Neueste Geschichte der Stadt Parchim - Vom Jahr 1800 bis zum 30. September 1818 - 5. Begebenheiten des Jahres 1809

Aus: Neueste Geschichte der Mecklenburg-Schwerinschen Vorderstadt Parchim vom Jahre 1801 bis 1852. Zur Ergänzung und Fortsetzung der Cleemannschen Chronik
Autor: Icke, Wilhelm Ludwig (17?-18?) Prokurator und Advokat in Parchim, Erscheinungsjahr: 1853
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Mecklenburg-Vorpommern, Parchim, Stadt-Geschichte, Chronik, Major von Schill, Friedrich Franz,
Hiernächst ist von den Begebenheiten des Jahres 1809 folgendes hier anzuführen:

1) Am 30. März fand auf landesherrlichen Befehl die erste Militär-Rekrutierung unter den jungen Männern von 18 bis 24 Jahren allhier Statt.

2) Mit dem 21. April 1809 ist die vorerwähnte Berechnung der seit dem 2. November 1806 erwachsenen Kriegsschäden abgeschlossen. Die Gesamt-Summe derselben beträgt für die Stadt Parchim 26.085 Thaler 12 ½ ß und für deren Kämmerei-Güter, nach eben den Rubriken, wie in der städtischen Berechnung geordnet, 12.003 Thaler 24 ß.

Von dieser Summe ist jedoch ein Bedeutendes abgezogen worden, teils aus den obgedachten Sibethschen Monitis und teils in Folge des in Betreff der Kriegs-Erleidungen überhaupt unter den Ständen getroffenen und von der Landesherrschaft konfirmierten Vergleichs vom Jahr 1809; der ausgemittelte reine Betrag aber wird zu seiner Zeit aus der Landes-Sublevations-Kasse, bar oder durch Kompensation, anhero berichtigt worden sein.

3) Am 17. Mai 1809 erschien hier unerwartet die Avantgarde des Freicorps, welches, vom preußischen Major von Schill gegen die Franzosen errichtet, auf seinem auch Mecklenburg berührenden Zuge die Stadt Dömitz besetzt gehabt, und sich dort wider die Angriffe der mit jenen verbündeten holländischen Truppen zu wehren versuchte. Selbige bestand aus etwa 30 Husaren und eben so viel reitenden Jägern, und bemächtigte sich sofort der hiesigen Montierungs-Kammer des mecklenburgischen Militärs. Außerdem aber requirierte sie eine Menge Heu und Stroh, wie auch 15.000 Pfund Rindfleisch, 12.000 Kannen Bier, 3.000 Pott Branntwein und 750 Scheffel Hafer nach Dömitz für ihr Hauptcorps. Es hat auch zur Lieferung dieser — im Ganzen zu 3.457 Thaler 24 ß geschätzten — Gegenstände Anstalt gemacht werden müssen, und sind solche nebst noch 30 Pfund Brot, welches von jedem Hausbesitzer herzugeben gewesen, am 21. Mai 1809 von Stadtwegen dorthin befördert.

4) Nachdem jedoch der Major von Schill durch die feindliche Übermacht gezwungen worden, seine Stellung in Dömitz zu verlassen, so zog er durch unser Land nach Pommern, und wurden von den ihn verfolgenden Truppen 500 holländische Dragoner auf eine Nacht hier einquartiert. Ihm, dem tapferen, nur zu schwachen, Kämpfer für Deutschlands Wohl war es indes beschieden, in der Festung Stralsund, wo er noch zuletzt sich zu halten gedachte, völlig besiegt zu werden, und nach heldenmütiger Verteidigung seinen Tod zu finden. Bedauernswerter noch, als er und seine im dortigen letzten Gefechte mit ihm umgekommenen Getreuen, war seine übrig gebliebene Mannschaft, die zu Kriegs-Gefangenen gemacht war, aber nicht als solche behandelt, sondern auf Napoleons Befehl als Brigands angesehen werden sollte. Nach seinem Falle kehrten die ihn bezwungen habenden Holländer durch Mecklenburg zurück, und am 12. Juni 1809 langten ihrer 1.600 Mann hier an, welche 4 Kanonen, 2 Haubitzen und 500 Pferde mitbrachten, für die Fourage angeschafft werden musste, aber auch 300 Schill’sche Gefangene mit sich führten. Letzteren ward ihr Nachtlager auf Stroh in der altstädter Kirche angewiesen. Tags darauf folgte eine zweite Kolonne Holländer, 1.800 Mann stark, ebenfalls mit 300 Gefangenen vom Schill’schen Corps, worunter 6 Offiziere. Dabei befanden sich mehrere hohe Anführer, und auch der Oberbefehlshaber, General Gratien, in Person, welcher sicherem Vernehmen nach den, in Spiritus gesetzten, Kopf des Majors v. Schill bei sich geführt hat, um ihn als Siegs-Trophäe mit nach Holland zu nehmen. — Für die mitgebrachte Artillerie und Bagage mussten mehrere Wagen und Pferde gestellt werden. Auch im Monat Juli 1809 kamen noch einige kleinere Truppen-Abteilungen.

Die Kosten dieser holländischen Einquartierungen sind übrigens von hier aus beim Lande liquidiert, und nach erfolgter Moderation der desfallsigen Rechnung schon im September 1809 mit 995 Thaler 35 ß N 2/3 durch Hrn. Landrentmeister Ahrens bezahlt, auch demnächst unter die hiesigen Quartierträger und sonst zur Erhebung Berechtigten aktenmäßig verteilt worden.

5) Am 30. August 1809 feierte unsere Dreißiger-Gilde und mit ihr die ganze Stadt das Fest der Einweihung der „Herzogs-Linden“, welche auf dem ersterer vorgedachtermaßen geschenkten Platze eingepflanzt waren. Die Anordnung desselben war folgende: Sechzehn weißgekleidete junge Mädchen führten an Ort und Stelle unter Musik-Begleitung einen vorher eingeübten kunstvollen Tanz auf, dabei eine große Blumen-Girlande haltend, und sich mit ihr in mannigfachen Wendungen bewegend, welche nachher in einer für den Zug des löbl. Magistrats - Collegii und sämtlicher erschienener Gilde-Mitglieder errichteten Ehrenpforte angehängt wurde. Hierauf aber hielt der Herr Hofrat Voß eine Rede, worin er auf den Zweck und die Bedeutung der Zusammenkunft hinwies, und der Anführer der Gilde, Herr Kühm, eine zweite Rede in gleicher Beziehung, welche letztere demnächst gedruckt worden ist. Selbige fängt damit an:

„dass wenn je ein Tag verdient habe, in den Annalen der Stadt Parchim als besonders denkwürdig verzeichnet zu werden, so sei es der 21. Oktober 1808, weil an solchem Tage unser regierender souveräner Herzog das Fest der Drei und Dreißiger-Gilde durch Seine hohe Gegenwart und persönliche Teilnahme verherrlichet, noch mehr aber, weil Er ihr die, noch keiner anderen Corporation oder Zunft zu Teil gewordene, ganz besondere Auszeichnung gewährt habe, Ihn unter ihre Mitglieder zählen zu dürfen. Eine fernere Gnaden- und Gunstbezeugung sei auch die von Ihm, so wie von den Patronen der Gilde und den Bürger-Repräsentanten erfolgte Genehmigung des Vorschlags wegen Anpflanzung und Benennung der neuen Linden-Anlage. Deshalb — so fährt der Redner fort — bringe er Ihnen allen, ein freudiges Lebehoch! und weihe jetzt auftragsmäßig den der Gilde geschenkten Platz, und die darauf befindlichen, auch zu Alleen bestimmten, Linden mit dem Namen „Herzogs-Linden“ feierlichst ein, dabei bemerkend, dass der im Mittelpunkte der Anpflanzung sich befindende Baum für Seine Durchlaucht, den regierenden Landesherrn, gesetzt, von den übrigen Bäumen aber je einer den übrigen Mitgliedern der Gilde anzuweisen sei.“

Auf diese Rede und Ankündigung folgte ein lautes Hurrah! von der Gilde sowohl, als von den sehr zahlreich versammelten Zuschauern; dann aber ein Mittagsmahl, im Freien unter den großen Linden, von 200 Gedecken. Die ganze Feier ward von dem schönsten Wetter begünstigt, und es herrschte allgemeiner Frohsinn. Nach aufgehobener Tafel ist die Anweisung der einzelnen Linden durch Herrn Kühm geschehen, und für jeden Gilde-Bruder ein blechernes Schild mit seiner Nummer daran befestigt. Das Herzogliche Schild an der Linde Nr. 1 trägt das Zeichen F. F. mit der Krone.

Die ganze Anpflanzung ist herrlich gediehen, und die daraus gebildete, zum Teil mit den großen Linden parallel laufende Allee dient noch jetzt, nach 43 Jahren, zu einem anmutigen Spaziergange, so wie zum dauernden Denkmal der Erinnerung an den hochverehrten Fürsten, der gegen Parchims frommen Bürger-Verein so überaus freundlich und milde gestimmt war.

Einen neuen und eklatanten Beweis dieser Seiner Gewogenheit gab derselbe auch dadurch, dass er vier Wochen nach jener Einweihung am 28. September 1809 wiederum zur Feier des Dreißiger-Gildefestes hierher kam, und daran, so wie an einem Ihm zu Ehren arrangierten Ball Teil nahm, noch mehr aber durch Seine ihr am Tage darauf erzeigte Wohlgeneigtheit und Herablassung. Bei Seiner dermaligen Abreise von hier ward Er nämlich von deren Jägern begleitet, welche demnächst im Forsthause des Stadtguts Kiekindemark speisen wollten; allein der durchl. Herzog war mit Seiner Aufnahme allhier so zufrieden und überhaupt so heiter gestimmt, dass Er unterwegs beschloss, dort ebenfalls das Mittagsmahl einzunehmen, und wieder mit der Gilde in die Stadt zurückzukehren. Dies geschah auch am Abend, nach dem Parchims Einwohner davon benachrichtigt worden, und die Häuser der Straßen, durch welche der Zug ging, illuminiert hatten; überdies aber ward noch in der Eile ein zweiter Ball veranstaltet, auf welchem er wiederum fröhlich mittanzte.

6) In diesem Jahre erfolgte übrigens noch die Einführung und erste Haltung eines Weihnachts-Jahrmarkts auf der Altstadt, 3 Tage vor dem Feste, wozu aber kein auswärtiger Verkäufer kommen darf, welches also nur zum Nutzen der hiesigen Kaufleute und Handwerker gereichen soll.

7) Am Schlusse des Berichts über die Ergebnisse des Jahres 1809 ist noch eines in demselben hier begangenen, das menschliche Gefühl erschütternden, Verbrechens zu gedenken, welches jedoch keinem Parchim’schen Eingebornen zur Last fiel. Ein gewesener Pächter Namens L., der früher in einer größeren Stadt des Auslandes ein Fabrik-Geschäft gehabt, war, um bürgerliches Gewerbe zu treiben, mit seiner Familie hierher gezogen, wozu zwei kleine Mädchen aus seiner ersten Ehe gehörten. Letztere verschwanden eines Tags plötzlich, und kamen in einigen Wochen nicht wieder zum Vorschein, so dass es den Nachbarn auffiel, vor deren Tür sie öfters munter gespielt hatten. Auf deren Nachfrage bei dem Vater hieß es, seine Töchter seien krank. Da aber hiervon nichts Näheres zu vernehmen war, und kein Arzt sie besuchte, so ward jenen die Sache verdächtig, sie forschten im Stillen genauer nach, instruierten auch dazu ihre Leute, und bald kam von diesen die Meldung, dass sie Abends spät Geschrei und wimmernde Klagetöne gehört hätten, welche aus dem Hinter-Gebäude seiner Wohnung hergeschallt wären. Es ward dies nun sofort beim Herzoglichen Stadt-Gerichte hieselbst angezeigt, und von demselben ein Verhör in dieser Angelegenheit vorgenommen, darauf aber, als der Verdacht gegen ihn sich mehrte, zur Durchsuchung seines Hauses geschritten. Da fanden sich denn in einer kalten Kammer eingesperrt die vermissten kleinen Geschöpfe zwar noch lebend, aber in sehr abgemagertem Zustande und bitterlich klagend, dass ihr Vater und ihre Stiefmutter sie öfters hart geschlagen, auch viel hätten hungern lassen. Unter solchen Verhältnissen konnte es nicht anders sein, als dass zunächst diese armen Kinder ihren grausamen Eltern entzogen und zu ihrer Wiederherstellung bei guten Leuten hingegeben werden mussten, durch deren mit ärztlicher Behandlung verbundene Pflege sie denn auch ihre verlorenen Kräfte allmählich wieder erlangt haben. Natürlich aber ward auch sofort unter Arretierung des Ehepaars eine förmliche Kriminal-Untersuchung wider dasselbe weiter eingeleitet, und es kam dabei aus manchen Umständen die Beschuldigung auf, dass es durch die den Kindern zugefügte Misshandlung den bösen Zweck habe erreichen wollen, sie durch Hunger und Schläge zu töten, um das ihnen von ihrer leiblichen Mutter zustehende, und in dem früheren Aufenthalts-Orte des Vaters verwaltet werdende ansehnliche Vermögen diesem zuzuwenden. Nach erkanntem Aktenschlusse erfolgte gegen beide Eheleute ein ziemlich hartes Straf-Erkenntnis, welches jedoch in Folge des von ihnen eingewandten Rechtsmittels der Defension sehr gemildert ward, und als sie ihre Strafe verbüßt hatten, beeilten sie sich, von hier wegzuziehen, die gemisshandelten Kinder aber waren inzwischen bei ihren auswärts wohnenden mütterlichen Verwandten gut untergebracht worden. So ward denn noch zu rechter Zeit dem größeren Unheil vorgebeugt; die Inkulpaten hingegen fanden kein Mitleid, als außer der Kriminal- Strafe auch noch der bedeutende Nachteil für sie entstanden war, dass sie ihren hiesigen Erwerb verloren, und ansehnliche Untersuchungs-Kosten bezahlen mussten; denn man war zu sehr wider sie erbittert. Eine Missetat, wie diese, ist zum Glück in Parchims Mauern nie wieder vorgekommen, wenn gleich in anderen Orten laut der Zeitungs- Nachrichten ähnliche verbrecherische Handlungen ausgeübt, jedoch auch dort entdeckt und gehörig bestraft worden sind.

Herzog Friedrich Franz I. von Mecklenburg-Schwerin.

Herzog Friedrich Franz I. von Mecklenburg-Schwerin.

Parchim, Rathaus

Parchim, Rathaus

Parchim, St. Georgen-Kirche

Parchim, St. Georgen-Kirche

Parchim, Wasserberg

Parchim, Wasserberg

Parchim, Wockertal

Parchim, Wockertal

Parchim, zur Markower Mühle

Parchim, zur Markower Mühle

Parchim, Elde

Parchim, Elde

Parchim, Buchholz-Allee

Parchim, Buchholz-Allee

Parchim, am Eichberg

Parchim, am Eichberg

Parchim, Kirche

Parchim, Kirche