Paul Friedrich (1837-1842) Großherzog von Mecklenburg-Schwerin – 1. Große Verwandtschaft. Personalien

Aus: Geschichte der deutschen Höfe seit der Reformation. Die kleinen deutsche Höfe, 37. Band
Autor: Vehse, Karl Eduard (1802-1870) deutscher Geschichtsschreiber, Erscheinungsjahr: 1856
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Mecklenburg-Vorpommern, Schwerin, Großherzog Paul Friedrich,
Dem ersten Großherzog folgte als zweiter sein Enkel, der Erstgeborene des 1819 gestorbenen Erbprinzen von der russischen Großfürstin Helene, geboren 1800 und von seinem Vater zu Ehren seines Schwiegervaters Paul und seiner Vaters Friedrich benannte, Paul war der Rufname. Er besaß eine große Verwandtschaft. Seine Mutter die Großfürstin Helene, eine der schönsten Prinzessinnen ihrer Zeit, die aber schon 1803 mit neunzehn Jahren starb, war eine Schwester Kaiser Alexanders.*) Paul Friedrichs Gemahlin war seit 1822 Alexandrine, eine Tochter König Friedrich Wilhelms III. von Preußen, eine Schwester der Kaiserin Nicolaus von Russland, ebenfalls eine der schönsten Prinzessinnen ihrer Zeit, wenigstens eine der liebenswürdigsten, die denn auch viel geliebt worden ist.

*) Siehe das Abenteuer, das ihr in der Opernloge zu Berlin bei der Aufführung der Iphigenie von Gluck mit dem betrunkenen Herzog Carl August von Weimar begegnete, in der sächsischen Hofgeschichte Band I. S. 271 f. Die Schwester dieser Großfürstin ist die noch lebende Großherzogin-Mutter von Weimar.

Endlich Paul Friedrichs Halbschwester Helene, eine Tochter der zweiten weimarischen Gemahlin seines Vaters, wurde 1837, in dem Jahre, wo Paul Friedrich die Regierung antrat, die Gemahlin des Erbprinzen von Frankreich, des liebenswürdigen Herzogs von Orleans, der nachher auf der Eisenbahn verunglückte. Bei dieser letzteren Heirat ward von Seiten der nicht nur liebenswürdigen, sondern auch klugen Großherzogin Alexandrine der bedenkliche Fall, der nachher wirklich eintrat, dass das Haus Orleans ebenso gut einmal wegkommen könne, wie es angekommen sei, gar nicht übersehen, sie legte sogar eine Art von Protest ein; der General von Kamptz beseitigte ihn mit dem Witzwort: „Wird er weggejagt, so kauft er sich Mecklenburg!“*) Der Charivari meinte bei der Heirat der Orleans sehr komisch: „Alle Mecklenburger hätten Ihre Hoheit auf drei Wagen von Grabow bis Perleberg begleitet. Diese ehemalige französische Kronprinzessin Helene lebt bekanntlich nach dem zweiten Unglück von 1848, das sie betroffen hat, mit ihrem Sohne, dem Grafen von Paris, gegenwärtig noch in Eisenach bei ihrem Neffen, dem regierenden Großherzog von Weimar.

„Paul Friedrich, sagen mir zugegangene Nachrichten, war ein gutes Blut, es spiegelt sich in ihm die Erziehung seines Lehrers, des baronisierten Legationsrats Schmidt, der zu der wichtigen Schmidt- und Rudolff’schen Familie Gehörte, welche jetzt und seit Jahren ein Regierungsbeamtenkontingent stellt. Vormittags Wachparade, Abends Hoftheater – Paul Friedrichs eigene Schöpfung und zwar eine glänzende und splendide, Serenissimus waren gegen Tänzerinnen und Primadonnen so ausnehmend galant, dass Sie ihnen bis an den Wagen und in den Wagen halfen. Außer Theater und Parade beschäftigten Paul Friedrich hauptsächlich noch: elegante Neubauten in Schwerin, wohin er von Ludwigslust wieder die Residenz verlegt hatte. Er ließ unter anderen durch den Bauagenten Kandidat Ebeling besorgen, dass vor jedem Hause Balkone kämen: ein Jude ließ sich stadthaft dafür zahlen, baute seinen Balkon aber, wie sich später fand, der geringeren Kosten wegen „hinten vor.“ Hofbaumeister Demmler, ein kerniger Mensch, war, Pauls Liebling: er konnte so freie Reden von ihm vertragen, wie Friedrich Franz I. von Dr. Wittstock.

*) Dieser General Friedrich von Kamptz, der kurz nachher, 1838, starb, war der Bruder des preußischen Ministers Carl, des Demagogenriechers, des Verfassers des Mecklenburgischen Zivilrechts und einer Abhandlung über die Verbindlichkeit eines Regierungsnachfolgers, die Schulden seines Vorgängers zu bezahlen, und des Geschichtsschreibers seiner Familie. Nach dieser Geschichte soll sehr fabelhafter Weise die Familie, die eine Lilie im Wappen führt, aus Frankreich stammen, woher der Ahnherr Levin de Champs „legationsweise“ nach Mecklenburg kam, wie sich der Chronist Mycrälius (Altes und neues Pommerland 1639 Buch 6. S. 474) ausdrückt, als Heiratsbewerber eines Herzogs von Marseille um die Hand der wendischen Prinzessin Magdalene, Enkelin des Fürsten Borwin I. und der Welfin Mathilde. Es sind das die freilich sehr schmeichelhaften, aber auch in Wahrheit sehr fabelhaften Fernflüge des Adels. Ebenso wollen auch die Plessen von den du Plessis, die Bülows von den Bouillons stammen. Nicht einmal der angeblich in einer Urkunde vom 27. April 1282 vorkommende Zeuge „Johannes de Kampece“ ist nach Lisch, Maltzahnsche Urk. I. 53, ein Kampez, sondern es ist Dambekee zu lesen. „Die Kampez“, sagt Lisch, „kommen als Vasallen und Räte der Grafen von Schwerin und vielleicht überhaupt in dieser Zeit nicht vor“, 1443 erscheint ein Eckard Kamptz als ehrsamer Bürgermeister von Malchin. Als ein notabler Kamptz erscheint erst nach der Reformation ein sehr schlimmer. Wie oben Bd. I. S. 126 f. erwähnt, wurde Levin Kamptz zu Klein-Posten im Amte Stavenhagen in die Reichsacht erklärt wegen des Landfriedensbruchs mit Ulrich von Strahlendorff, wobei Levin ein Kind ins Feuer geworfen hatte — diese Untat betrauert die Familie noch durch die schwarze Feder in ihrem Wappen. Levin starb 1573 als spanischer Obrist zu Antwerpen, worauf der berühmte sogenannte „Levin’sche Prozess“ vor den Reichsgerichten über die Sukzession sich entspann, dessen Akten der preußische Minister zur Geschichte seines Hauses benutzt hat. Der General Friedrich, sein Bruder, war ein Herr, der sich durch seine trocknen Witzworte, auch den höchsten Herrschaften gegenüber, einen Namen gemacht hat: auf eine Hof-Order, dass er zum Geburtstag Serenissimi mit dem Militär in Schwerin eintreffen solle, antwortete er, da er die halb-gefrorene Elbe nicht passieren konnte, lediglich : „Die Natur nimmt keine Tagesbefehle an!“

Reisen nach Berlin machte Paul häufig, wo er mit seinen Schwägern, das Leben genoss, er ereignete sich freilich einmal das Unglück, dass die Hoheit Schläge in einem Tanzlokal, dem kurz nachher abgebrannten Colosseum erhielt, als der bedenkliche Scherz gewagt worden war, aufgeweichte Honigkuchen dem weiblichen Publikum auf die weißen Kleider zu streichen.

Schwerin - Totalansicht

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Schwerin - Am Pfaffenteich

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Schwerin - Stadtansicht - Schloss - Hoftheater

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Schweriner Schloss

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Schweriner See im Winter, Sonnenuntergang

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