Reise durch Pommern, Hinterpommern und Usedom

Aus: Deutschland, oder Briefe eines in Deutschland reisenden Deutschen. Band 3
Autor: Weber, Karl Julius (1767-1832) deutscher Schriftsteller und bedeutender Satiriker., Erscheinungsjahr: 1828
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Mecklenburg-Vorpommern, Hinterpommern, Usedom, Wollin, Divenow, Pritter-Aale, Peene, Swine, Gustav Adolf 1630, Swinemünde, Plattdeutsch, Sittenbild, Kulturbild, Reisebeschreibung, Land und Leute, Handel und Wandel, Kosaken, Stralsund, Landwirtschaft, Fischfang
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Hinter Stettin nichts als Sand und Wälder und die langweiligste Fahrt auf Gotteesande 8 - 9 Meilen weit bis Wollin und Swinemünde. In Ermanglung eigentlichen Landes tut man wohl sich an das Wasserleben zu halten. Auf beiden waldigen Inseln Wollin und Usedom, von wo die beliebten geräucherten Pritter-Aale kommen, ist Fischerei und Schiffbau so ganz die Hauptnahrung, dass die Männer den Weibern getrost die ganze Landwirtschaft neben dem Hauswesen aufladen, wie unter den Wilden. Mit der Brücke über die Divenow ist man zu Wollin, und mit der Überfahrt nach Swinemünde zu Usedom. Die Oder, die Pommern in Vor- und Hinter-Pommern teilt, verliert hinter Stettin ihren Namen, bildet den Damischen See, dann das Papewasser und Haff, und alle Gewässer entladen sich in die Ostsee durch drei Mündungen: Peene, Swine und Divenow.

Auf der Insel Usedom mag eine lebhafte Phantasie sich in den 24. Juni 1630 versetzen, wie Gustav Adolf mit 17.000 Schweden landet, sich zur Erde wirft, Gort dankt, sich verschanzt, und selbst den Spaten zur Hand nimmt. Wenn man an die Folgen dieser Landung denkt, klingen Kaiser Ferdinands stolze Worte ungemein komisch: „Hob holt a klans Feindli weiter kriegt!“ so komisch als der Nachhall seiner Generale: „dieser Schneekönig wird halt im Frühjahr schon schmelzen!“ Sie täuschten sich wie bei Leuthen, wo sie von der Potsdamer Wach-Parade sprachen, und wie in den Feldzügen gegen die Republikaner, wo sie von Hasenjagden redeten, wobei nicht viel Ehre aufzuheben sei, welches letztere zutraf!

Wenn man sich Swinemünde nähert, (wohin man jetzt mit dem Dampfschiff von Stettin in sieben Stunden gelangt) hört man das Rauschen des Meeres hinter den Dünen, eilt die Sandhügel hinauf, und entschädigt sich an dessen Anblick für die dürftige Gestalt der Erde, die nur mit Sand und Wachholdersträuchern aufwartet, jedoch auch mit recht schönen Eichen. Feine Nasen riechen auch wohl den Braken-Geruch der See, und da alle Quellen im Zusammenhange mit der See zu stehen scheinen, so hat man auch das Vergnügen das Braken-Wasser zu kosten. Swinemünde selbst ist ein freundlicher offener Ort von 3.500 Seelen, die Straßen zwar ungepflastert, was im Sande uns am Ufer auch nicht gerade nötig ist, und vor den meisten Häusern stehen unter der Schere gehaltene Bäume, wie in Holland. Das hiesige Seebad wird wohl Putbus und Doberan, keinen Abbruch tun, und von teurem Pflaster oder gesalzen kann hier niemand sprechen, denn es gibt gar keines, und wegen der Nähe der Oder ist das Meer nur wenig salzig, wie überhaupt die Ostsee, daher auch mit Seesalz nichts zu machen ist, denn das Holz würde mehr kosten, als das Salz wert ist. Die Ufer sind flach, daher das Meer auch flach, so, dass man 100 — 200 Schritte hineingehen kann, bevor das Wasser über die Brust geht; bei hohen Ufern aber, wo das Meer in der Regel umgekehrt tief ist, will ich keinem raten hineinzuspringen, wenn er nicht ein halber Seehund, oder wenigstens ein Hallore ist; der Wellenschlag ist so unbedeutend, dass man in einem Flussbade zu sein glaubt. Die Plantage von Weiden und Erlen, nachdem der Sandhafer dem Sande einigen Anhalt gegeben hat, ist eine dem Meer abgezwungene Promenade, und die entferntere Lustpartien gehen nach dem Gollenberg, zwischen Köslin [Koszalin] und Zanow [Sianów], der hier Berg heißt, ob er gleich kaum 300 Fuß Höhe haben wird. In Swinemünde lief 1824 das Preußische Schiff Mentor ein, das 1822 um die Welt, segelte, und von seinen 22 Mann auch nicht einen verloren hatte! Die Lage und Bauart des Ortes, die Oder mit ihren Schiffen, die Windmühlen, die Sitten und selbst die Sprache der Bewohner, alles erinnert an Holland!

Pommern ist aber doch noch immer besseres Land, als Holland, und so ergiebig, dass Weizen, Roggen, Hafer, Gersten, Erbsen, Wicken, Leinen etc. ausgeführt wird; es hat gute Viehzucht, Obst. Holz, Fischerei — nur keine gute Häfen, die der Sand leicht verschlämmt. Viele Schiffe stranden jährlich wegen der Sandbänke und Flachheit der Küsten, die sich 60 deutsche Meilen weit hinziehen, und doch nur drei eigentliche Häfen bilden Stralsund, Swinemünde und Kolberg. Die Heringe, die an den Küsten gefangen und geräuchert werden (Bücklinge), waren im Mittelalter so häufig, und die Züge so gedrängt, dass man Heringe mit den Händen fangen konnte; im Jahr 1124 kostete ein ganzer Wagen voll frischer Heringe einen Pfennig (denarium). Man suchte sie im Baltischen Meere, ob sie gleich da nicht einheimisch sind, jetzt sind sie natürlich seltener, da man ihnen keine Zeit lässt dahin zu kommen, und schon am Eingange aufpasst. Die Pommern lieben nur die geräucherten Heringe, wie Carl V. die eingesalzenen, daher er einen solchen auf dem Grabe Beukelsens verzehrte zum Andenken der Einpöklens-Erfindung. Die Lachse, Störe, Karpfen und Lampreten aber sind Heernfiske d. h. gehörten der Herrschaft!

Pommern (Po-mor, am Meer) zwischen der Ostsee, Weichsel, Oder und Netze, 577 Q.-Meilen mit 800.000 Seelen, war sicher einst Meeresboden, daher alles so flach und einförmig. Das einzige mineralische Produkt ist Torf, hin und wieder wirft die See Bernstein aus, und Landseen gibt es mehr, als dem Staatswirt lieb sein kann. Das Klima ist gemäßigt in dieser nördlichen Lage, der Boden zwar Sand, den die Dünen noch bei Stürmen vermehren, aber die Grundlage ist doch fetter Ton, so, dass Pommern immer eine fruchtbare Provinz genannt werden mag, die sicher noch besser kultiviert und bevölkert wäre, wäre der liebe — Adel nicht, und seine veralteten Feudalrechte, gerade wie in Mecklenburg. Die Bauern werden von dem Edelmann gelegt. Was heißt das? Es geschieht nicht in der Manier der Hühner, sondern man verleibt sie dem Gesinde ein, sie sind nicht Grundeigentümer, folglich auch nie heimisch. Die großen Eigentümer, Domänen und Pachtungen sind das im Staate, was im Fischreiche die großen Hechte! Doppelte Untertanen ein Unglück für den Staat, wie für sie, mag man nun die Leibeigenschaft — Erbuntertänigkeit Grundpflichtigkeit nennen oder nicht, und die Doppel-Eigenschaft Standes- oder Grundherrlichkeit; in Polen, Ungarn und Russland ist es indessen noch schlimmer. Jener Edelmann, der da drohte den zehnten Mann aufhängen zu lassen, entschuldigte sich vor dem Gericht: „dass er nur neun Bauern habe“, und ein anderer, den der König wegen Misshandlungen seiner Leibeigenen nach Spandau schickte, zeigte seine Narben: „Nie habe ich mich vor dem Feinde gefürchtet, und nun soll ich mich vor meinen Bauern fürchten?“

Der Adel Pommerns ist offenbar allzuzahlreich, folglich arm, und die Bauern mir ihm! In einem Bericht Brenkendorfs, der viel für Pommern tat, und noch mehr für die ärmere Neumark durch Trockenlegung der Moräste und Kolonien, folglich wieder gut machte, was berühmte Heerführer verdorben hatten, überhaupt ein Mann, der näher gekannt zu sein verdient, schrieb dem Philosophen von Sanssouci, der für sein geliebtes Pommern ein wahrer Philosophe Biensausant war: „Zu Czarnidamnow leben allein 12 Adelige Familien, 59 Köpfe stark, der Kuh-Hirt und der Nachtwächter sind die einzigen unadeligen Menschen im Dorfe, ihre Weiber aber geborene Fräuleins!“ Die Fräuleins können sich noch durch eine vernünftige Mesalliance helfen — aber den männlichen Stamm-Erben bleibt keine andere Erbschaft als der papierne Stammbaum und der Degen. Die Familie Borke breitet sich so aus, dass die Gegend um Stargard der Borken-Kreiß heißt, und zählt ein berühmtes Mitglied, Sidonia von Borke. Schön, reich und stolz wollte sie keinen andern heiraten, als einen Herzog von Pommern — es gelang ihr einen zu fesseln, aber die Agnaten widersprachen, sie ging in ein Kloster, lernte hexen, und machte alle Ehen der Herzoge unfruchtbar! Sidonia wurde 1680 hingerichtet als Zauberin! Genug! der allzu zahlreiche Adel schadet dem Gedeihen des Volks — das ist unbestrittener, als die Frage: Ob die Mäuse um der Katzen willen, oder die Katzen um der Mäuse willen geschaffen sind?

Der heilige Bischoff Otto von Bamberg machte 1120 — 1130 die Pommern erst zu Christen, nun wanderten Deutsche ein, und im alten Städtchen Pyritz zeigt man unter einer Linde die Quelle, wo 7.000 Pommern auf einmal getauft wurden; 1814 wurde an diesem so, genannten Ottobrunnen ein Denkmal errichtet. Pommern hatte im Mittelalter den lebhaftesten Handel, da Indiens Schätze auf der Wolga nach dem Norden gingen, und die Wasserstraßen damals sicherer waren als die Landstraßen. Die Herzoge standen in Erbverbrüderung mit Brandenburg, und da ihr Geschlecht 1637ausstarb, gehörte offenbar Pommern dem Hause Brandenburg, aber das übermächtige Schweden setzte sich in Besitz bis auf den Teil, den es im Stockholmer Frieden abtrat. Vorpommern bis an die Peene nebst Rügen war das letzte Denkmal schwedischer Übermacht in Deutschland, und wir haben jetzt wenigstens einen fremden Fürsten weniger auf deutschen Fürstenstühlen!

Pommern befand sich nicht übel unter Schweden, der Reichsverband, so schlaff er auch war, schützte es doch gegen Despotismus, und die Verbindung mit Schweden machte den Handel blühend, die Abgaben warm milde, es herrschte viel Freiheit, und die Schulden datieren erst mit den Franzosen (1807) die bekanntlich eine hohe Virtuosität besaßen die Länder systematisch auszusaugen. Pommern war daher Schweden ergeben bis auf die gewaltsamen Reformen Gustavs IV. der mit dem Eigensinn Carls XII., ohne dessen Gaben und Mut, die Franzosen mit Haaren nach Pommern zog, Napoleon so tödlich hasste, dass er Russland und Preußen ihre Ordenszeichen zurückgab, weil sie die des Napoleons angenommen hatten, und durchaus Napoleon, welcher Rußen, Preußen und Österreicher geschlagen hatte, schlagen wollte. Gustavs Sohn wollte Gustav Adolph spielen, und es kostete Schweden Finnland und ihm und dem alten Hause Wasa den Thron!

Pommern ist jetzt ganz unter Preußens Zepter, und zerfällt in drei Regierungs-Bezirke: Stettin, Köslin und Stralsund, oder Neupommern, d. h. Schwedisch Pommern. Diese Westpommern werden eher Preußen sein, als die Sachsen, und sich mit demselben Stolze, mit dem sie sich gerne Schweden nannten, Preußen nennen, wie die Ostpommern, mit denen sie gleiche Sitten und Sprache haben — noch besser aber wäre freilich, wenn sich beide — Deutsche nannten! Schon Friedrich sagte 1762 „ich weiß von keinem Krieg mit Schweden, die Händel mit meinem General Belling mag dieser ausmachen“ noch mehr demütigte am Rastädter Kongress Napoleon den schwedischen Gesandten Graf Fersen — und doch nannten sich diese Pommern lieber Schweden als Deutsche? Traurig! die Schweden sind brav, und die liebenswürdigsten Völker des Nordens, aber die Pommern — sind Deutsche, und die Schweden selbst Halbdeutsche, wie schon ihre Sprache beweist: Gubevars behüte Gott, Go dag guten Tag. Farval lebe wohl, Tack ich danke — vaelkomma Willkommen — sas jag lof at ga in habe ich Erlaubnis hineinzugehen — Hurra feierliche Freude, was sie, wie wir, von Russen angenommen haben mögen. Schon ist, dass in den germanischen Sprachen Gott und gut fast gleichlautend sind. . . . Ich denke sie werden Preußen und den König lieben, der so ernst und kräftig das unsere Zeit entehrende Verlangen des Adels die Leibeigenschaft wieder herzustellen, die schon Gustav aufgehoben hatte, zurückgewiesen hat. Sacra res homo miser! Aber Edelleute — prennent léur Souvenirs pour des Droits — man schämt sich selbst im Süden nicht den Todesfall einzustreichen, und mancher gefiele sich auch noch im jure Cunnagii!

Auffallend ist der Unterschied zwischen Märkern und Pommern. Wer nicht plattdeutsch versteht, kommt nicht recht fort, und versteht nicht einmal ihr Comment vous portez vous? Syg jy gaut werlich? Diese Pommern hängen um so fester am Vaterlande, je mehr sie noch Eigenes haben, und je einfacher ihr Leben ist, so wie Einsame stärker an Freunden hängen, und selbst Hagestolze, so oft man diesen auch Kälte und Egoismus vorwirft. Wer möchte Friedrich seine Vorliebe für ein Land, das ihm so treffliche Offiziere und Soldaten lieferte, verargen? Näher hatte er aber immer die Adels-Privilegien beleuchten mögen zum Wohl seines Volks — aber er schenkte lieber armen Bauern Saatkorn, Vieh und Geld, ehe er jene antastete, und hatte da stets Schaden — am Ohr! ob er gleich in seinen Schriften sagte: „Hörigkeit ist der unglücklichste Zustand, wogegen sich die Menschheit empört, denn kein Mensch ist geboren um der Sklave seines Gleichen zu sein“ Jetzt denke ich soll es schon besser kommen, und mit den Reliquien der Leibeigenschaft, die Friedrich Wilhelm III. abschaffte, und sich vielleicht wie der treffliche König Casimir von Polen, den Spott-Namen Bauernkönig muss aufheften lassen — (der schönste Titel) — muss notwendig, die Faulheit, grobe Sinnlichkeit, der Schmutz des Leibes und der Seele verschwinden, wie die alte polnische Wirtschaft, und dann wird man auch nicht mehr im Sprichwort sagen: mit de pommerschen Luchten lopen d. h. mit dem Hemd über die Hosen. In gar vielen Hütten Pommerns ist es noch das Geringste, dass man seine Not im Freien vernichten muss, wo dann nicht selten die Schweine das Ei zu verzehren anfangen, ehe es noch ganz gelegt ist!

Mit der Geistes-Kultr steht es noch schlimmer, wie hätte sonst Pommern zum Sprichwort werden können? wenn man hier dem Menschen sagte „er sei Selbstzweck“ dächte er wohl eher an Schusters Zwecke, und würde böse. Die Armut hindert selbst oft den Adel an guter Erziehung. Gewiss gibt es noch heute unter den 150 adeligen Familien in Hinterpommern mehr als einen Hans von Zanow, den Brandes mit soviel Glück auf die Berliner Bühne brachte mit seinem Wat Dûvel will he? Wer is he? Dat beleeft em man so to seegen — das mag ihm noch hingehen, wenn er ein altes Hausmöbel von Tante eene olle affecteerte Trulle nennt. Ein solcher Hans von Zanow sagte seiner sterbenden Frau, die ihn bat aufzustehen, und Licht zu machen „So stirb man, lat mick slapen!“ und legte sich aufs andere Lang-Ohr. Sicher trifft man in Hinterpommern mehr als ein Original vom Siegfried von Lindenberg, aber nicht alle sind so gut und wohltätig, und die wenigsten halten Lectoris ornari! Wenn sich selbst die Pommerischen Fräulein soviel müssen nachsagen lassen, was soll man von Geringem erwarten? Vielleicht sind sie aber dennoch besser, als das zu Berlin erzogene Fräulein, das so fein und sittig wurde, dass es auf die Frage Woher? rot bis über die Ohren erwidert „Um Vergebung! Aus Hinterpommern.“ Sie hatte vermutlich gehört, dass nur das, was von vorne a priori komme, rein sei — alles aber unrein, was von hinten a posteriori!

Jener preußische General, der nach vielen Jahren wieder nach Pommern kam, seine alte Mutter noch fand, und traktierte, wurde von dieser gefragt: Myn Sön, ik hebbe di ja Hans töpen lalaten, we bis du denn to den Nahmen Lenz (Exzellenz) gekommen? das Wort Exzellenz setzte schon manchen in Verlegenheit, wie jenen, der einem Exminister — ExElends schrieb! Wer lächelte nicht über den Pommer vor Friedrichs Zelte „Wie lange dienst du?“ 13 Jahr ,,Wie alt“ „19“ „Ho Ho!“ „Na! fünf Jahre war ich Gänsejunge, sechs Jahr Ochsenjunge, und zwei Jahre unterm Volk, tut das nicht 13?“ „Warum rauchst du nicht?“ „Der Hauptmann hat’s verboten „Rauche!“ Der Pommer rauchte der Hauptmann fuhr über ihn her „Dich soll ja“ und so ergriff er den Arm des Königs „Na! nun kriegen wir beide den Buckel voll!“ daher heißt auch in der Pommerischen Bibel Psalm 23 „du schenkest mir voll ein“ du givst mi een ganz Bak vull, den ganzen Buckel voll! — So sagte ein anderer, dem beide Beine abgeschossen waren, dem Chirurg „Hundertmal hab' ich Gott Leib und Seele empfohlen, nie aber an die verfluchten Beine gedacht!“ Die Franzosen sollen es haben entgelten müssen, dass die Pommern aus ihrem wütenden Vive l’Empereur — Wüwer her (Weiber her) machten, indessen drücke ich dem Pommer die Hand, der einem Berliner sagte: „ Fransch! Ich sü mal Fransch! So vornehm snaken wir hier to lande nich – all op dütsch, as de Snabel wassen is! Eine Pommersche Kanonen-Wache setzte sich ruhig im nahen Kruge, denn sie hatte versucht, „dass einer allein die Kanone nicht wegtragen werde, und gegen mehrere sie doch nichts nütze“ —und ein alter Schnurrbart, den sein 15jähriges hochadeliges Offizierchen misshandelte, hielt seine Grenadier-Mütze über ihn mit den Worten: „Wären Sie nicht mein Offizier, ich löschte Ihnen das Licht aus!“

Im Norden stehen die Pommern im hohen Ruf der Grobheit, wie im Süden Bayern und Österreicher. Im Grunde ist es Geradheit, Offenheit, Unfeinheit, die weder müßige Worte, noch Ausflüchte und kahle Entschuldigung liebt. „Wo ist der Dummkopf wieder?“ rief jener Offizier, da der Bediente nicht zur Hand war, und ein Pommerisches Fräulein sagte: „Auf Ihren Schultern“. Zu Berlin lernte ich den Abendseegen eines Pommerischen Fräuleins kennen:

Nu leg ick mi arme Deeren slapen —
Up de liewe Engelcen will ik treuen tun hapen,
Un wenn de Düvel wullte mich anbölken,
so will ik em berotzen, he shal sik bekölken,
un wenn he wulte mek gar bieten
so will ik em beseken un beschieten! —

In Pommern kann man sehr leicht ein „ik will was schitten“ hören, wie im Süden Jo warum nit gor — i mog nit — dovon isch koi Red, und die Formel, die Friedrich für die stärkste Formel deutscher Sprache erklärt — das grob ausgedrückte Nein, das ist nächster Verwandtschaft mit dem Pommerischen: ik will wat schitten! steht. Mit dieser Grobheit in Worten ist aber mehr Gutmütigkeit und Hilfe verbunden, als mit allen Artigkeiten des bon ton. Jener Pommerische Bediente hinter dem Stuhl seiner Fräulein, die einen schneidenden Discant-Ton von sich gab, lachte, und sagte: „dat was to veel, Frölen“, aber kaum wies ihn ein anderer zur Ordnung , so rief er mit der größten Gutmütigkeit: „Met Gonst! Dat Gebrumm von mei Frölen nem ik up mik!“ — Wir haben noch kein gutes deutsches Wort für die Herzens-Höflichkeit in groben Kittel, im Gegensatz der vornehmen oder Mode-Höflichkeit, die etwas Pudel-Artiges hat, und keinen Boden, oder jener Höflichkeit des homme en place, (wäre es auch im kleinsten Landstädtchen) die ein NB. ist, dass man sich gegen den wichtigen Mann nicht vergesse!

Gewohnt auf Reisen mein Budget à Ein Dukaten einen Tag in den andern zu berechnen für Alles, wenn ich auch gleich viele Tage mit einigen Gulden abkomme, zumal mit Apostelpferden, habe ich in Pommern und Westfalen manchmal mit 12 gr. ausgereicht, denn man konnte nichts haben, als Kartoffel und Hering, Brod und Käse, Bier, Schnaps und Strohlager, hier gilt das Sprichwort: man kann der Luus nig meer nehmen, as dat Leven! Im Norden ist die Übersetzung des Mal de Midi Mittagsmahl ganz richtig, und Sancho kann nicht melancholischer beim Mahle gesessen sein, wo der Leibarzt den Stab über jede Schüssel senkte, als ich in manchem Kruge des Nordens. Alles, was Pommerisch heißt, verlangt einen altdeutschen Magen — Speck und Erbsen, Bakenbeere, Klüte, selbst Spikgänse verlangen ihn, Klüte (Klöße) und Speck, Klüte und Bakbeeren sind Haupt-Gerichte, und so sagen sie auch ganz für sich mit Schneeballen werffen, sik sneeklüten (sich Schneeklößen). Der rote Greif mit goldenen Füßen im silbernen Felde, das Wappen Pommerns, sollte der Gans weichen, denn eine Pommerische Gans von 25 Pfund ist ein kleiner Greif, und mehr, weil sie in natura vorhanden, und das unter den Gänsen ist, was der Friesische Gaul unter den Gäulen. — Der würdigste Repräsentant Pommerns, das die geräucherte Gänsebrust selbst unter Leckerbissen zählt, wäre die Gans, die Gänse haben zwar Fittiche, aber wenig Naturflug, und so auch die Pommern — dagegen aber freien Naturgang, so schlecht sie auch zu Fuße sind, und diesen freien Naturgang hatte bisher nur der Adel — Die Gänse haben nachstehende Redensarten erzeugt: de dumme Goos — achter eenander as de Göse, wat hebt et de Gose good — wenn Bier oder Wein fehlt — von einem gelblich kränklich aussehenden Mädchen sagen sie „si seet gösig ut!“ Im Mittelalter aber war es ein hoher Schimpf die Helmzierde den Schwan für eine Gans anzusehen! Der Gänsekiel ist der Zepter der Gelehrten, und in unserer Zeit selbst vieler Damen — aber es ist schwer sich zur Unsterblichkeit aufzuschwingen mit — Gänseflügeln

Gutmütig haben Gänse lange Zeit
zum Schreiben ihre Federn uns geweiht —
das konnte länger nicht so bleiben,
sie fangen an jetzt selbst zu schreiben!

Ich erinnere mich nicht in Pommern den Schild „Zur goldenen Gans“ gesehen zu haben, desto häuffiger findet man solchen im Süden, und ein Postmeister schickte mich einst selbst „Zur goldenen Gans — es ist meine Tochter!“

Hinter-Pommern würde schöner und fruchtbarer sein, wenn ein bedeutender Strom dasselbe bewässerte. Die Warthe und Netze scheinen ihren Weg dahin nehmen zu wollen, aber wahrscheinlich hinderten sie die fliegenden Sandhügel, und so machten sie es, wie ich, und kehrten um nach der Oder. Vergebens sehen sich die Faunen in den weiten Fichtenwäldern um nach einer Nymphe um mit ihr zu tanzen — aber in diesem Sande ist aus getanzt — nur die Schafe und Gänseherden bringen noch einiges Leben in die Natur, aber Schafe und Gänse machen noch kein Arkadien. Und doch lässt sich auch Pommern eine lachende Seite abgewinnen — Die alte Einfachheit und Treuherzigkeit ist hier noch ganz zu Hause, die stets gerne neben der Armut wohnt. Der Pommer ist noch ein alter biederer, arbeitsamer, mutiger Deutscher von kräftiger Leibes-Konstitution. Mitten unter Pomeranzen, Mandeln und Pinien, Myrthen, Lorbeern und Granaten, Feigen, Rosinen, Oliven und köstlichen Weinen sehnt sich der Pommer nach seinen heimischen Kartoffeln, Schnaps und Bier, nach seinen Fichten, Tannen, Eichen und Linden, vorzüglich aber nach seinen guten ehrlichen Landsleuten, und Frau Mutter-Sprache, und ich — halte es mit ihm; zuletzt sehnen wir uns alle nach dem — Grabe. Jener Junge, den der Schulmeister fragte: „Wo kommen die Pommeranzen her?“ antwortete „Aus Pommern!“ In Pommern möchte es nicht gut sein die kleinen meist weißen Hündchen mir spitzen Köpfen, daher Spitze genannt, Pommer zu nennen, ob sie gleich eher aus Pommern stammen, als die Pomeranzen! und unsere Mägde, die beim Zusammentreiben der Gänse Huß! Huß zu rufen pflegen, sprechen slawisch ohne zu wissen, dass Huß böhmisch Gans bedeute!

Die Postmeilen sind klein, die Meilen aber, die nicht bezahlt werden, verdammt lang. Das Zahlen pflegt sich nach der Subjektivität des Zahlers zu richten, und so gibt es oft Stunden, die der Fuchs gemessen hat! In Pommern und Mecklenburg heißt es: Een Viertel Wegs — een Hundegeblaff (so weit man den Hund hört) een Hahn schrie, een Pip Tubak — een Büssenschuss — alle diese Länge-Bestimmungen darf man kek auf eine gute halbe Stunde reduzieren. Komisch kamen mir die Weiden-Alleen vor, die sich schon in Schlesien finden, und nirgendswo sah ich mehr Dohlen. Wehe dem, der nahe am Kirchturm wohnt, stündlich hört er eine Musik, die von allen Turmmusiken (selbst wenn man seine eigene Leichen-Musik noch hörte) die schlechteste ist, Freund Fik geht aber doch zu weit, wenn er im Pommerischen Dialekt diese Dohlen-Musik wiederfindet, weil die Kinder die Sprache der Dohlen öfters hörten, als die menschlichen Zungen!

Ich hatte schon satt an Vor-Pommern, und, das schöne Rügen so sehr vor Augen und im Herzen, dass ich Hinter-Pommern nicht gesehen habe, ob mir gleich Kolbergs Name alle jugendlichen Reminiszenzen des siebenjährigen Kriegs aufweckte und nun gar erst Danzig und der alte Deutsch-Ordens-Staat? Über das alte Kamin an der Divenow mit seinem Dom aus der Zeit, wo es Bischofssitz war, (daher das Wappen eine Nonne im Lehnstuhle) und einem Fräuleinstift, führt der Weg nach Treptow, das ein recht heiteres gutgebautes Städtchen sein soll mit einer Umgebung, die vergessen macht, dass man in Hinter-Pommern ist. Kolberg liegt nur, 1/2 Stunde vom Meer an der Persante, hat einen Hafen, Salinen, 6.00 Seelen, und ist fest, mehr durch Moraste als Kunst. Im siebenjährigen Kriege belagerten es dreimal die Russen, aber Heyden war kein, — — — Die Bürger selbst unterstützten die Besatzung, wie in unserer Zeit der alte Nettelbeck, der noch die russische Belagerung kannte. Nettelbeck, dessen Selbstbiographie so interessant ist, rettete im Grunde Kolberg, indem er es dahin brachte, dass der König Gneisenau sandte, indem Loucadou ein abgelebter Mann war, und die Garnison jenem Patrioten erwidert hatte „Was Bürgerschaft!“ wie Höflinge: „Was Staat! was Konstitution!“ Kolberg ist die Vaterstadt des Minister v. Podewil und Rammlers, und hier saß auch der geniale Bülow gefangen, der es mir seinem Feld-Marschalls-Kopf nicht weiter brachte, als bis zum dimittierten Leutnant! Seine militärisch stark abweichenden Ansichten, vorzüglich seine Feldzüge 1800 und 18055 missfielen — wie wem, er gar den Feldzug 1806 noch geschrieben hätte? Mit der Ankunft der Franzosen wurde er nach Königsberg und Riga gebracht, wo dem Genie, das sein Vermögen verreist hatte, sich in keine Dienstverhältnisse zu fügen wusste, und selbst für Schriftstellerei — zu viel Genie war, ein Nervenfieber — die ewige Ruhe gab —1807. Vielen ist Kolberg am wichtigsten durch seinen bedeutenden Lachs- und Neunaugenfang!

Köslin, das gleichfalls recht angenehm sein soll, mit Seelen, ist Regierungs-Sitz, und hier hat auch Friedrich Wilhelm I. eine Bildsäule „Coslinum incendiis deletum restauravit 1724“ — Rügenwalde mit 6.000 Seelen treibt Schiffbau und Seehandel, und war einst Hansestadt, wie Stolpe, die wichtigste und gewerbsamste Stadt Hinter-Pommerns, mit 6.000 Seelen. Der Holzhandel ist stark, die Kadettenschule aufgehoben, der Lachsfang von Bedeutung, und die Hälfte Bernsteins, der sich auch an Pommerns und Mecklenburgs Küsten findet, jedoch sparsam, wird hier verarbeitet (die andere zu Königsberg) zu Halsbändern, Ohrgehängen, Knöpfen, Pettschaften, Kreuzen, Etuis Spielmarken etc. Viel geht durch Armenier nach der Levante, wie man glaubt, zu Rauchwerken, das Harz verbreitet schon bei der Arbeit einen angenehmen Geruch, aber die feinen Teilchen, die sich auflösen, sollen doch die Brust angreifen? und so mögen die Mundstücke der Tabakpfeifen großen Schmauchern vielleicht auch schädlich sein, wenn ihre Saug-Organe nicht bereits durchräuchert, und lederartig geworden sind. Das größte Stück Bernstein, das man kennt, und im Berliner Mineralien-Kabinett sehen kann, hat doch nur 14" Lange, 8" Breite und Gewicht 13 ½ Pfund; die Staat-Einnahme soll nur 18.000 Thaler betragen, und ich hätte die schönen Tränen der zärtlichen Schwestern über den Sturz des allzu kühnen Bruders Phäton vom Sonnen, Wagen — höher angeschlagen.

Hinter Stolpe geht nun alles Wendisch zu, oder Kasubisch, Schmutz über Schmutz — Kartoffeln, Brod, Schnaps, nicht immer in Krügen, und selbst Wölfe. Die Sprache ist halb deutsch, halb polnisch, und die Nationaltracht hat auffallende Ähnlichkeiten mit den Knoblauch-Bauern um Nürnberg, die sich auch zur Maxime der Kasuben bekennen: en unslagen Wyf is en unsolten Kohl. Lauenburg an der Leba, ist das letzte zu Deutschland gehörige Städtchen, Grospopol der letzte Krug, und hier für mich ohnehin die Säulen des Hercules. Die Wölfe sollen in manchen harten Wintern eine wahre Landplage sein — die Jäger hüten sich wohl solche auszurotten, wo bliebe das Schussgeld? und der Landmann, dessen Schafe sie holen, darf nicht schießen? folglich ist er weit übler daran, als der unsrige mit seinen Kommun-Schützen, die schießen dürfen, wenn sie — wollen.

Jenseits der Hercules-Säulen winken mir nicht nur einige Millionen braver deutscher Brüder — die eigentlichen Preußen, das tragische Theater des ritterlichen Deutschen Ordens mit der hohen Marienburg — sondern selbst akademische Brüder, Danziger, Lief- und Kurländer, fast bis zur Kaiserstadt. — selbst Kant, Hippel, Scheffner etc. winken. Ich bin kein Krebel bei, der in seinen 15mal aufgelegten Reisen von Marienburg sagt „ein altes festes Schloss, einst Residenz der Hochmeister, wo unglaublich dicke und lange Balken anzutreffen sind!“ — gerne möchte ich die Erste aller Ritterburgen bewundern — für die der Kronprinz Preußens soviel getan hat — gerne nähme ich von meinen Danzigern etwas Kaviar und ein Gläschen Danziger Lachs in der feuchten Luft und bei dem schlechten Bier — ohne Magistratus eine Perücke vom Kopf zu reißen, wie Peter der Große es tat — Vivat Friedrich! Vivant Gedanenses!

Am wenigsten gelüstet mich nach den deutschen Brüdern, so gebildet sie auch sind, und so rein deutsch sie auch sprechen, welche Teile des Russischen Kolosses sind, vor dem mir Deutschen etwas graut. Er verdankt Deutschen seine ganze Bildung — die Herrscher haben deutsche Mütter und Gemahlinnen — Nicolaus wandelt auf der Spur des edlen Alexanders, ist aber auch sterblich — der Koloss hat sich bereits in die offenen Flanken zweier Nebenbuhler hineingearbeitet, und wer will ihn hindern, wenn er seine Füße auf Oder und Elbe, Hamburg und Lübeck setzen, und Baskieren in Berlin und Wien einrücken lassen will, wie einst Goten in Athen und Rom einmarschierten? Unsere Soldaten rufen bereits Hurrah! und unsere Fuhrleute Stoi! Stupai! Ich selbst lernte 1813 ein freundliches Drest! na prava! Na lewa, um desto leichter durch Russische Regimenter und Kosaken-Pulks durchzukommen, ehe sie mir ihr Peddin zurufen konnten, während einer meiner Freunde seinen Pudel, der sonst Cosak hieß, aus lauter Respekt nicht geschwinde genug in Isaac umtaufen konnte, was dem Pudel wie Cosak klang. Der Respekt war so groß, dass ein Zensor in einer Schilderung der Kosaken „sie reiten auf kleinen hässlichen Pferdchen“ die Worte kleinen, hässlichen wegstrich, und so erfuhren denn die Leser, dass die Kosaken auf Pferden reiten, und nicht auf Ochsen und Eseln oder gar Stecken! — Selbst Franzosen, die sonst von Le Nord, wie von den Pays-Bas, sprachen, haben ihn seit 1812 besser kennen gelernt, und mögen nicht mehr ohne Not dahin reisen, und wir — wir müssen ohnehin in Deutschlands Grenzen — bleiben —
Non patriae fines, et dulcia linquimus arva.

Weber, Karl Julius (1767-1832) deutscher Schriftsteller und bedeutender Satiriker

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Danzig

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