Monographie zur deutschen Kulturgeschichte. XI. Band – Das Judentum in der deutschen Vergangenheit

Mit 106 Abbildungen und Beilagen nach Originalen, größtenteils aus dem 15. bis 18. Jahrhundert. Verlegt bei Eugen Diederichs in Leipzig.
Autor: Liebe, Georg Hermann Theodor (1859-1912) Historiker, Archivar, Erscheinungsjahr: 1903
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Deutsche Kulturgeschichte, Juden, Judentum, Religion, Vergangenheit, Mittelalter, soziale Lage der Juden, Zeitverhältnisse, Wirtschaftsleben, Bedeutung der Juden, Finanzwirtschaft, Bankverkehr, Judengasse, Kapitalverkehr, Erwerbsbedingungen, Darlehensgeschäfte, Wucher, Zinsgeschäfte, Verschuldung, Schuldner, Gläubiger, Judenverfolgung,

001 Landschaftsbild aus dem 16. Jahrhundert. Kpfr. Augustin Hirschvogel. B. 56
Hatte sich vormals die historische Betrachtung mehr den Ereignissen als den Zuständen zugewandt, so wurde dadurch die Auffassung von der Stellung des Judentums in der mittelalterlichen Geschichte früh in eine einseitige Richtung gedrängt. Wie sonst die Augenfälligsten geschichtlichen Vorgänge, die Kriege, vorzugsweise die Aufmerksamkeit auf sich zogen, so taten es die Verfolgungen in der Geschichte der Juden, die ganz vom Standpunkt des Mitleids geschrieben wurde. Die Menschen des Mittelalters machte man zu sinnlos wütenden Fanatikern, und die Zeiten, die uns im Volkslied und den köstlichen Bauwerken Zeugnisse des deutschen Gemüts hinterlassen haben, erschienen als in Rohheit und Barbarei versunken. Wie so vieles, was unser verfeinertes, humanes Empfinden peinlich berührt, ist auch die trostlose Stellung des Juden in der deutschen Vergangenheit nur aus den jeweiligen Zeitverhältnissen heraus gerecht zu würdigen. Die Sicherheit des Urteils wird zunehmen, je mehr man sich von den in Für und Wider pateiisch gefärbten Darstellungen der Zeitgenossen den unbestechlichen urkundlichen Zeugnissen zuwendet.

Zur Gewinnung einer richtigen Auffassung von der traurigen sozialen Lage der Juden ist zu bedenken, dass sich diese erst allmählich herausgebildet hat. Ist auch eine genaue Periodisierung sozialer Entwicklungen, die sich aus ungezählten Einzelheiten zusammensetzten, kaum möglich, so tritt doch zweimal eine deutliche Abstufung jener Verschlechterung zu Tage, beidemal an gewaltige Zeitereignisse geknüpft, die sie gefahrvoller gestaltet, aber nicht verursacht haben: den zweiten Kreuzzug um die Mitte des zwölften, den schwarzen Tod um die Mitte des vierzehnten Jahrhunderts. Berücksichtigt man dazu das Nachlassen der gewaltsamen Anfeindungen im folgenden Jahrhundert, so ergibt sich als die Zeit der tiefsten Depression für die Juden die Blütezeit der deutschen Städte: eine Beobachtung, die uns notwendig auf wirtschaftliche Ursachen führen muss.

Für das unentwickelte Wirtschaftsleben des Mittelalters waren die Juden von Bedeutung vor allem durch ihre Gewandtheit im Geldverkehr, die auf jahrhundertelanger Tradition beruhte, und ihr Einfluss stieg, je mehr der bisherigen Naturalwirtschaft entgegen das Kapital der ausschlaggebende Faktor wurde. Wie in der Hauptstadt der alten Welt erschienen sie als unentbehrliche Edelleute auch auf dem alten Römerboden des Frankenreichs. Die von dort erfolgte Einwanderung in Deutschland ist durch die Art ihrer späteren Verbreitung bezeugt; wir finden sie überwiegend im Westen, seltener im Süden, geringzählig im Osten und so gut wie gar nicht im Norden während des Mittelalters. Die geringe Kulturentwicklung in den ersten Jahrhunderten des deutschen Reiches bot ihren Anlagen wenig Spielraum; die spärlichen Nachrichten zeigen sie fast ausschließlich in alten Römerstädten des Westens ansässig. In gewandter Anpassung an die noch wenig fortgeschrittenen wirtschaftlichen Zustände Deutschlands haben sie sich dem Handel zugewandt und zwei wichtige Zweige monopolisiert: den Import orientalischer Waren, von denen der Pfeffer bei der vorwiegenden Fleischnahrung steigende Bedeutung gewann, und den Export von Sklaven. Zum ersteren befähigten sie alte internationale Verbindungen, die schon Karl den Großen bewogen, seiner Gesandtschaft an Harum einen Juden als Dolmetscher mitzugeben, zu dem zweiten ihre religiöse Ausnahmestellung. Dem Vertrieb kriegsgefangener Slaven dienend, die dem Begriff den Namen gaben, nahm dieser dem christlichen Gefühl anstößige Handel im zehnten bis dreizehnten Jahrhundert seinen Zug von den östlichen Grenzlanden nach Westfranken und von da nach Spanien und dem Orient.

Frühes Mittelalter
Volkswirtschaftliche Bedeutung der Juden. Handelstätigkeit. – Eindringen in die Geldwirtschaft. – Stellung zum Staat. Die Juden als Staatsbürger. – Einfluss auf die fiskalische Finanzwirtschaft. – Rechtliche Stellung. – Stellung zum Volk. Ausbrüche des Hasses. – Religiöse Beschuldigungen. – Charakter der Verfolgungen.

Spätes Mittelalter
Wirtschaftliche Macht. Geschäftsbetrieb. – Folgen des Wuchers. – Staatliches Eingreifen. – Gewaltsame Besteuerung. – Soziale Wertung. Absonderung. – Judenärzte. – Macht und Schwäche der Juden. – Änderungsvorschläge.

Übergangszeit
Änderung des wirtschaftlichen Einflusses. – Ausweisungen und ihre Gründe. – Verdrängung auf das Land. – Versuche staatlicher Aufsicht. Erschwerte Aufnahmebedingungen. – Vorgehen gegen den Wucher. – Luthers Ansicht. – Auswucherung kleiner Territorien. – Beschränkung jüdischer Handelsgeschäfte. – Die Juden im Münzwesen. – Bürgerliche Stellung. Der Frankfurter Aufruhr. – Sozialer Gegensatz. – Macht des Kapitalismus. – Theologische Disputation. – Judenärzte. – Selbstgefühl der Juden. – Teilnahme am geistigen Leben. – Der Jude in der Literatur. – Dramatische Verwendung. – Typische Auffassung. – Schwankliteratur. – Volkslied. – Polemische Literatur. – Jüdische Renegaten. – Christliche Theologen.

Neue Zeit
Der große Krieg und seine Folgen. – Kipper und Wipper. – Ausnutzung der Kriegszeit durch die Juden. – Portugiesische Einwanderung. – Ethnologische und soziale Differenzierung der Juden. – Internationaler Zusammenhang. – Messiashoffnungen. Familienbeziehung. – Der moderne Staat. – Fiskalische Auffassung. – Beschränkungen der Kopfzahl. – Friedrichs des Großen Erlasse. – Juden als Hausierer. – Juden in den Manufakturen. – Bürgerliche Stellung. Weitere ungünstige Verschiebung. – Wohnungsabsonderung. – Ausnahmestellung in Führth. – Kriminelle Bedeutung. – Karikaturen. – Jüdische Luxusneigungen. – Beschränkung der Bewegungsfreiheit. – Selbstbewusstes Auftreten. – Goethes Jugendeindrücke. – Das Zeitalter der Humanität. – Mendelsohn. – Literarische Auffassung. – Emanzipationsversuche. – Die französische Revolution. Napoleon. – Das Königreich Westfalen. – Zustände in Preußen. – Die Städteordnung. – Bismarck. – Das Jahr 1848

000 Das Judentum Titelblatt

000 Das Judentum Titelblatt

001 Landschaftsbild aus dem 16. Jahrhundert. Kpfr. Augustin Hirschvogel. B. 56

001 Landschaftsbild aus dem 16. Jahrhundert. Kpfr. Augustin Hirschvogel. B. 56

002 Älteste auf Siegeln befindliche Darstellung der Juden, die den hl. Stephanus steinigen. Siegel des Schatzmeisters und des Dechants des Domkapitels Halberstadt. 14. Jahrhundert

002 Älteste auf Siegeln befindliche Darstellung der Juden, die den hl. Stephanus steinigen. Siegel des Schatzmeisters und des Dechants des Domkapitels Halberstadt. 14. Jahrhundert

004 Geistlicher und Jude bewaffnet (trotz des Königsschutzes). Zeichnung aus dem Heidelberger Sachsenspiegel um das Jahr 1220

004 Geistlicher und Jude bewaffnet (trotz des Königsschutzes). Zeichnung aus dem Heidelberger Sachsenspiegel um das Jahr 1220

005 Warnung vor dem jüdischen Wucher. Holzschnitt eines mährischen Meisters ca. 1475. Brünn, Franzensmuseum. Schr. 1962

005 Warnung vor dem jüdischen Wucher. Holzschnitt eines mährischen Meisters ca. 1475. Brünn, Franzensmuseum. Schr. 1962

006 Jüdischer Geldwechsler. Holzschnitt aus B. v. Breydenbach, Die heiligen Reisen gen Jerusalem. Straßburg, Pryß, 1487

006 Jüdischer Geldwechsler. Holzschnitt aus B. v. Breydenbach, Die heiligen Reisen gen Jerusalem. Straßburg, Pryß, 1487

007 Jüdischer Geldverleiher mit Familie in Unterhandlung mit Bauern und Städter. Holzschnitt aus Foltz, die Rechnung Kolpergers von dem Gesuch der Juden. Nürnberg 1491. Hain 7210

007 Jüdischer Geldverleiher mit Familie in Unterhandlung mit Bauern und Städter. Holzschnitt aus Foltz, die Rechnung Kolpergers von dem Gesuch der Juden. Nürnberg 1491. Hain 7210

008 Bauer und jüdischer Geldverleiher am Rechenbrett. Holzschnitt aus Cicero, Officia. Augsburg, Stepner, 1531

008 Bauer und jüdischer Geldverleiher am Rechenbrett. Holzschnitt aus Cicero, Officia. Augsburg, Stepner, 1531

009 Juden vor Gericht schwörend. Holzschnitt aus Tengler, Laienspiegel. Augsburg, Othmar, 1509

009 Juden vor Gericht schwörend. Holzschnitt aus Tengler, Laienspiegel. Augsburg, Othmar, 1509

010 Eidesformel der Erfurter Juden um 1200. (Original im Staatsarchiv, Magdeburg)

010 Eidesformel der Erfurter Juden um 1200. (Original im Staatsarchiv, Magdeburg)

Beilage 01 Der Minnesänger Süßkind von Trimberg vor einem mit Krummstab und Mütze versehenen Stiftsherrn. Nach einer Miniatur der Manessischen Handschrift. 13. Jahrhundert. Heidelberg

Beilage 01 Der Minnesänger Süßkind von Trimberg vor einem mit Krummstab und Mütze versehenen Stiftsherrn. Nach einer Miniatur der Manessischen Handschrift. 13. Jahrhundert. Heidelberg