Ratzeburg, Mecklenburg-Strelitz 1798

Aus: Reise durch Deutschland, Dänemark, Schweden, Norwegen und einen Teil von Italien in den Jahren 1797–1799 , Band 1
Autor: Küttner,Carl Gottlob (1755-1805) Lehrer und Reiseschriftsteller, Erscheinungsjahr: 1804
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Mecklenburg-Vorpommern, Mecklenburg-Strelitz, Ratzeburg, Reisebeschreibung, Juden
Von Büchen bis Ratzeburg sind es drei Meilen. Der Sandwege ungeachtet vollendeten wir doch diese Tagereise sehr früh, und kamen vor fünf Uhr in Ratzeburg an. Der See ist sehr schön, und seine Ufer an den meisten Orten hügelig und mit Holzung bewachsen. Indessen hat man nicht die schönsten Ansichten davon in der Stadt selbst, sondern muss sie auf einigen Hügeln suchen, die den See umgeben, und wo sich einige Gebäude finden, nach denen aus der Stadt und mehr noch aus den umliegenden Orten, worunter auch Lübeck gehört, häufig Lustpartien gemacht werden.

Die Lage der Stadt ist sonderbar, mitten im See — auf einer Insel, wenn Sie wollen, die aber doch, auf der Lauenburger Seite vermittelst eines Dammes mit dem festen Lande verbunden ist, während sie, auf der entgegengesetzten Seite, durch eine hölzerne Brücke mit dem Lande Mecklenburg zusammenhängt.

Als Festung hat sie wohl nicht viel zu bedeuten; auch hat, das Haus Hannover von seinem guten Freunde, dem Herzog von Mecklenburg, nichts zu befürchten. Ja diese Fürsten leben, in Rücksicht auf Ratzeburg, so friedfertig zusammen, dass der letztere in der Stadt selbst ein Besitztum hat, welches von dem Anteile seiner Großbritannischen Majestät bloß durch zwei Tore getrennt ist. Man nennt es den Domhof und Palmberg bei der Stadt Ratzeburg, die aber ein jeder, der den Unterschied nicht weiß, als einen Teil der Stadt betrachten wird. Hier ist die Domkirche und einige andere Gebäude, die dem Herzog von Mecklenburg gehören.

Ich verlangte jemanden, der uns die Stadt zeigen sollte, wodurch ich aber die besten Aussichten aus der Stadt auf den See meinte. Man scheint hier an solche Führer nicht gewöhnt zu sein, und erst nach einigen Schwierigkeiten stellte sich ein wohlgekleideter, anständiger Mann dar. Wir machten uns sogleich auf den Weg, und nachdem wir eine geraume Zeit gegangen waren, wunderte ich mich, dass wir, in einer nicht großen Stadt, noch immer nicht aus den Häusern heraus waren. Da erfuhr ich denn, dass uns der Mann durch die ganze Länge der Stadt geführt hatte, um uns den Ratzeburger Dom zu zeigen, seine künstlich gehauenen Apostel und einige Herrlichkeiten und Wahrzeichen an der Uhr. Sie können leicht denken, dass wir uns wenig um diese Merkwürdigkeiten bekümmerten, und der Einfall war mir um soviel belustigender, da unser Führer ein Jude war. Wir nahmen nun eine andere Richtung und hatten Ursache, mit seiner Leitung zufrieden zu sein. Er brachte uns endlich an das Wirtshaus zurück, wo nichts ihn bewegen konnte, Geld anzunehmen. Er war, wie ich nachher erfuhr, ein Kaufmann. Er hatte schon den selben Tag eine Fußreise von drei Meilen gemacht, und konnte doch der Versuchung nicht widerstehen, ein paar Stunden mit Fremden zuzubringen, auf irgend eine Art eine Bekanntschaft zu machen, etwas Neues zu hören, über den Engländer, und Franzosenkrieg zu schwatzen, und vielleicht etwas Geld umzusetzen, oder irgend einen Schacher zu treiben. — Wir wohnten auf dem Ratskeller, einem großen Hause mit altväterischen Zimmern, in denen wir übrigens recht gut waren.

Wir verließen Ratzeburg heute früh und waren schon um elf Uhr (es sind drei Meilen) zu Lübeck. Überhaupt muss ich erinnern, dass wir noch so ziemlich geschwind auf diesen beschwerlichen Sandwegen von Hannover bis hierher gekommen sind, dass die Postknechte sich alle mögliche Mühe gaben, ein Stückchen guten Weg aufzusuchen, die große Straße bald rechts, bald links verließen, und kurz, besser fuhren, als ich in anderen Provinzen von Norddeutschland auf bessern Straßen gefahren worden bin. Auffallend ist es, dass man in den Hannöverischen Provinzen hin und wieder auf ein Stückchen guten Weges trifft, es sei nun, dass er gepflastert, oder im eigentlichen Sinne des Wortes eine moderne Chaussee ist. Ein solches Stück fängt an und hört wieder auf, bisweilen mitten auf einer Station, ohne dass man eine besondere Ursache dafür sehen kann.

Zwischen Ratzeburg und Lübeck befährt man beinahe die ganze Länge des Sees, und hat abwechselnd angenehme Aussichten darauf; aber die Straße ist sandig und das Land größtenteils elend.

Ratzeburg, Altstadtinsel

Ratzeburg, Altstadtinsel

Ratzeburg, Ansveruskreuz aus dem 15. Jahrhundert

Ratzeburg, Ansveruskreuz aus dem 15. Jahrhundert

Ratzeburg, Dom

Ratzeburg, Dom

Ratzeburg, Luftbild

Ratzeburg, Luftbild

Ratzeburg, Stadtansicht

Ratzeburg, Stadtansicht