NAUMBURG. Pr. Sachsen Kreisstadt.

Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler, Bd.1, Mitteldeutschland
Autor: Dehio, Georg (1850-1932), Erscheinungsjahr: 1914
Themenbereiche
NAUMBURG. Pr. Sachsen Kreisstadt.

Dom SS. Peter und Paul. Sprom. und frgot. Hauptmasse 1. H. 13. Jh. Für Thüringen das Hauptwerk der schönsten Zeit der ma. Baukunst. Kreuzf. Gwb.-Basilika mit doppeltem Chor und Doppeltürmen in O und W, aber ohne Zentralturm. Ganze L. der rom. Teile 66 m, durch die got. Chöre erweitert auf 97 m. Vom frrom. Dom (gew. 1044) die Fundamente nachgewiesen, eine regelmäßige kreuzf. Basilikenanlage von ca. 46 m L., die Gestaltung des WBaus ungewiß. Der Neubau begann um 1200 in O. Von ihm erhalten der unter dem OQuadrum liegende mittlere Abschnitt der Krypta; gekehlte Eckkappen am Sockel, geriefelte Schafte, Palmettenkaptt. mit facettierten oder geperlten Blättern, Beginn rheinischer Einflüsse. Die Vorkrypta unter der Vierung um 1220 oder noch später; Gruppenpfll. aus 4 Freipfll. um einen schlanken quadr. Kern, gemeinschaftliche Deckplatte, schwungvolles Blattwerk. Der dritte Abschnitt (2 Joche und 1/3 kr. Schluß) entspricht der Ausdehnung des OChors vor der got. Erweiterung; die Formen ähnlich denen des Vorchors; die Kaptt. gehören zu den schönsten des Spätromanismus. Gwbb. grätig, trotzdem mit Schlußsteinen (nur einer, Löwenkopf mit hängender Zunge, erhalten).

Oberkirche, romanische Teile. Sie umfassen den ganzen Dom mit Ausnahme der beiden (got.) Chöre. Baunachrichten fehlen fast ganz. Der Formcharakter deutet durch [pg 289] seine geringe Abwandlung auf verhältnismäßig kurze Bauzeit; sie liegt in der Regierung des Bischofs Engelhard (1207-42). 1249 wird schon zum WChor Geld gesammelt. Seine Ausführung schloß sich der des Langhauses unmittelbar an. In letzterem erkennt man nach Vollendung des ersten Doppeljochs (von O gerechnet) eine kurze Pause. Erst in den folgenden Jahren treten die Beziehungen zu Magdeburg ein. Innerhalb des deutschen Übergangsstils steht N. auf dem konservativen Flügel; Beziehungen zum Rhein, zu Magdeburg und Bamberg sind vorhanden, aber vom got. Element wird nur zurückhaltend Gebrauch gemacht. Die Gesamtanlage erinnert am meisten an Bamberg, ebenso das innere System, jedoch in den Verhältnissen mehr in die Breite geschoben. Der Spitzbg. in gedrückter Form an Arkaden, Gwb.Bgg. und Türen. Keine Diagonalrippen (diese erst im letzten Joch), trotzdem eingekeilte Schlußsteine, Pinienzapfen, Tierköpfe (vgl. sonst Dom zu Magdeburg, Chorumgang, und öfters in Westfalen). Gerader, mäßig steigender Gwb. Stich, Kappen in Stärke von 50 cm. — Das System das gebundene. Die Msch. Joche überquadr. (wie in dieser Zeit am Rhein sehr oft). Hauptpfll. kreuzf. mit vorgelegten 3/4 Sll. und schwächeren Vollsll. in den Winkeln; die Vorlagen steigen ohne Unterbrechung bis zu den Gwbb. auf, wo sich die Kämpfer mit einem durchlaufenden Gesims verkröpfen. Die Zwischenpfll. haben dieselbe Anlage abzüglich der vorderen Vorlagen. An den Kaptt. Blatt- und Rankenwerk ohne gotisierenden Einschlag, z. T. mit Formen des Magdeburger Chorumgangs zusammengehend. Die Fenster des Hochschiffs nicht gruppiert, sondern in den Arkadenachsen. Merkwürdig die Widerlagerung durch Übermauerung der Quergurten der Sschiffe, z. T. in einwärts schräg abfallenden Lagerfugen. Das Äußere in guter Quadertechnik, formenarm und streng; an der NWand Lisenen, deren Weiterführung aufgegeben wurde. — Hauptportal am südl. Qsch. in einer dem Kreuzgang sich anschließenden (späteren) Vorhalle; das Gewände sehr tief, 9 Rücksprünge, aber wenig Schmuck außer dem Tympanonrelief, der Eindruck nüchtern; vor 1228. Im Innern des Altarhauses 2 Türen (zu den Turmtreppen) mit auserlesen schöner Blattwerkfüllung der Bogenfelder im Stil der Krypta.

Die Türme. Das östl. Paar rein rom., quadr. bis zur Höhe des (um sie herumgeführten) Dachgesimses von Chor und Qsch., dann 8seitig; schon in rom. Zeit, dann noch einmal in got., überhöht. Dächer bar. (Ein Bild der ursp. Gestalt gibt die Wiederholung in den OTürmen der Stadt-K. in Freiburg a. U.) — Das westl. Paar, beg. in der rom. Bauperiode, weitergeführt [pg 290] um 1560-70 als genaue Kopie der Bamberger WTürme; doch kam nur ein Geschoß zur Ausführung; der südl. blieb ganz liegen (erst 1894 ausgebaut), der nördl. im 14. Jh. mit 2 weiteren Geschossen versehen, die sich im Motiv an das erste anschließen. Zwischen den WTürmen und dem WChor eine Lücke von fast 2 m, nach außen durch eine Verbindungsmauer verdeckt.

Die Chöre. a) Der westliche. Obgleich zeitlich dem Hauptbau unmittelbar folgend (beg. ca. 1250, voll. nicht nach 1270), macht er stilistisch einen großen Sprung in die gereifte Gotik. Vorderteil Quadr. mit 6teiligem Gwb., Schluß aus 5 Seiten des 8Ecks, beide Abteilungen durch breiten, gegliederten Gurt geschieden. Fenster 2teilig, Gewände innen einfach abgeschrägt, außen etwas voller gegliedert, Maßwerk aus 2 Spitzbogen und Kreis, darin eine als Sechspaß aufgelöste Platte. Höchst eigenartig und gegenüber den einfachen Architekturformen von besonders glänzender Wirkung die Wanddekoration über dem Chorgestühl: unten eine tiefnischige Arkatur, die Krönungen ihrer Miniaturgewölbe ein durch die vorgefundenen Fragmente nicht hinlänglich beglaubigtes Werk der jüngsten Rest., die Laubkapitelle, soweit echt, von großer Schönheit, jedoch die Mehrzahl ergänzt; darüber eine zweite, von der Wand als Laufgang sich absetzende Kleinbogenstellung; auf ihrer Höhenlage, vor die Wanddienste gesetzt, Standbilder unter prachtvollen Baldachinen. Im Chorhaupt der Abschnitt unterhalb der Fenster glatt, über dem Kaffgesims Fortsetzung des Laufgangs und der Standbilder. Das Äußere in knappen Formen; reicher nur das in der Kehle mit überfallenden Blattreihen ausgesetzte Hauptgesims und die originellen Fialen über den Pultdächern der sonst ganz einfach gehaltenen Strebepfll. — b) Ostchor. Schmal rck. Vorderjoch und Schluß aus 6 Seiten des 10Ecks, mithin ein Pfl. in der Mittelachse (frühestes Beispiel für diese erst in der Spätgotik häufiger vorkommende Abweichung von der Regel). In den Formen sind mehrfach diejenigen des WChors kopiert; andere, namentlich das Fenstermaßwerk und die abgerissenen Blattbüschel einzelner Kaptt., zeigen die jüngere Zeit; Konsolen und Baldachine an den Wanddiensten deuten auf beabsichtigte, jedoch nicht zur Ausführung gekommene Statuen.

Die Lettner. Der östl. ist der ältere, gleichzeitig mit der Vorkrypta, an deren WWand er sich anlehnt. Eine Halle von 3 Jochen, Kreuzgwbb. auf Bündelpfll., tragen die Bühne. Die Rückwand hat in der Mitte den Laienaltar, zu dessen Seiten 2 Türen, zu welchen 5 in 1/2 Kr. angelegte Stufen hinaufführen; aus dem Innern des Chors weitere 7 Stufen zur Bühne; gegen [pg 291] Msch. und Qsch. Schranken von 2,70 m H. Eingänge zur Krypta aus den Kreuzflügeln. Als ältestes erhaltenes Beispiel eines ausgebildeten Lettners von besonderem Interesse. — WLettner. Mit dem WChor gleichzeitig. Die Anlage unterscheidet sich von der des östl. dadurch, daß der Chor keine Krypta hat und sein Fußboden nur um wenige Stufen höher liegt, als das Schiff. Somit eine von 2 festen Wänden getragene Bühne. Durchgang in der Mitte. Auf der Chorseite 2 Wendeltreppen. Die Verbindung von Architektur, Ornament und figürlicher Plastik ist eine dekorative Meisterleistung höchsten Ranges; im einzelnen gehören die Laubkaptt. zum Vollendetsten, was Deutschland in dieser Art besitzt.

Monumentale Skulpturen: a) Am rom. Bau. Tympanon am Portal des südl. Qsch. Christus stehend mit segnender Geberde, in der von 2 Engeln getragenen Mandelglorie; die Engel haben 4 Flügel; sehr flaches Relief; gut in den Raum komponiert; Formen naturlos. — In der Erdgeschoß-Kap. des NWTurmes Standbild der h. Elisabeth auf frgot. Konsole; von einem mäßig begabten Mann aus dem Kreise der Künstler, die das frgot. Turmgeschoß nach Bamberger Muster ausführten. — b) Am WChor. Mit der architektonischen Dekoration zusammen gedacht und auch gleichzeitig ausgeführt, mit den Säulenbündeln aus einem Block. Dargestellt sind in 12 Standbildern die Stifter und Wohltäter der K. in ihrer Frühzeit, 4 Eckardiner und 4 Wettiner mit ihren Frauen. Auch ist noch in anderem Sinne Ahnenkultus im Spiel: Bischof Dietrich, unter dem der WChor ausgeführt wurde, gehörte selbst dem Hause Wettin an. Die Reihenfolge ist, an der SWand begonnen: 1. Gerburg, 2. Konrad (Gesicht und rechter Arm ergänzt), 3., 4. Hermann und Regelindis, 5. Dietmar (fiel, des Verrates an Kaiser Heinrich III. angeklagt, im Gottesgericht, daher auf seinem Schilde »comes occisus«), 6. Sizzo, 7. Wilhelm, 8. Timo, 9., 10. Eckard und Uta, 11. Gepa, als Witwe geschildert; nach anderer Deutung Adelheid, Äbtissin von Gernrode; 12. Dietrich. Werkstoff: grobkörniger, harter Kalkstein. Bemalung mehrmals wiederholt, zuletzt nach 1532; ursprünglich nur einzelne Teile — Augen, Haare, Gewandsäume, Schmuck und Wappen — mit dünner Lasurfarbe hervorgehoben. Die Tracht ist genau die zeitgenössische, Loden und Leder ihr Material. Der Künstler hat alles Konventionelle abgestreift; er steht der Natur mit offenem Blick, aber doch auch mit voller künstlerischer Freiheit gegenüber, und ebenso frei hat er aus der französischen Schulung seinen persönlichen Stil herausgearbeitet, einen mit unbefangener statuarischer Würde gepaarten Realismus. Diese [pg 292] Gestalten sind nicht Porträts, aber sie könnten dafür gelten. Sehr merkwürdig an einigen von ihnen, besonders am »comes occisus« und der ihm zunächst stehenden, der Ausdruck momentaner Gemütsbewegung. — c)Am WLettner. Die Balustradenreliefs stellen dar: Abendmahl, Judas Verrat, Gefangennahme, Petri Verleugnung, Wächter, Pilatus Handwaschung (die beiden letzten Felder 1734 von einem Stümper ergänzt, doch vielleicht gestützt auf echte Fragmente). Das Relief sehr hoch, die Vordergrundfigg. ganz frei; jede Platte bei 65 cm Höhe 30 cm tief ausgehöhlt. Wahrscheinlich ein Werk des Meisters der Chorstatuen aus vorgerückter Lebenszeit; jene um 1250-60 begonnen, diese vielleicht 1270; die Erfindung von unerhörter Selbständigkeit gegenüber der Tradition; der Realismus der Form noch ungeschminkter; Charaktere und Affekte von leidenschaftlicher Gewalt der Schilderung, die sich auch der Gewandbehandlung mitteilt. Wiederholte Überschmierung mit Farbe hat viel von den feineren Formen zugedeckt. Die an ungewöhnlicher Stelle, nämlich an der Lettnertür, angebrachte Kreuzgruppe zeigt die letzte Phase der Werkstatt nach dem Ausscheiden des Hauptmeisters. Der Gekreuzigte deckt sich im Umriß vollkommen mit dem Wechselburger, aber wie völlig anders ist die geistige Auffassung! Bei Maria und Johannes das Pathos bis zu greller Heftigkeit gesteigert, selbst die Gewandung gleichsam schmerzzerrissen. — Von einem andersgestimmten Schüler des Hauptmeisters der Diakon mit Lesepult, ursp. wohl im Chor, jetzt am Eingang in die Johanneskap. (die von Schmarsow vorgeschlagene Datierung auf ca. 1500 nicht überzeugend). — Im OChor Türbogenfeld mit Weltenrichter zwischen Maria und Johannes dem Täufer; durch den unvollendeten Zustand für das Technische von besonderem Interesse; Komposition und Formcharakter sehr nahe verwandt der Gruppe am OPortal des Mainzer Domes, das daraufhin dem Naumburger Meister zugeschrieben werden muß; das Naumburger Exemplar zeigt aber nicht dieselbe Qualitätshöhe, wird also nach dem aus Mainz mitgebrachten Modell von einem Gehilfen in Arbeit genommen sein. — Ebenfalls aus der Schule des Lettnermeisters das Brustbild Johannes des Täufers über der Tür der Johanneskap. im Domkirchhof. — Altäre. Vieles vom alten Bestand zerstört oder versetzt. Hauptaltar; Mensa aus 14. Jh., Aufsatz von 1567 in wunderlicher Stilmischung. — Auf dem Nebenaltar im letzten Joch des südl. Ssch. steinernes Retabulum mit Crucifixus und vier Frauen, um 1350. — Spgot. Schnitzaltäre in der Krypta ohne Bedeutung. — Reste von 3 oder [pg 293] 4 Tafelaltären aus der Werkstatt Cranachs im Dom zerstreut. Der Barbara-Altar im nördl. Ssch. vollständig, aber in schlechtem Erhaltungszustand.

Gestühl: a) Im OChor: schöner frgot. Viersitz, spgot. ihm gegenüber ein gleicher mit Reliefs an den Wangen und Dreisitz am Lettner. b) Im WChor: Stuhlwerk bez. 1516. — Kanzel von 1466 jetzt in der Johannis-Kap.

Grabdenkmäler. Der alte Bestand stark reduziert. Hervorzuheben: Im OChor Hochreliefplatte eines unbekannten Bischofs, vielleicht zum Gedächtnis des Kirchengründers Hildeward, ausgeführt A. 14. Jh. Dieser älteste Grabstein der beste, nachher sinkt der Durchschnittswert. — Im südl. Ssch. Grabstein Münch 1563; Grabstein Bruchterte † 1391 (von derselben Hand wie der Dominikus der Leipziger Paulus-K.); Epitaph Neumarck † 1576, bez. M. S.; Epitaph Bünau † 1591, von demselben; Wandstein des Domherrn Schleinitz um 1520, eines der besten im Dom erhaltenen Stücke. — Im nördl. Ssch. Bronzemedaillon für Rudolf von Bünau 1505; Georg v. Molau 1580, bez. H. K. — Im NKreuz Grabstein Dompropst von Eckardsberga 1406 (von derselben Hand wie Bruchterte; in beiden Wiederanknüpfung an die Stileigentümlichkeiten des 13. Jh.); Grabstein Bischof v. Goch † 1422; Bronzerelief des Bischofs Dietrich IV 1492; Bronzebildnis (in Stein eingelassen) des A. v. Könritz 1496; gravierte Platte des Bischofs Dietrich III. von Bocksdorf † 1466, aus der Vischerschen Werkstatt, wohl Jugendwerk Peters, dagegen die beiden vorigen aus einer sächsisch-thüringischen. — In der Vorhalle Marmordenkmäler der Maria v. Burgsdorf 1709 und des Reichsgrafen Ernst Dietrich v. Marschall 1771.

Glasgemälde. Im WChor 3 fast volle Fenster aus der Erbauungszeit (?), im OChor 4 (1856 aus den Bestandteilen von ursp. 8 zusammengesetzt). — 2 Teppiche aus 16. Jh., einer mit Bildnis eines Bischofs und Wappen der Schleinitz (wohl Bischof Vinzenz von Merseburg † 1535). — 8 Meßbücher aus A. 16. Jh., die meisten Bilder ausgeschnitten. — Klausur. Ursp. für die NSeite des Doms beabsichtigt, wo noch Ansätze zum Kreuzgang und die für diesen bestimmte Tür in der WWand des nördl. Querhauses vorhanden. Vor 1228 an die SSeite verlegt. SFlügel rom., WFlügel gotisierend, eingewölbt um 1270, die Zellen darüber erst Holz, nach 1532 massiv. Domkirchhof mit manchen der Beachtung nicht unwerten Denkmälern des 16. Jh.

Dreikönigs-Kap. 1416, Untergeschoß älter, das Ganze sehr verwahrlost. An der Außenwand bmkw. gleichzeitige Anbetung der 3 Könige in Einzelstatuen.
[pg 294]

Dompfarr-K. S. Marien. Nur der Chor erhalten; 1343; bmkw. die großenteils nach innen gezogenen Strebepfll. sowie geringe rom. Mauerreste des Schiffs.

Johannis-Kap. Ursp. Tauf-Kap. Kleines Rck. von 3 Gwb.Jochen. Das Detail zierlich und geistreich im Stil des WChors.

Domherrenkurien, a) Ägidienkurie; der vom rom. Bau (ca. 1200-1210) erhaltene Teil umschließt die Kap., kenntlich am Erkerchor; giebelförmige Umbildung des Bg.Frieses; der Kapellenraum mit 8seitiger Kuppel; originelle Überführung aus dem Quadrat, b) Bischofskurie, einfacher spgot. Bau rest. 1581 (die Bischöfe residierten im sp. Ma. meist in Zeitz).

Moritz-K. Zu einem A. 11. Jh. gegr., 1532 aufgehobenen Klst. Die jetzige K. aus A. 16. Jh. (Inschr. 1509, 1512). Die neue Ausstattung 1705-21 wurde durch die Rest. 1875 entfernt. — Ein im Innern und Äußern gleich einfacher Bau. Dem Hauptschiff ist nur nördl. ein Nebenschiff angefügt; der langgestreckte, polygon geschlossene Chor unmittelbare, nur durch einen Bg. geschiedene Fortsetzung des Hauptschiffs, alles unter einem Dach. Holzdecken. Die doppelten Fassadentürme gehen auf rom. Anlage zurück.

Großer Crucifixus aus Eichenholz, 13. Jh., der Wechselburger Typus in vergröberter Fassung, doch sehr bedeutend in seiner heroischen Wuchtigkeit. Dazu gehörig Maria mit eigentümlich barocker Häufung der Gewandmotive, kaum von derselben Hand. — Verdorbener Ölberg (? 13. Jh.). — Trümmer sp. ma. Altarplastik. — Grabdenkmäler ohne höheren Wert; archäologisch von Interesse der giebelförmig abschließende, jedoch mit umlaufender Inschrift versehene, also liegende Stein des Bischofs Richwin † 1125, ausgeführt etwa E. 13. Jh.

Stadt-K. S. Wenzel. Nach Bränden 1411, 1473, 1517 und aus nachfolgenden Herstellungen in höchst eigenartiger Gestalt hervorgegangen. 1411-73 die östl. Hälfte; für sich betrachtet ergibt sie einen normal angelegten, langgestreckten 1sch. Chor mit 5/10 Schluß in ziemlich großen Abmessungen, zu beiden Seiten 2 Türme. Das Gemeindehaus war vor 1473 kaum erst begonnen (das geradlinige Mauerstück mit Portal an der NSeite); ob die jetzige Grundrißdisposition noch 1473 oder nach 1517 getroffen wurde, ist zweifelhaft. Entscheidend für sie ist die Rücksicht auf die an dem Choreingang angeordnete Kanzel. Hallenkirche von 2 kurzen geraden Jochen und polygonalem, einem flachen Kreissegment sich anschließendem westl. Abschluß (1516). Auf diese Weise wurde die Gesamtanlage zu [pg 295] einem Zentralbau, wenn auch einem unsymmetrischen, umgestempelt. Das Gemeindehaus 33 m breit, nur 19 m tief. Die Decken flach, in letzter Gestalt 1724. Bei bedeutender Höhe ist der Raumeindruck ein sehr eigentümlicher. Am Außenbau die OTeile verschwenderisch dekoriert, mit viel eigenwilligen Zügen im Einzelnen und starker malerischer Gesamtwirkung; die WTeile fast ärmlich vereinfacht, ausgenommen die 3 Portale im N, S, W. Von den Türmen nur der nördl. ausgeführt. Um 1600 baute K. Steiner das Obergeschoß der Sakristei in gut verstandenen got. Formen, gleichzeitig die Balkone des Innern in Renss. Von den 16 ma. Altären nichts erhalten außer einigen gemalten Tafeln: »Lasset die Kindlein zu mir kommen« 1529 von L. Cranach, eine der besten Arbeiten seiner späteren Zeit; Anbetung der drei Könige 1522, Frühbild Cranachs? Heilige Nacht von Barth. Spranger, A. 17. Jh. — Hochaltar riesiges Schreinerwerk von 1680 mit Gemälde von Hermes in Dresden. — Kanzel um 1740. — Messingenes Taufbecken 1441, am 6seitigen Kessel Reliefs, Fuß neu. — Von historischem Interesse der Grabstein des Pagen Gustav Adolfs, Augustus v. Leubelfing — Trümmer eines großen Marmorgrabmals um 1630, u.a. Standbild der Caritas. — Im Schatz gute Arbeiten des Ratsgoldschmiedes Krugelstein 1680.

S. Othmar. 1691-99. Rck. von 15 : 26,50 m mit leicht vortretender, gerade geschlossener Altarnische; der östl. Teil in 2 Jochen 3sch., der westl. mit flacher Holzdecke; der erst quadr., dann 8eck. Turm über dem Altarhaus. Architekturformen und Ausstattung sehr schlicht. — Aus älterer Zeit, ca. 1520, ein guter 3flügeliger Schnitzaltar. — Im SFenster des Altarhauses Glasgemälde 1539.

S. Marien. 1712-30. 1sch. Emporensaal; an der Decke, einem Spiegelgwb. aus Holz, hübsche Stuckaturen und flüchtige Gemälde. Das Äußere nüchternster Art.

Wenzelskirchhof. Einige Grabmäler nicht ganz ohne Interesse, z. B. das des Hans Weis, 1568, im Erbbegräbnis Patschke links vom Eingang.

Rathaus. Nach Brand 1517, Dacherker bez. 1528, 1556 die Fürstenstube, 1612 das Hauptportal. Die langgestreckte Marktfront hat 3 Geschosse, am hohen Walmdach 6 Zwerchgiebel, dekoriert mit blinden verschränkten Kielbgg. in trockenster Spätgotik, aus Ziegeln gemauert (eine in Thüringen seltene Technik) und wie die ganze Front geputzt. Im Innern Stiegentreppen in feiner Frührenss. bez. 1556; aus demselben Jahr der Fürstensaal, dessen Stuckdecke jedoch 1655. — Trinkhorn etwa M. 14. Jh. mit schönem Lederfutteral.
[pg 296]

Wohnhäuser. Die Epoche nach den großen Stadtbränden 1517 und 1532 durch Portale, Erker und Giebel reichlich vertreten, jedoch nichts eigentlich Hervorragendes darunter. — Marktbrunnen mit S. Wenzelstatue 1579.

Stadtbefestigung. Seit 1820 großenteils niedergelegt; erhalten das Marientor von 1446; klassizistische Wachthäuser am Jenaer Tor.