Neueste Geschichte der Stadt Parchim - Vom Jahr 1800 bis zum 30. September 1818 - 1. Die Jahre von 1800 bis 1805.

Aus: Neueste Geschichte der Mecklenburg-Schwerinschen Vorderstadt Parchim vom Jahre 1801 bis 1852. Zur Ergänzung und Fortsetzung der Cleemannschen Chronik
Autor: Icke, Wilhelm Ludwig (17?-18?) Prokurator und Advokat in Parchim, Erscheinungsjahr: 1853
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Mecklenburg-Vorpommern, Parchim, Stadt-Geschichte, Chronik, Russen, Schweden, Napoleon
Im Anfange des neunzehnten Jahrhunderts walteten zwei Schutzgeister des menschlichen Geschlechts, Frieden und Ruhe, in der Stadt Parchim und bewahrten sie vor ernstlichen Widerwärtigkeiten. Der frühere Druck einer langen Kriegszeit und das Beschwerliche der, mehrere Dezennien hindurch von den Einwohnern getragenen Einquartierung preußischer Husaren war schon seit einer Reihe von Jahren verschmerzt, und dagegen die Stille der Erholung eingetreten, woraus sich eine vermehrte Berufstätigkeit entwickelte. Öffentliche große Kalamitäten hatten sich nicht ereignet; nur die Nachwehen des ansehnlichen Brand-Schadens, wodurch am 18. März 1800 drei und sechzig Scheunen vor dem Kreuztor ein Raub der Flammen wurden, waren noch manchem Ackerbesitzer fühlbar geblieben. Auch die Teuerung des Korns und einiger sonstigen Lebensmittel, welche an andern Orten Mecklenburgs schmerzlich empfunden ward, und in den größeren Städten, besonders in Rostock, verderbliche Szenen des Aufruhrs hervorrief, zeigte sich in Parchim, wegen eigenen Anbaues vielen Getreides, weniger drückend und ging bald spurlos vorüber. Durch Fleiß und Arbeit waren mehrere Bürger und Einwohner, sparsam und geregelt lebend, schon zu einem ziemlichen Wohlstande gelangt. Machten sie dabei auch nur geringe Fortschritte in geistiger Hinsicht, so fehlte es ihnen doch nicht ganz an Wissen und Bildung; allein ihr Denken und Handeln konzentrierte sich mehr auf ihren engeren Wirkungskreis. Von den großen Welt-Begebenheiten des Auslandes, namentlich von Frankreichs erster Revolution und deren Stürmen hatten zwar die Zeitungen ihnen manches berichtet, aber nur wenige unter ihnen waren der Staunen erregenden Bewegung mit lebhaften, Anteil gefolgt. Das vaterländische und noch mehr das hiesige städtische Interesse lag ihnen viel näher, und nahm schon hinlänglich ihre Fähigkeiten in Anspruch.

Im Ganzen war für sie das neue Säculum unter anscheinend günstigen Auspiezen eingetreten, und die Mehrzahl sah der Zukunft getrost entgegen; denn sie hatte ihr gehöriges, wenn gleich oft nur beschränktes, Auskommen. Man hoffte, sich der Segnungen des Friedens noch lange erfreuen zu können, und hielt auch ein ferneres Gedeihen des Wohls der Stadt nach den damaligen, hier naher geschilderten Lokal-Verhältnissen für nicht zweifelhaft.

Parchims Bürger lebten nämlich, einzelne Ausnahmen abgerechnet, äußerst einfach, und nach alter guter Manier gemütlich unter sich. Mäßigkeit im Genuss war fast aller Wahlspruch und erster Grundsatz. Was ihnen an Sitten und Trachten, an städtischen Gebräuchen und Erwerbs-Mitteln von den ehrwürdigen Vorfahren überliefert worden, das ward derzeit auch ferner gut befunden, und gerne beibehalten. Zwischen der Stadt-Obrigkeit, d. h. dem löblichen Magistrate, und ihren Untergebenen hatte sich ein angenehmes, beinahe patriarchalisches Verhältnis gebildet; letztere benahmen sich im Reden und Tun stets achtungsvoll gegen erstere, und nannten sie bisweilen vorzugsweise „unsere Herren“. Die Magistrats-Mitglieder aber vergalten ihnen dies durch Freundlichkeit, Nachsicht und Geduld, fanden auch in der Regel Behagen daran, mit den besseren Bürgern, vertraulich umzugehen. Wenn in Angelegenheiten der Kommune etwas zu beraten und zu beschließen vorkam, so ward dies Geschäft vom Magistrate mit Deputaten der, die Bürger-Repräsentation ausmachenden, 6 Stadtsprecher und 28 Gewerken-Mitglieder ruhig verhandelt, auch in möglichst kurzer Frist zu allgemeiner Zufriedenheit geordnet. Streitigkeiten der Behörde oder einzelner Senatoren mit einem Teil der Bürgerschaft, wie sie hier späterhin vorgefallen sind, und nachteilig eingewirkt haben, gab es also damals nicht. Parchims Bewohner waren im Allgemeinen genügsam, und hielten sehr auf fortdauernde Tätigkeit in ihrem Berufserwerb. Dieser fand sich öfters im Betriebe des Ackerbaues, so wie in einigem Verkehr des Handels und der Gewerbe, unter welchen schon derzeit zahlreiche Tuch- und Friesmacher sich auszeichneten. Zur Führung einiger Ackerwirtschaft gelangte mancher Bürger teils durch den Besitz der zu jedem vollen Hause allhier gehörigen Äcker und Wiesen, welche nach den alten Stadt-Statuten davon unzertrennlich waren, teils durch die vorkommende Gelegenheit, auch andere im Privat-Eigentum befindliche Ländereien, sogenannte Über-Äcker, ankaufen zu können, oder auf eine Reihe von Jahren Haus-Äcker von solchen Besitzern zu pachten, die daraus lieber eine reine jährliche Revenue ziehen, als sie selbst bewirtschaften wollten. Daneben bemühte man sich auch um Wiesen-Erlangung und Kultur, weil deren Produkte für den vorhandenen und größer werdenden Viehstand nicht entbehrt werden konnten. So ward denn von vielen hiesigen Einwohnern in der außer ihrer sonstigen Profession betriebenen Landwirtschaft eine Quelle höheren Ertrags gesucht und — auch mitunter gefunden.

Doch nicht allen, welche sich damit befassten, ward es so gut; vielmehr gereichte dieser Nahrungszweig auch manchem, namentlich dem kleineren Handwerker, zum Nachteil, weil er viel Zeit erforderte, und sein eigentliches Geschäft deshalb öfters vernachlässigt werden musste. Während also einzelne Familien, die schon so situiert waren, mehrere Äcker ankaufen, und zu deren Bestellung Menschen und Vieh in hinlänglicher Anzahl halten zu können, auch selbst einige ökonomische Kenntnisse besaßen, dadurch ihre Habe vergrößerten, konnte der ärmere Bürger, dem alles dies fehlte, aus seinem Ackerbau nur wenig Nutzen ziehen, und geriet oft grade dadurch noch tiefer in Dürftigkeit. Gleichwohl blieb es ihm ein Anhalts-Punkt und eine wesentliche Hilfe, auf eigenem oder gemieteten Acker so viel Korn und Kartoffeln zu bauen, als für ihn und die seinigen nötig war, zumal wenn die Erzeugnisse seines Metiers nur selten begehrt wurden. Brachte dann das Ganze ihm nur ein Geringes ein, so mochte es doch so eben hinreichen, Leute zu ernähren, die an Einschränkung gewöhnt waren, und nicht viele Bedürfnisse hatten.

Letzteres beides aber fand allhier Statt, und von dem Luxus der jetzigen Zeiten waren die damaligen weit entfernt. Auch die reichsten Hausbesitzer machten wenig Aufwand, selbst bei feierlichen Gelegenheiten, und wenn gleich geselliger Umgang häufig vorkam, so gab es doch keine üppigen Schmausereien. Mehrenteils ward bloß zum Kaffee oder zu einem frugalen Abend-Essen eingeladen, wobei nur gewöhnlicher Tischwein gereicht zu werden pflegte. Dies konnten die meisten Gäste erwidern, und so dauerte der freundschaftliche Verkehr desto länger.

Überhaupt aber herrschte hier im Ganzen Ehrbarkeit und gute Sitte, so wie ein religiöser Sinn. Letzterer ward durch die Geistlichen aufrecht erhalten, vorzüglich durch den wail. Herrn Konsistorialrat Beyer, welcher als Superintendent und Haupt-Prediger an der hiesigen St. Georgen-Kirche ein würdiges Vorbild seiner Untergebenen abgab, und durch Lehre und Beispiel viel Gutes stiftete. Auch die übrigen Fächer der Wissenschaft hatten ihre Vertreter. Parchims große Stadtschule war noch mit erfahrenen Lehrern besetzt, wenn gleich ihr ehemaliger großer Ruf schon aus mancherlei Ursachen abgenommen hatte. Die Rechtspflege handhabten das Magistrats-Kollegium und das Herzogliche Stadt-Gericht, dieses unter Leitung des späterhin zum Kriminalrat in Bützow ernannten Herrn Gerichtsrats von Santen, eines tüchtigen Juristen und ruhig-ernsten Geschäftsmanns. Zu seiner alleinigen Kompetenz gehörten die Kriminal-Sachen, jedoch mit Ausnahme der auf städtischem Gebiete vorfallenden Delikte. In Zivil-Sachen galt übrigens konkurrente Jurisdiktion beider Behörden, nur das Konkurs-Verfahren, so wie die Verhandlungen der Gewett- und Waisengerichtlichen Angelegenheiten waren dem Magistrate ausschließlich vorbehalten; doch konnte auch von den Erkenntnissen des Stadt-Gerichts nach §pho 24 der, in Cleemanns Chronik abgedruckten, Parchimschen Stadt-Statuten vom Jahr 1622 an den Magistrat appelliert werden. Vermöge der sich bei letzterem anhäufenden Masse von Geschäften erfolgte deren Abarbeitung nur langsam und öfters unvollständig, zumal da außerdem viele Administrativ-Sachen der Stadt und ihrer ansehnlichen Kämmerei-Güter hinzukamen. Rascher ging es beim Stadt-Gerichte, dessen Prozedur schon durch die ihm zur Norm dienende Interims-Ordnung vom 14. Juli 1770 vereinfacht war, weshalb denn manche Parteien ihre Klagen lieber bei demselben vorbrachten. Prozesse gab es inzwischen nicht viele, und. die entstandenen wurden häufig durch Vergleiche beigelegt. Auch wohnte hier damals nur eine sehr kleine Anzahl Advokaten, unter denen bloß der Dr. Thiessing eine ausgebreitete Praxis hatte. Dagegen ward die Heilkunde schon zu jener Zeit von ausgezeichneten Ärzten mit günstigem Erfolge betrieben. Die Medikamente dazu lieferte die hiesige Rats-Apotheke, welche sich nebst ihrem kleinen Laboratorio in einem Ausbau des, die Ratsbude genannten, Stadthauses befand und deren der Stadt von Alters her zuständiges Privilegium an den Dr. med. Senator Daries und dessen Erben, so wie ihre Genossen, nachhin aber an den Apotheker Harder allein für eine äußerst mäßige, indes der damaligen Beschaffenheit der Offizin wohl angemessene, Summe verpachtet war.

Steuern und öffentliche Abgaben, deren Erhebung, so wie die der Post-Gefälle von hier angestellten fürstlichen Dienern geschah, so dass nur das von den Häusern als Grundzins zu bezahlende Schoß-Geld der Stadt-Kasse anheim fiel, wurden ihrer Geringfügigkeit wegen willig erlegt. Notorisch Arme existierten nur in unbedeutender Zahl, und es bedurfte daher keiner erheblichen Unterstützung derselben.

Am 28. Juni 1802 starb allhier der Professor Johann Jacob Engel, Sohn des wail. Seniors und Pastors an der hiesigen St. Marien-Kirche C. C. Engel, in seinem 61. Lebensjahre an Entkräftung im Hause seiner alten Mutter, welche noch einmal zu besuchen, er von seinem Wohn-Orte Berlin gekommen war, ein Mann von hohen Geistes-Gaben, und derzeit, wie auch noch jetzt, als gelehrter Schriftsteller berühmt. Unter den von, ihm herausgegebenen Werken ist vorzugsweise der „Fürstenspiegel“ und ein treffliches Sitten-Gemälde „Lorenz Stark“ hier zu erwähnen, da die in letzterem geschilderten Charaktere von Parchimschen Originalen, mehrenteils aus seiner Familie hergenommen sind, und insbesondere die Haupt-Figur, jener brave Lorenz Stark ein treues Abbild seines hier durchgängig in höchster Achtung gestandenen Großvaters, des ehemaligen Senators und Kaufmanns Brasch sein soll. Der Tod dieses Professors Engel erregte allgemeines Bedauern, und bei vielen den Wunsch, sein Leichen-Begängnis recht solenn einzurichten. So etwas zu arrangieren, verstand hier aber Niemand besser, als der Rektor unserer großen Schule, Hr. Professor Wehnert. Er traf in der Eile seine Veranstaltungen, und am 1. Juli 1802 ward Engels entseelte Hille nach ehemaliger Sitte in einem Grab-Gewölbe der hiesigen St. Georgen-Kirche unter großem Gefolge von Verwandten und Freunden feierlich bestattet. In Trauer gekleidete Jungfrauen streuten weiße Rosen in seine Gruft, und am Sarge hielt Wehnerts ältester Sohn, Philipp, derzeit Primaner hieselbst, ein hoffnungsvoller Jüngling, der leider! einige Jahre darauf als Student beim Baden verunglückte, eine ergreifende Rede; auch erschien ein Trauer-Gedicht.

Außer dieser ehrenden Anerkennung des Verdienstes unseres berühmten Landsmanns gab es wenig Unterbrechung im gewöhnlichen Gange der Dinge, wenn man nicht etwa die öffentlichen Schul-Prüfungen und Rede-Actus dahin rechnen will, welche der Professor Wehnert alle Jahre zu veranstalten pflegte.

So stand es um Parchims Bewohner in den Jahren von 1801 bis 1804 in geistiger und leiblicher Rücksicht. Keiner suchte sich vor dem Anderen zu überheben, und keiner scheute die Arbeit; auch die Rats-Mitglieder und sonstige Honoratioren verschmähten es nicht, in Garten und Feld mitunter selbst Hand anzulegen, und alles dies brachte eine fast ungetrübte Einigkeit hervor. Diese zeigte sich ferner bei den jährlich einfallenden Königsschüssen der alten und neuen Schützen-Gilde und der jährlich im Herbste Statt findenden Jagdfeier der löbl. Dreißiger-Gilde, einer schon aus dem 14. Jahrhunderte herrührenden frommen Stiftung eigener Art, wie sie außer Parchim keine andere mecklenburgische — vielleicht sogar keine deutsche — aufzuweisen hat, und. wovon in diesen Blättern noch öfters die Rede sein wird. Weil diese Volksfeste im Gegensatz mit dem hier sonst üblichen Still-Leben laute Fröhlichkeit erweckten, so nahm gerne jeder mehr oder minder Anteil daran. Insbesondere brachten die alljährlich um Pfingsten aus gehaltenen Königs-Schüsse in ihrem stattlichen Aufzug, mit Musik und Salven aus, den Stadt-Böllern begleitet, der Freudenstunden viele für die leicht bewegte Klasse der Jugend; allein auch ernstere Männer aus allen Ständen legten noch Wert auf dies Bürgerfest, aßen und tranken mit den Gilde-Brüdern, und besuchten mit ihren Frauen und Töchtern den Ball, welcher die Reihe der Schützen-Festlichkeiten beschloss.

Doch auch außerdem entwickelte sich der Sinn für freundlichen Umgang nach und nach immer mehr, und nahm zu mit jedem folgenden Jahre.

Eine Klub-Gesellschaft, aus den angesehensten Bürgern und Einwohnern bestehend, hatte sich gebildet, und hielt im Sommer auf dem mit einer Kegelbahn versehenen S. Hancke’schen Garten, im Winter aber bei einem Wirt in der Stadt ihre täglichen Zusammenkünfte nach unter sich entworfenen Statuten. Bei schönem Wetter wurden auch kleine Ausflüge nach dem Kämmerei- und Pfarr-Dorfe Slate und in die umliegende Gegend, wo Erfrischungen zu haben waren, gemacht, und daneben veranstaltete man gemütliche Buchholz-Partien — sogenannte Picknicks — zu denen jeder Interessent seinen Beitrag an Lebensmitteln oder Getränken zu liefern hatte. In einer solchen stets zahlreichen Gesellschaft von Herren und Damen, unter dem schattigen Laubdache unserer herrlichen Buchen-Waldung ging es in der Regel ungezwungen und recht fröhlich her. Auf den Genuss des Kaffees, den die Frauen bei gemeinsam angelegtem hell lodernden Feuer selbst kochten, und in, den mitgebrachten Tassen von allerlei Formen verteilten, folgte muntere Unterhaltung und gesellschaftliches Spiel; dann ward kalte Küche und Wein gereicht, und das halb städtische, halb ländliche Mahl mit harmlosen Scherzen und heiteren Gesängen gewürzt, welche bei der Abends im Mondschein erfolgenden Heimkehr fortgesetzt wurden. Diese alte gute, Sitte der freundschaftlichen Zusammenkünfte unter Gottes freiem Himmel hat sich noch wohl ein Jahrzehnt hier erhalten, ist aber dann durch andere Verhältnisse und Ansichten gänzlich abgekommen.

Wer dergleichen Vergnügungen nicht mitmachen konnte oder wollte, erfreute sich der eigenen Garten-Anlagen, so wie des schönen Spaziergangs unter den vom Kreuztor bis zum Wokertor führenden Linden, und auf den, damals noch unangetasteten, Wällen der Stadt, auch zunächst auf deren anmutigen, Philomelenslust betitelten, Abteilung, wo es derzeit noch wirklich Nachtigallen, und uralte, jetzt gefällte, Eichen gab.

Die wissenschaftlich gebildeten interessierten sich freilich auch hier für Politik, und für die Schicksale anderer Länder, für Frankreichs hochgestiegene Macht und Napoleons siegreiche Kriegsführung; indessen lag der Schauplatz solcher großen Ereignisse Parchims Bewohnern noch zu ferne, und nur durch die Zeitungen, welche eifrig gelesen wurden, erhielten sie davon Kunde.

So kam das Jahr 1805 heran, in welchem zuerst der Grund zu der bedeutenden, im Verfolge dieses Werks näher zu erwähnenden Hoffmann’schen Zichorien-Fabrik auf hiesiger Neustadt gelegt ward. Dies neue Jahr aber gestaltete Mecklenburgs äußere Lage und seine politischen Verhältnisse überhaupt viel bedenklicher, und es sollte nun statt der bis dahin genossenen friedlichen Ruhe ein anderes Leben voll Bewegung und Gefahr eintreten. Kaum waren die ersten Monate verflossen, so entstanden allhier mancherlei Unruhe dringende Gerüchte. In den folgenden hörte man immer mehr von Krieg und Kriegs-Geschrei; fremde Truppen, die zwar nicht als Feinde erscheinen sollten, rückten uns näher, und gegen Ende des Jahres kamen Schweden und Russen auf ihrem Zuge nach dem Hannoverschen durch unser Vaterland. Ein von Mecklenburgs Fürsten und Ständen angeordnetes Marsch-Kommissariat verkündigte dem hiesigen Magistrate mittelst Schreibens vom 7. Dezember 1805: Dass eine Kolonne von circa 2.000 Mann königlich schwedischen Militärs unter dem Befehl des Obersten, Barons von Vegesack, auch Kavallerie enthaltend, am 13. desselben Monats in Parchim einrücken und am 14. hier Rasttag halten würde. Zugleich erging die Requisition: für die Verpflegung dieser Truppen und ihrer 300 Pferde gehörig zu sorgen. Nun galt es, eine rasche Tätigkeit zu entfalten, um in dem, somit eröffneten, Wirkungskreise nichts zu versäumen. Es sollten nun gar viele Maßregeln getroffen werden für die Unterbringung dieser Menge Krieger, so wie für die Herbeischaffung glatter und rauer Fourage, Stellung der nötigen Wagen usw. und Magistratus bekam, so zu sagen, alle Hände voll zu tun. Dennoch ward die ihm gewordene Aufgabe glücklich gelöst. Am besagten 13. Dezember trafen 3 Bataillone Infanterie, das Elfsborgsche, das Scaraborgsche und das Südermannlandsche, jedes aus 4 Kompanien bestehend, nebst einem Husaren-Korps von 100 Mann und einer Abteilung Artillerie hier ein, und für ihre Bedürfnisse ward hinlänglich gesorgt. Ihr Feldprediger hielt am 14. allhier Gottesdienst in schwedischer Sprache, und am 15. Morgens marschierten sie weiter nach Crivitz.

Von der königlich schwedischen Regierung ward die verheißene Erstattung der Kosten des hiesigen Aufenthalts dieser Truppen bald geleistet; es haben daher auch die bequartiert gewesenen, wie Acta ergeben, jeder das ihm nach dem Maßstab seiner Leistung gebührende billige Vergütungs-Quantum erhalten.

Während aber noch jene Schweden hier waren, erschien in Folge weiterer, dem Magistrate gemachten Anzeige des bevorstehenden Einrückens russischer Kavallerie schon am 14. Dezember 1805 ein starkes Detachement vom Itzoumschen Husaren-Regimente allhier als Avant-Garde und Quartiermacher mit der Meldung, dass solches 8 Escadron starkes Regiment Tags darauf anlangen und bis zum 17. verweilen würde. Mit dem ihm anhängenden Trosse waren nicht weniger als 1.131 Mann und 1.260 Pferde unterzubringen, und es hielt schwer, dieser Masse von Menschen und Tieren Unterhalt und Stallung so zu verschaffen, dass keine gerechten Beschwerden erhoben werden konnten. Doch gelang auch dies; eine ganze Escadron ward nach dem nahe gelegenen Kämmerei-Dorfe Damm verlegt, wohin die Bauern des gleichfalls zur hiesigen Stadt gehörigen Dorfes Matzlow Hafer liefern mussten, und da Parchims Bewohner ihr Möglichstes taten, um diese ihre nordischen Gäste, welche schon mit größerer Anmaßung auftraten, zu befriedigen, so ward auch deren Einquartierung glücklich überstanden.

Russischer Seits erfolgte ebenfalls der mit der mecklenburgischen Landes-Regierung vereinbarte Ersatz der Verpflegungs-Kosten, und deshalb wurde nach gehöriger Liquidation die erste Hälfte des der Stadt Parchim und dem Dorfe Damm für die gedachten Husaren zukommenden Geldes resp. mit 915 Thaler 17 ¼ ßl. N 2/3 und 97 Thaler 19 ßl. durch die dazu verordnete fürstliche und ständische Kommission im Juli 1806 an den hiesigen Magistrat eingesandt, von diesem aber gehörig verteilt. Nicht minder ist in späterer Zeit die Zahlung der zweiten Hälfte solcher Ersatz-Summe geleistet, und hier teils zur Erstattung der Vorschüsse, so wie zum übrigen Bedarf der städtischen Kriegs-Kasse verwendet, teils aber, jedoch erst nach Verlauf mehrerer Jahre auf wiederholten Antrag der repräsentierenden Bürgerschaft an die Quartiergeber nach Maßgabe ihrer Leistungen ausbezahlt worden.

Diese Durchmärsche des schwedischen und russischen Militärs bildeten nun gleichsam das, schon erhebliche, Vorspiel zu einer langen Reihe von Einquartierungen und Kriegs-Erleidungen aller Art, welche die Stadt Parchim und ihr Gebiet betroffen haben, führten jedoch auch die Vergrößerung des Geschäftskreises der magistratischen Behörde herbei, und gaben ihr, so wie den Einwohnern, die ersten Proben einer Menge bis dahin unbekannt gebliebener Besorgungen. Allein es stand im Buche des Schicksals geschrieben, dass es damit noch viel anders und schlimmer kommen sollte. Schon nach einigen kurzen Tagen begann das verhängnisvolle Jahr 1806 und mit ihm ein fast ununterbrochener Betrieb militärischer und Administrativ-Angelegenheiten.

Parchim, Rathaus

Parchim, Rathaus

Parchim, am Eichberg

Parchim, am Eichberg

Parchim, Buchholz-Allee

Parchim, Buchholz-Allee

Parchim, Elde

Parchim, Elde

Parchim, Kirche

Parchim, Kirche

Parchim, Moltke-Denkmal

Parchim, Moltke-Denkmal

Parchim, St. Georgen-Kirche

Parchim, St. Georgen-Kirche

Parchim, Wasserberg

Parchim, Wasserberg

Parchim, Wockertal

Parchim, Wockertal

Parchim, zur Markower Mühle

Parchim, zur Markower Mühle