserungen, oder Einschränkungen mancher Unregelmäßigkeiten eher durchzusetzen, als es bei der gegenwärtigen Verfassung möglich ist, die eben so sehr zur Hintertreibung alles Guten wirkt, als sie Unordnungen, Zwistigkeiten, und andere nachteilige Folgen befördert.

Rostock - Giebelhäuser bei der Nicolaikirche

Rostock - Giebelhäuser bei der Nicolaikirche

Hansestadt Rostock - Stadtansicht

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Rostock - Markt, Marienkirche und Blutstraße

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Rostock - Kröpeliner Tor

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Hansestadt Rostock, Giebelhäuser und Marienkirche

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Hansestadt Rostock, Große Wasserstraße mit Kerkhoffhaus (1470) Sommer 1968

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Rostock, Lange Straße, Marienkirche in den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts

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Rostock vor dem Steintor

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Hansestadt Rostock, Neuer Markt (zum Zeitpunkt der Aufnahme: Erst-Thälmann-Platz) 1967

Hansestadt Rostock, Neuer Markt (zum Zeitpunkt der Aufnahme: Erst-Thälmann-Platz) 1967