Nächtliche Mahlzeit in den Kühlungen der Diedrichshäger Berge bei Kröpelin.

Aus: Mecklenburgs Volkssagen. Band 3
Autor: Von Fr. Schulz, Erscheinungsjahr: 1860
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Mecklenburg-Vorpommern, Sage, Volkssage, Kröpelin, Kühlung, Brunshaupten, Diedrichshäger Berge, Kühlungsborn, Ostsee
Wer die Straße von Kröpelin nach Brunshaupten wandert, der kommt über den höchsten Punkt der Diedrichshäger Berge. Er genießt hier eine schöne Aussicht, die noch durch einen zum Zweck der Landesvermessung erbauten Turm — wenn man sich nämlich die Mühe gibt denselben zu besteigen — verherrlicht wird.

Von dort führt der Weg den Wanderer durch einen Wald, den man die Kühlung nennt. Es geht bald bergauf, bald bergab, bis man Brunshaupten erreicht hat.

Vom Wege aus sieht man oft tiefe Schluchten oder steile Berge, und jeder Neugierige ist leicht versucht, rechts oder links vom Wege ab den Wald zu durchstreichen. Der Fremde widersteht schwer der Versuchung, wohl aber der, der dort bekannt ist; denn er weiß, dass man hier sehr leicht irren kann, und dass es auf manchen Stellen auch nicht jeder Zeit so ganz geheuer ist.

So erging es einem Neugierigen auch einmal, wenn auch eben so übel nicht, doch recht sonderbar. Er ging nach seiner Meinung immer in gerader Richtung quer durch die Kühlung, und musste, so rechnete er, auf Brunshaupten zu kommen.

Schon stundenlang hatte er so gewandert, und immer war er noch tief im Walde. Es wurde dunkel und unser Fußgänger gestand sich, dass er verirrt sei. Sich ganz dem Missmute hinzugeben, wollte er nicht, und sein Erstes war nun, sich zu fassen und seiner Verwirrtheit zu steuern. Er zog seine Stiefeln um, zog den Rock aus und wieder an etc., alles Mittel gegen die den Menschen irre leitenden Geister und Spuke, und wanderte dann weiter.

Diese Mittel schienen probat gewesen zu sein, und bald sah der Wanderer in der Ferne ein Licht. Leichten Schrittes eilte er gerade darauf zu und hatte den erleuchteten Ort eher erreicht, als er glaubte.

Aber, wie stutzte er jetzt! Er stand vor einer großen Gesellschaft, nach seiner Meinung teils früher bekannter, teils unbekannter Leute, die vergnügt an einer wohlbesetzten Tafel saßen. Die schönen Speisen auf dem Tische umdufteten ihn und klarer, perlender Wein lächelte ihn an; aber unser Zuschauer ließ sich nicht dadurch reizen, näher zu gehen. Endlich kam einer aus der Gesellschaft auf ihn zu, und lud ihn freundlich ein, mitzuessen.

„Zureden hilft", sagt das Sprichwort. Er setzte sich nach einigem Weigern mit zu Tische und sättigte sich mit Wohlgefallen. Auch genoss er des Weins so viel, dass er zuletzt, mit dem Kopfe auf dem Tische liegend, einschlief, während er in der rechten Hand noch einen goldenen Pokal mit Wein gefüllt festhielt.

Er schlief lange und sanft. Als er endlich erwachte, da war es heller Tag. Der Stuhl, auf dem er zu sitzen glaubte, war nackte Erde, der Tisch ein Baumstubben, das Tischtuch eine Kuhhaut, und sein goldener Pokal war gar ein Kuhfuß geworden. Er hatte hiermit Beweis genug, dass der nächtliche Vorgang kein bloßer Traum gewesen war, und sein noch voller Magen und vom Wein erhitzter Kopf bestätigten es noch mehr.

Schnell sprang er auf, eilte fort von dem unheimlichen Orte und hatte bald den Wald hinter seinem Rücken.