Neubrandenburg, den 03. Januar 1825 – von Kunstsinn und Kunstgenuss

Aus: Freimütiges Abendblatt, Band 8 (1826)
Autor: Redaktion - Freimütiges Abendblatt, Erscheinungsjahr: 1826
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Mecklenburg, Neubrandenburg, Kunstsinn, Lebensfreude, Kunstgenuss, Buchhandlung, Sittenbild, Landesgeschichte, Stadtgeschichte
Der geehrte Berichterstatter aus Neustrelitz hat mit seinem Thermometer viele belustigt und wenige geärgert, was ihm als Beweis dienen kann, dass er den rechten Fleck getroffen. Wenn gleich wir den Sängern aus dem Süden schon längst eine glückliche Reise nach dem Norden gewünscht, in der Hoffnung, dass durch die Berührung der Extreme das Barometer ihrer Verhältnisse sich endlich nach schönem Wetter neigen möchte, so hört man aus mehreren Orten unseres Mecklenburgs noch Anklänge von ihren metallreichen Stimmen und — metallarmen Einnahmen, dass ein deutsches Herz, wenn auch nicht von ihrem kunstvollen Gesang, doch von ihrer bedauernswürdigen Lage gerührt werden muss.

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Vernimmt man nun, dass diese Fremdlinge, wie aus früheren Berichten von hier und Neustrelitz hervorgeht, in unserem gastfreundlichen Orte gastfeindlich behandelt sein sollten, so ist das, wie Ref. sich genau überzeugt, eine ungerechte Beschuldigung, die einer Berichtigung bedarf.

Die mehrgedachte Sängerfamilie, aus 5 Individuen bestehend, hatte in den 4 Wochen ihres hiesigen Aufenthalts in einem der ersten Gasthöfe für Logis, Heizung, Beköstigung und Benutzung des Saales zu Konzerten und Proben eine Rechnung von 85 und einigen Rthlrn. preuß. Kur. aufsummen lassen, an deren Berichtigung nach Umständen nicht zu denken gewesen wäre, wenn nicht die verehrte und bekannte Hilfe von oben gekommen und für alle wohltätig entschieden hätte. Die Frau Wirtin begnügte sich sonach mit 40 Rthlr. Gold, strich 20 Rthlr. von der Rechnung und ließ die Familie, nach erhaltenem Versprechen, den Rest von 20 Rthlr. baldmöglichst zu berichtigen, in Frieden ziehen, ohne sich an die dargebotenen Sachen zu halten.

Obgleich hier im ganzen noch immer der bekannte muntere Ton herrscht, so mischen sich doch die allgemeinen Klagen über schlechte Zeiten oft als unberufene Dissonanzen ein und verstimmen so die gewohnte Lebensharmonie. Fehlt es uns an Gelegenheiten, unseren Kunstsinn zu zeigen, so müssen wir es dem Schicksale aus begreiflichen Gründen fast Dank wissen, weil die Künstler in der Regel nur auf klingenden Beifall erpicht sind und die milde oder laue Temperatur des Kunstsinns, wenn sie gar permanent ist, verabscheuen.

Dass es uns nicht an geistigen Genüssen fehlt, und dass solche hier geschätzt und bezahlt werden, beweist das rasche Emporkommen der hier seit 4 Jahren befindlichen Buchhandlung, die im verwichenen Jahr zur Großherzogl. Hofbuchhandlung erhoben ist und seitdem eben so vollständig und expedit in der Residenz wie bei uns existiert, statt dass in den früheren brillanten Zeiten in unserem Herzogtum keine einzige Buchhandlung zur eigentlichen Blüte, vielweniger zur Reife gekommen.

Neubrandenburg, alte Wickhäuser

Neubrandenburg, alte Wickhäuser

Neubrandenburg, Dangel-Turm

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Neubrandenburg, Fritz-Reuter-Denkmal

Neubrandenburg, Fritz-Reuter-Denkmal

Neubrandenburg, Rathaus

Neubrandenburg, Rathaus

Neubrandenburg, Stargarder-Tor

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