Rostock 1807 - Einwohner - Lustpartien mit Pferd und Wagen, Doberan

Aus: Bemerkungen aus dem Gebiete der Heilkunde und Anthropologie in Rostock. Bd 1. Medizinische und anthropologische Bemerkungen über Rostock und seine Bewohner
Autor: Nolde, Adolf Friedrich Dr. (1764-1813) Professor der Medizin, Erscheinungsjahr: 1807

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Themenbereiche
Enthaltene Themen: Mecklenburg-Vorpommern, Hansestadt Rostock, Vergnügungen, Lustpartien, Stuhlwagen, Chaisen, Equipagen, Doberan, Badezeit, Feste, Illuminationen, Steinpflaster, Witterung, Luxus, Genuss, Promenaden, Phaetons, Vergnügungsort, Picknick, Kornpreise,Leihaus, Feuerwerk, Badegäste, Badesaison, Unterhaltung, Krankheiten
Etwas Charakteristisches der hiesigen Einwohner ist es, dass man, wahrscheinlich aus bloßem Phlegma, bei uns lieber fährt, als geht. Das Gehen ist eine ganz aktive Bewegung, und erfordert daher einige Anstrengung, die man beim Fahren vermeidet. Zum Glück ist die Art der Wagen, die man dazu benutzt, so beschaffen, dass sie wohl den Mangel des Gehens, ersetzen kann. Nur wenige Häuser haben selbst ihre Equipagen, und fahren in ihren leichten und bequemen Chaisen. Die allermeisten bedienen sich der sogenannten Holsteinschen oder Stuhlwagen. Es sind dieses ganz gewöhnliche, mit mehr oder weniger bequem eingerichteten Bänken versehene offene Wagen, deren einige bequem eine Gesellschaft von 10 bis 12 Personen fassen können. Sie haben daher den Vorzug, dass eine sich verbindende Gesellschaft beisammen bleibt, und dass ein jeder während des Fahrens auch wechselseitig von der Gesellschaft profitieren kann. Sie erschüttern überdem auf dem unebenen Steinpflaster, und den schlechten Wegen dergestalt, dass man es wohl fühlen kann; auch haben sie noch den großen Vorteil, dass sie sehr sicher gehen, und nicht leicht umwerfen. Gegen Sonne und Regen schützt man sich durch ein über Bögen gezogenes Tuch von Leinwand. Dagegen ist in der unteren Region eines solchen Wagens, die die Füße einnehmen, ein beständiger Zug, den ich für sehr nachteilig halte, besonders wenn man nach einer Promenade sich erhitzt und ermüdet auf den Wagen setzt. Ich wünsche daher, dass man dieser Beschwerde abhelfen möge. In den letzten Jahren findet man beim zunehmenden Luxus diese Wagen nicht mehr so bequem, als sonst, sondern man fängt schon häufig an, ihnen eine Chaise beizulegen. Diese besteht aber in nichts weiter, als dem Kasten einer zweisitzigen Chaise, den man auf einen gewöhnlichen Stuhlwagen setzt, und in Riemen hängt. In dieser Chaise, die man noch bisweilen mit Federn versieht, sitzt man freilich bequemer; aber nur zwei Personen können davon profitieren, die übrigen sitzen eben so frei und unbequem, als auf den anderen Wagen. Auch tritt hier die nämliche Bedenklichkeit wegen des Luftzuges für alle ein. Eigentliche Chaisen und Phaetons sind noch immer selten.

Auf die angezeigte Art fährt man nun bald in größeren, bald in kleineren Gesellschaften, Sonntags und oft auch in der Woche zur Sommerzeit nach den nahen Vergnügungsorten, wo man sich längere oder kürzere Zeit aufhält, ein wenig spazieren geht, lieber aber noch im Freien sitzt, seinen Kaffee und die mitgenommenen Lebensmittel verzehrt, und dann wieder nach Hause fährt. Wie wenig man dabei auf die Bewegung selbst Rücksicht nimmt, und wie sehr man dagegen für seine Erhaltung durch Speise und Trank besorgt ist, sieht man insbesondere an den Handwerkern, die, wenn sie mit ihren Familien in Gesellschaften sich zu einer Lustpartie verbinden, gewöhnlich so ansehnliche Vorräte von Esswaren und Getränken mitnehmen, dass man glauben sollten, sie würden in einigen Tagen nicht wieder kommen. Ganz lassen es die Vornehmeren an diesen Sorgen von ihrer Erhaltung auch nicht fehlen; aber so allgemein findet man es bei ihnen doch nicht. Ja selbst der Arbeitsmann fand die Dienstmädchen pflegen, wenn sie ein solches Vergnügen verabredet haben, sich nicht ganz ohne Lebensmittel auf den Weg zu begeben. Dass auf diese Art ein solches Vergnügen oft sehr kostbar wird; will ich nur beiläufig anmerken.

Besonders in den letzten Jahren, bei den hohen Kornpreisen und bei den häufigen Lustpartien nach Doberan, das Fährgeld so sehr im Preise gestiegen, dass man nicht selten 6 bis 8 Thaler für einen Wagen bezahlen muss, wenn man die zwei kleinen Meilen dorthin fahren will; vorzüglich an Sonntagen während der Badezeit. Man sollte glauben, dass dieses viele von einem so kostbaren Vergnügen abschrecken würde; aber gerade das Gegenteil. Das Vergnügen scheint dadurch für die meisten nur noch einen größeren Reiz erhalten zu haben. Man eilt und drängt sich, an diesen Partien Teil zu nehmen, und sollte man sich auch erst mit Hilfe des Leihhauses dazu in den Stand setzen können. Ohne Rücksicht auf die Witterung, die oft sehr rau und unangenehm ist, hofft man noch immer, dass sich die Wolken zerstreuen werden, und dass man von den Feuerwerken, oder den Illuminationen, die unser gnädigster Fürst an diesen Tagen zur Unterhaltung der Badegäste gewöhnlich veranstalten lässt, werde profitieren können. Mit dem anbrechenden Tage hört man oft schon die Wagen auf den Straßen rasseln, und gern verlässt man das weiche Lager, um die Freuden des Tages desto länger zu genießen. Diese Reisen nach Doberan machen daher seit einigen Jahren einen wichtigen Zweig des hiesigen Luxus aus. Welchen Nachteil sie für die Moralität der Einwohner haben, will ich nicht untersuchen; aber das weiß ich wohl, dass viele sich Rheumatismen, Durchfälle, Ruhren, Fieber und allerlei Krankheiten jährlich daher holen, und in dieser Hinsicht muss ich noch etwas davon sagen.

Fährt man bei schönem heitern Wetter aus: so kann man nicht immer dafür einstehen, dass es den ganzen Tag so bleiben wird. Aber wenn das auch wäre: so erhitzt man sich an Ort und Stelle gewöhnlich an einem heißen Tage, wenn alle Zimmer gepresst voll Menschen sind, oder man in der brennenden Sonne spazieren geht. Erst nach dem Untergang der Sonne, und wenn es dunkel genug ist, fängt die Illumination oder das Feuerwerk an, welches man eigentlich sehen wollte. Da erkälten sich denn viele, die in dem Taumel der Freude gar nicht an ihre leichte Sommerkleidung denken, und etwas umzunehmen vergessen, so sehr, dass sie oft augenblicklich ein Übelbefinden spüren. Gesetzt, aber, es geht auch ohne Schaden ab, so füllt die Menge alles so an, dass viele kein Obdach finden können; manche bleiben auch der Kosten wegen den ganzen Tag und Abend im Freien. Nun fährt man mitten in der Nacht zurück, und kommt erst gegen Morgen nach Hause. Wie leicht man sich hierbei versehen kann, darf ich einem Arzt nicht sagen, und meine Mitbürger werden es zum Teil aus Erfahrung wissen. Ich weiß aber auch, dass man oft im Regen ausfuhr, in den durchnässten Kleidern den Tag über in Doberan blieb, und nun in der Nacht wieder im Regen und bei ungestümer Witterung zurückkehrte. In solchen Fällen bezahlt man doch wohl ein Vergnügen zu teuer, das eben so wenig diesen Namen verdient, als es zur Erhaltung der Gesundheit beitragen kann, die es vielmehr oft zerstört und untergräbt. Indessen bin ich weit entfernt, meinen Mitbürgern das Vergnügen zu verleiden; ich hielt es nur für meine Pflicht sie zu warnen, und auf Nachteile aufmerksam zu machen, die es für sie haben kann, wenn sie es ohne Vorsicht genießen.

Rostock - Giebelhäuser bei der Nicolaikirche

Rostock - Giebelhäuser bei der Nicolaikirche

Rostock - Markt, Marienkirche und Blutstraße

Rostock - Markt, Marienkirche und Blutstraße

Rostock zur Zeit der Hanse, Holzschnitt

Rostock zur Zeit der Hanse, Holzschnitt

Der Kamp mit dem Herzoglichen Palais.

Der Kamp mit dem Herzoglichen Palais.

Das Stahlbad zu Doberan.

Das Stahlbad zu Doberan.

Der Heilige Damm und die Ostsee.

Der Heilige Damm und die Ostsee.

Der Neue Markt in Doberan.

Der Neue Markt in Doberan.

Die Großherzoglichen Logierhäuser in Heiligendamm.

Die Großherzoglichen Logierhäuser in Heiligendamm.

Die Kirche - Das Doberaner Münster.

Die Kirche - Das Doberaner Münster.

Das Großherzogliche Palais in Doberan.

Das Großherzogliche Palais in Doberan.

Der Kamp nach Osten.

Der Kamp nach Osten.

Blick auf den Buchenberg zu Doberan.

Blick auf den Buchenberg zu Doberan.

Das Innere der Kirche zu Doberan.

Das Innere der Kirche zu Doberan.

Bademode und Bakarren um 1900

Bademode und Bakarren um 1900

Badefreuden um 1890

Badefreuden um 1890