Pommern - Wolgast und die Ruinen des alten Schlosses.

Aus: Deutschland und die Deutschen. Band 2
Autor: Beurmann, Eduard (1804-1883) deutscher Advokat, Journalist und Redakteur, Erscheinungsjahr: 1839
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Mecklenburg-Vorpommern, Pommern, Landesbeschreibung, Land und Leute, Sitten und Gebräuche, Kultur-, Sitten- und Sozialgeschichte, Bildung, Lebensverhältnisse, Besitzverhältnisse, Wolgast
Über Usedom gelangt man nach Wolgast, das am jenseitigen Ufer der Peene liegt, in neun Stunden, ich sage in neun Stunden, denn obschon die Entfernung kaum fünf Meilen beträgt, so ist doch der Weg so tief und unzuverlässig, dass man nur mit Mühe den Sand besiegt. In Wolgast, berühmt durch Kornhandel, der sich hier aus Vorpommern konzentriert, werden die trauernden Ruinen des Schlosses der alten wolgastisch-pommerschen Herzöge die einzige Merkwürdigkeit sein. Schwarz und düster und zerrissen blicken sie durch die Nacht, fährt man spät Abends über die Peene, pittoreske und romantische Eindrücke gewahrend in dieser plattdeutschen ebenen Gegend, die, obwohl von Wolgast an fett und fruchtbar, doch der Kulminationspunkt aller Prosa ist. Ein paar zertrümmerte Türme neigen sich wehmütig aus dem Mauergeflecht hernieder zu Wolgast, das jung und blühend, in pommerschem Geschmack aus dem letzten Brande emporstieg. Von dem Hauptgebäude stehen noch Mauern, aber die Schutthaufen ringsum überragen sie beinahe. Der ganze Platz, den die Ruinen einnehmen, ist gleichfalls mit Mauer, Wall und Graben umgeben. Man behauptet, dass die Grundlage des Baus aus der alten slawischen Zeit herrühre, die vorpommerschen und slawischen Fürsten würden diese Feste, die im Jahre 1511 von Philipp I. zu Stettin in festeren und letzten Zustand versetzt wurde, als Aufenthaltsort benutzt haben. Seit 1557 war das Schloss beständige Wohnung der wolgastisch-pommerschen Herzöge, bis es 1675 von den brandenburgischen Truppen zerstört wurde.

Von Wolgast an wird — wie gesagt — die Gegend fett, lehmig und trefflich für Gerste und Weizen; grüne schwellende Wiesen durchkreuzen die Äcker; Garten und Felder sind mit Mauern eingefasst; mit einem Worte, wir befinden uns in einer Gegend, wo die Wohlhabenheit, trotz aller Hindernisse der Menschen, von der Natur hervorgerufen wurde. Wie licht und freundlich nehmen sich die vorpommerschen Dörfer in Vergleich mit dem Schmutz und der Armut jenseits der Peene und insonderheit in Hinterpommern aus, wo Fiddichow, Gülzow, Leba, Pollnow, Ratzebuhr, Rummelsburg, Werben, Zanow und Groß-Stepenitz, lauter kleine Städte, die den Höhepunkt hinterpommerscher Bildung bezeichnen, im eigentlichen Sinne des Worts im Drecke stecken.

Wolgast, Hafen mit Zugbrücke

Wolgast, Hafen mit Zugbrücke

Wolgast, Marktplatz und Rathaus

Wolgast, Marktplatz und Rathaus