Pfahlbauten in Mecklenburg.

Zur Altertumskunde im engeren Sinne - Vorchristliche Zeit - Steinzeit.
Autor: Lisch, Georg Christian Friedrich (1801 Strelitz - 1883 Schwerin) Prähistoriker, mecklenburgischer Altertumsforscher, Archivar, Konservator, Bibliothekar, Redakteur, Heraldiker und Publizist (Freimaurer), Erscheinungsjahr: 1862
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Mecklenburg-Vorpommern, Altertumskunde
Es ist aus zahlreichen Entdeckungen seit dem Jahre 1853 schon allgemein bekannt, dass die heidnischen Bewohner aller Perioden in der Schweiz ihre Wohn- und Wirtschaftsgebäude auf Pfählen in Seen und Mooren errichteten und es sind bei den fallenden Seespiegeln in den letzten warmen Jahren sehr zahlreiche alte Ansiedelungen entdeckt, in denen große Massen von Altertümern aller Art gefunden sind, welche einen klaren Blick in das Leben der ältesten Bewohner Europas gönnen. Auch in andern Ländern hat man Spuren von solchen Pfahlbauten, wie man sie nennt, gefunden.

Es kann daher die in neueren Zeiten oft aufgeworfene Frage nicht auffallen, ob sich nicht auch in Norddeutschland Spuren von Pfahlbauten zeigen. Auf den ersten Blick scheint dies nicht der Fall und auch nicht annehmbar zu sein, da in Norddeutschland Erde genug überflüssig ist, um damit auf leichtere Weise festen Boden zu Wohnungen in Mooren oder Seen einzuschütten. Bei genauerer Betrachtung wird es aber dennoch nicht unwahrscheinlich, dass auch in Norddeutschland Pfahlbauten zu finden sind. Es ist nämlich eine durch tausendfache Beweise bestätigte sichere Erfahrung, dass sich tief in Mooren sehr häufig zahlreiche Altertümer aller Art, oft aus derselben Zeit neben einander, finden, und man kann wohl sagen, dass die Moore die ergiebigsten Fundgruben der schönsten Altertümer sind. Dies allein könnte freilich nicht sehr auffallend erscheinen, da diese Altertümer in Mooren verloren gegangen oder in dieselben absichtlich zur Rettung versteckt sein können.

Aber es wird daneben eine andere auffallende Erscheinung beobachtet, dass sich zugleich oft sehr viel Holz in Mooren findet. Hierüber ist nun schon viel gesprochen. Man hat wohl oft gemeint, dass Bodenveränderungen seit Jahrtausenden die Ursache dieser seltsamen Erscheinung seien, dass dort, wo jetzt Moor, früher oft Waldboden gewesen sei; aber wenn dies auch in einzelnen Fällen Wahrheit sein mag, so ist es doch gewiss in den meisten Fällen viel wahrscheinlicher, dass die Moorbecken so alt sind, wie die jetzige Oberfläche der Erde, dass sie wenigstens von Anfang an Sammelplätze von Feuchtigkeiten gewesen, in denen Waldbäume, welche schweren Boden lieben, wohl nicht gut hätten gedeihen können. Zuweilen mögen Waldbäume von den Rändern der Moore in dieselben gestürzt sein; aber am häufigsten wird dies nicht möglich gewesen sein, da die Moore gewöhnlich in flachen Gegenden liegen. Es wird daher nichts anderes übrig bleiben, als anzunehmen, dass das Holz vorherrschend durch menschliches Bemühen in die Moore gekommen sei. Dann aber ist es wahrscheinlich, dass dort Pfahlbauten gestanden haben, wo in (Seen oder) Mooren Holz und Altertümer beisammen gefunden werden.

Es kann daher nur dringend gewünscht werden, dass da, wo sich diese Erscheinungen zeigen, mit der größten Aufmerksamkeit und Sorgfalt, gegraben und geforscht, und wenn möglich, bis auf den Grund der Moore durchgedrungen werde, da die schweren Altertümer gewöhnlich durch das Moor sinken, bis sie auf festem Boden lagern. Die Entdeckung und Aufdeckung von Pfahlbauten im Norden würde zu sehr merkwürdigen Ergebnissen führen.
                                G. C. F. Lisch.

Lisch, Georg Christian Friedrich (1801-1883) mecklenburgischer, Archivar, Altertumsforscher, Bibliothekar, Redakteur, Publizist

Lisch, Georg Christian Friedrich (1801-1883) mecklenburgischer, Archivar, Altertumsforscher, Bibliothekar, Redakteur, Publizist