Pommern - Feudalismus und Adel. Christentum in Pommern. Pommersches Bier

Aus: Deutschland und die Deutschen. Band 2
Autor: Beurmann, Eduard (1804-1883) deutscher Advokat, Journalist und Redakteur, Erscheinungsjahr: 1839
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Mecklenburg-Vorpommern, Pommern, Landesbeschreibung, Land und Leute, Sitten und Gebräuche, Kultur-, Sitten- und Sozialgeschichte, Bildung, Lebensverhältnisse, Besitzverhältnisse
In Pommern ist der Feudalismus in Leib und Leben des Volks übergegangen. Das ist nicht figürlich zu verstehen, sondern wirklich. Brenkendorf schrieb an Friedrich den Großen: „Zu Czarnidamnow *) leben allein zwölf adelige Familien, neun und fünfzig Köpfe stark. Der Kuhhirt und der Nachtwächter sind die einzigen unadeligen Menschen im Dorfe, ihre Weiber aber geborene Fräuleins.“

*) Ein Dörfchen, um das sich die Geographie nie bekümmert hat.

Nun schließe man, wie sich diese Rasse seit Friedrich dem Großen ausgebreitet haben muss, der freilich Pommern wohl wollte und wohl tat, weil es ihm so vortreffliche Soldaten lieferte, wie Böhmen Österreich, der aber nie vergaß, dass die großen Generäle des siebenjährigen Krieges zum großen Teil aus dem Adel von Vor- und Hinterpommern herrührten, und diesen deshalb nicht nur in seinen Rechten und Unrechten ließ, sondern ihn auch in Verhältnissen vorzog, wo Bürgerliche dieselben Dienste geleistet hatten und vielleicht noch bessere, wollte man die Zukunft der preußischen Monarchie zu Rate ziehen, die weder aus einer feudalen Grundlage emporwuchs, noch eine feudale Perspektive zulässt. Aber selbst Staatsmänner und Philosophen sind Menschen. Ich sage, man schließe auf die Fortpflanzung der adeligen Rasse; denn wenn die geborenen Fräuleins sich nach Brenkendorfs Briefe auch durch eine vernünftige Heirat mit dem Kuhhirten und dem Nachtwächter des Dorfes Czarnidamnow geholfen hatten, und wenn man auch annehmen kann, dass viele andere diesem Beispiel nachfolgen und nicht wie Sidonia von Borke, die nur einem pommerschen Herzog ihre Hand reichen wollte, an das reine Blut hielten, so muss man doch annehmen, dass die männliche Nachkommenschaft stets an den Adel erinnert wurde, den sie fortpflanzte. Ein „Herr von“ konnte schon nicht das Vieh hüten, oder das Dorf bewachen, wenn das Rittergut nicht für alle Brüder ausreichte; und da auch der Krieg beendet war, so tat man lieber nichts, oder erfüllte höchstens den Zweck des Lebens. Wer nicht weiß, was man unter Zweck des Lebens in Pommern versteht, der lasse es sich gesagt sein, ich habe die Definition aus dem Munde eines pommerschen Landjunkers, der mir bemerkte: „bevor man Stettiner Bier gehabt, habe der Zweck des Lebens nur noch in der Kindererzeugung bestanden, jetzt bestehe er auch im Stettiner Bier.“ Welche Erweiterung des Ideenkreises im achtzehnten Jahrhundert! Übrigens kann ich schon hier bemerken, dass das pommersche Bier von Stralsund bis Stettin vortrefflich ist, d. h. nur in den Städten; denn auf dem platten Lande gibt es hier keine Industrie. Als ich zum ersten male Pommern betrat und, von Rostock kommend, über Dammgarten nach Neuvorpommern fuhr, machte mich bereits der preußische Kondukteur in einem mecklenburgischen, oder pommerschen
Postwagen — Herr von Nagler hat seinen Einfluss bis hierher noch nicht ausgedehnt — auf das pommersche Bier aufmerksam. Und wahrlich! das pommersche Bier ist die einzige Poesie in diesem Küstenlande, obwohl Herr Wilhelm Meinhold, der Verfasser der „humoristischen Reisebilder aus Usedom“ behauptet, die berühmtesten Männer unserer Zeit, von Jean Paul bis Gustav Schwab, hätten ihn für einen Dichter erklärt. Ich meines Teils hatte das pommersche Bier für einen größeren Dichter, als den Pfarrer von Krummin, und bitte jene preußischen Lieutenants, die mit mir einmal im Gasthause zu Anklam Anklamer Bier tranken, zu bezeugen, dass wir in eine solche Täuschung verletzt wurden, den pommerschen Champagner für echt zu halten bis — zum Morgen des nächsten Tages, wo die nüchterne Wirklichkeit an die Stelle einer bierblühenden Phantasie trat.

Pommern wurde erst 1125 zum Teil christlich, 1130 ganz; denn Bischof Otto von Bamberg hatte kein leichtes Spiel mit den alten slawischen Göttern, unter denen Pommern reich und herrlich geworden war. Sie mochten nicht zweifeln die alten Slawen an einer Gottheit, die wenigstens nur zum Kriege Menschenopfer verlangte, nicht zum Frieden, wie der Christengott, der mit der neuen Lehre über Blut und Leichen einherschritt und das Kreuz für ewige Zeiten auf dieses Land heftete, das rote Kreuz der Entbehrung und Duldung; denn man wird nicht behaupten können, dass das Christentum eine andere Seite in Pommern aufgeschlagen habe, als die des passiven Gehorsams. Der Feudalismus ging aus slawischen Formen in christliche über, und noch in diesem Jahrhundert durfte der pommersche Adel Friedrich Wilhelm den Gerechten um Wiedereinsetzung der Leibeigenschaft bitten. 1124, d. 15. Juni, wurden die ersten Pommern — man gibt ihre Zahl auf 7.000 an — am Ottobrunnen bei dem Dorfe Altstadt getauft, in Bausch und Bogen, indem das Schwert über sie kam, und 1125 soll Vineta untergegangen sein, die blühende Wendenstadt, mit Mauern aus Jaspis und Marmor und mit goldenen Zinnen und Türmen.

Johann F. Zöllner

Johann F. Zöllner

Wolgast, Hafen mit Zugbrücke 1920

Wolgast, Hafen mit Zugbrücke 1920

Greifswald, Giebelhaus Markt 13, 1920

Greifswald, Giebelhaus Markt 13, 1920

Stralsund, Alte Giebelhäuser in der Semlowerstraße 8, 1910

Stralsund, Alte Giebelhäuser in der Semlowerstraße 8, 1910

Stralsund, Jakobiturmstraße und Jakobikirche

Stralsund, Jakobiturmstraße und Jakobikirche