Pommern - Bewohner. Slawische Elemente. Deutsche Bevölkerung auf dem platten Lande. Territorialbeschaffenheit von Pommern

Aus: Deutschland und die Deutschen. Band 2
Autor: Beurmann, Eduard (1804-1883) deutscher Advokat, Journalist und Redakteur, Erscheinungsjahr: 1839
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Mecklenburg-Vorpommern, Pommern, Landesbeschreibung, Land und Leute, Sitten und Gebräuche, Kultur-, Sitten- und Sozialgeschichte, Bildung, Lebensverhältnisse, Besitzverhältnisse
Von slawischen Elementen haben sich in Pommern die Kassuben in Hinterpommern, in der Umgegend von Schmolzin [Smoldzino] unzweifelhaft, vielleicht auch die Lieperwinkler, auf Usedom, und die Mönchguter auf Rügen erhalten. Im Übrigen ist Wendland im Christentum untergegangen, d. h. man ist auf dem platten Lande, wo die Armut nicht entgegen steht, reinlicher, als unter den Kassuben und den Lieperwinklern *) und in sofern auch ehrlicher, als man nicht stiehlt, was unter diesen noch als eine alte wendische Gewohnheit beibehalten zu sein scheint; aber gastfreier, zuvorkommender, hilfstätiger und zutraulicher ist man leicht nirgends, als am Ledastrom, den die Kassuben umwohnen, und in jenem vom Achterwasser und der Peene gebildeten Winkel, den die Lieperwinkler seit undenklichen Zeiten, abgeschieden durch Sitte und Gewohnheit von den übrigen Usedomern, besetzt halten. Die Mönchguter leben sogar nicht mit dem Vieh unter einem Dache und zeichnen sich höchstens durch die auffallende Tracht, durch die Vorliebe für schwarz und rot, durch die kurzen Röcke der Weiber und die vielen Hosen, die die Weiber eine über die andere ziehen, vor der deutsch-christlichen Bevölkerung Pommerns auf dem platten Lande aus, die freilich Gott danken kann, wenn sie eine Hose anzuziehen hat.**) Auch der Kassube trägt aus Ökonomie nur einfache leinene Hosen, wie man denn wohl annehmen kann, dass der Schmutz bei ihm, wie bei den Lieperwinklern, eben so sehr eine Folge der Notwendigkeit, als ein wendischer Überrest ist. Der Fischfang an den Küsten der Ostsee hat nicht wohl in feudale Verhältnisse eingeklemmt werden können, und da er überreichliche Ausbeute gewährt, so hat die der Küste anwohnende Armut wenigstens zu leben, während man in anderen Distrikten, landeinwärts, nur so viel erwirbt, dass man nicht stirbt.

*) Also genannt von dem Kirchdorfe Liepe.
**) Siehe Mönchgut bei Rügen.


Es verdient hier Erwähnung, dass den beabsichtigten freien Bauerngütern von Privaten häufig entgegen gewirkt wird, die die Vorteile, welche man durch die angeführten Gesetze dem Bauern zuwenden wollte, listig sich vindizieren. Wirtschaftsinspektoren kaufen den letzteren aus, und wenn sie das Land auch in neuer Weise, ganz gleichmäßig mit den königlichen Domänen und Rittergütern bestellen, so mag man doch in der Veredelung des Ackerbaues, wie dieselbe solchergestalt herbeigeführt wird, eben keinen Nutzen für die Gesellschaft und den Staat erblicken. Der Grund aber hiervon liegt darin, dass der Luxus, wie nach allen Seiten hin, auch nach Pommern zu ausschreitet, aber die Bildung und Zivilisation, die ihn anderwärts begleiten, sind hier nicht anzutreffen; somit hat denn die Übervorteilung freies Spiel. Nur die Bildung und Zivilisation können den trägen Charakter des pommerschen Bauern leichter und schnellfüßiger machen, nicht aber die Gesetze, und wenn man jene nicht von denen begünstigt sieht, die in unmittelbarem Verkehr mit den unteren Klassen stehen und in Pommern den meisten Einfluss auf dieselben ausüben, ich meine, von den Geistlichen, so werden die drei Landschullehrerseminarien zu Stettin, Köslin und Greifswald immer nur sehr bedingungsweise ihnen, dienen können. Was wird der Schulmeister in dieser Hinsicht erreichen, wenn der Pfarrer die „edle Einfalt“ predigt? Diese Herren sollten überhaupt mehr handeln, als predigen, sie sollten dem Bauern dartun, dass er an die alte Sitte der Väter halten müsse, aber nicht an ihre Unsitte, sie sollten sich nicht nur um den Glauben der Bauern kümmern, sondern auch um das Leben derselben. In diesem Falle aber würde der Fortschritt sicherlich keine schiefe Richtung nehmen. Der pommersche Bauer insonderheit ist arbeitsam und ausdauernd, aber die „edle Einfalt“ bewirkt eben, dass er den Ackerbau im alten Schlendrian betreibt und den Fischfang nicht erweitert. Wohin man das Auge wendet, hört man von Verständigen und Vorurteilsfreien deshalb Klagen. Die Städte blühen auf, aber das platte Land liegt in den alten Banden, weil die Herren Pfarrer sich nur an das Dienstreglement halten und die Gemeinde außerhalb der Kirche auch noch vom Standpunkte der Kanzel betrachten und von dem Subordinationsverhältnisse aus. Ja viele dieser Herren gehen so weit, dass sie den Verfall der Bauern, den überhandnehmenden Luxus und die Demoralisation, wenn auch nur mittelbar, dem Unterricht in Rechnung stellen, statt dass sie vielmehr bedenken sollten, der Luxus sei nur eine epidemische Krankheit der Zeit, und der Unterricht und die Bildung seien die Heilmittel dagegen. Wenigstens reichen die Kirche und der blinde Glaube in diesem Falle allein nicht aus. Fiat lux! auch über Hinterpommern; mögen die Pfarrer, die bis dahin wie Sterne am dunklen Himmel pommerscher Einfalt glänzten, dann auch minder in die Augen fallen, so wird das Land doch in der neuen mittägigen Beleuchtung nur um so besser erscheinen.

Die jetzige Provinz Pommern zählt außer den bereits erwähnten Bestandteilen auch neumärkische und westpreußische Elemente, und ist so flach und eben gehalten, dass sie sich nur auf der Insel Rügen zu Bergketten erhebt, sonst aber nur zu einzelnen Hügeln, wie z. B. zum Tollenberg und Revekuhl, und in Hinterpommern zu jenen Dünen, die das Meer aufschwemmte. Wie das Land, so ist auch die anspülende Ostsee flach und einförmig und nur an einzelnen Stellen zur Landung größerer Schiffe geeignet. Interessante Punkte bietet Pommern — wie gesagt — nirgends, als auf der Inseln: Usedom, Wollin und zumeist auf Rügen.

Wird Usedom durch die Sage von Vineta dem Altertumsforscher merkwürdig, so steht es durch das Seebad Swinemünde in modernen Beziehungen. Jedenfalls verdient es eine nähere Betrachtung. Die Insel Usedom, nach Rügen die größte Pommerns, umfasst einen Flächenraum von 7 3/4 Quadratmeilen mit ungefähr 16.000 Einwohnern, die zum größten Teil dem flachen Lande angehören. Die beiden Städte Usedom und Swinemünde werden zusammen nicht über 4.000 Einwohner zählen. Usedom ist durch die Peene, die Swine und die Ostsee dergestalt ausgezackt, dass es an einzelnen Stellen, wie z. B. bei dem Dorfe Damerow, nur einen Büchsenschuss Landes breit ist und, ängstlich eingeklemmt zwischen dem Achterwasser und der Ostsee, jeden Augenblick des Einbruchs der Fluten gewärtigen muss, die in diesem Falle, der schon einmal einzutreten drohte, aber durch Abdämmung verhindert wurde, eine dritte Insel an diesem Fleck der Ostsee hervorrufen würden. Wald bedeckt die Ostküste der Insel, aber es sind meistens einförmige Fichten, die in dem Sande von Woitzig bis Peenemünde gedeihen und, von der See aus betrachtet, einem dichten Kranze gleichen, der von dem gelben Bande des Strandes zusammengehalten wird. Mitten unter ihnen empfindet man nur jene sterilen Eindrücke, die eine solche Zwitternatur von Meer und Erde veranlasst, jene Unheimlichkeit, die uns bei aller Zerrissenheit beschleicht: wie lange wird es dauern, bis diese zur Zeit noch dem Meere Trotz bietenden Bäume mit ihren Gipfeln unter den Fluten begraben sind, welche gierig am Strande spielen und jede Gelegenheit zur Beute erhaschen? Vielleicht doch noch länger, als die Art vorhält, die die Waldungen von Usedom mehr, als nützlich lichtet. Neben Holz findet man viele Torfmoore auf dieser Insel, aber auch grüne und fette Triften. Ackerbau und Fischerei bilden die Erwerbsquelle der Einwohner, die auch der Schifffahrt tüchtige Matrosen und Lotsen liefern. Trotz dem, dass sich bereits auch hierher von Berlin, Stettin und Swinemünde aus der Luxus verloren hat, muss man doch im Ganzen das Festhalten an der alten Gewohnheit loben, die bei den Lieperwinklern noch einen nationalen Anstrich zu haben scheint. Wäre nur der Branntwein nicht, der hier, wie allenthalben in Pommern, die einzige geistige Beziehung des gemeinen Mannes ist, ich möchte sagen, die einzige Begeisterung, denn wo man eine lebendigere Weise findet, da kann man sicher sein, dass der „Schnaps“ den Grund dazu gelegt hat. Ohne diesen deus ex machina wird der gemeine Mann stets dieselbe indifferente Haltung bewahren. Auch hier hat die Leibeigenschaft tiefe Spuren hinterlassen, Ruinen im Menschenleben, an denen sich die Brandung der jungen Zeit bricht.

Anklam, Steintor

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Bergen auf Rügen

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Bublitz, an der Mühle

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Devin in Pommern

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Greifswald, Giebelhaus am Markt

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Ostseebad Deep in Pommern

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Rügen, Jagdschloss Granitz

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Rügen, Schloss Ralswieck

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Stettin, am Hafen

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Stolp in Pommern, Bismarck-Denkmal

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Waldow in Pommern

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Wolgast, Hafen mit Zugbrücke

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