Mirow, im Januar 1826 – Gemischte Nachrichten

Aus: Freimütiges Abendblatt, Band 8 (1826)
Autor: anonym aus: Freimütiges Abendblatt, Band 8 (1826), Erscheinungsjahr: 1826
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Mecklenburg, Mirow, Wetterbericht, Walter Scott, Heinrich Clauren, Friedrich Gustav Schilling, Stadtgeschichte, Landesgeschichte, Sitten- und Sozialgeschichte
Seit langer Zeit haben wir in dem freim. Abendbl. nichts von unserm Flecken gehört, es sei uns daher vergönnt, auch einmal wieder das Wort zu nehmen. — Philosophische Betrachtungen bei dem Beginnen des neuen Jahres anzustellen, überlassen wir indessen einer geübteren Feder; wir wollen uns bloß mit der Vergangenheit beschäftigen und auch hierbei nur das berühren, was unseren Flecken allein betrifft. Dass Geburten, Hochzeiten, Todesfälle, Ehe-Zwistigkeiten, Diebstähle u. dgl. in einem Orte von 1296 Einwohnern nichts neues sind, versteht sich von selbst. — Und nun zur Sache.

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Unser Allerdurchl. Großherzog geruhten im Monat November bei einer Jagdpartie in der Mirowschen Forst vier Tage Hoflager hier zu halten, und auch unsere allgeliebte Landesmutter verweilten einen Tag in unserm Orte. Hierdurch wurde denn einigermaßen die sonstige Einförmigkeit und Stille in etwas unterbrochen. — Der erste Lehrer an dem hiesigen Großherzogl. Landschullehrer-Seminar wird uns zu Ostern verlassen; wohin sich aber derselbe begeben wird, ist uns eben so wenig bekannt, als durch wen dessen Stelle wieder besetzt werden soll. — Der zweite Lehrer an eben genannter Anstalt macht sich nicht nur durch den großen Eifer, das Christentum bei den Juden zu verbreiten, verdienstlich, sondern er hält seit einigen Monaten auch eine sogenannte Sonnlagsschule, in der er nach Beendigung der Nachmittagspredigt gegen 40 Gesellen und Lehrburschen im Schreiben und Rechnen unterweist. — Ad vocem Schule. Die Reform, welche mit unserer Ortsschule vorgenommen werden soll, erwarten wir mit Ungeduld. Das ehemalige Kavalierhaus des alten Schlosses ist zu den Lehrerwohnungcn schon seit Michaelis eingerichtet und das bisherige Waschhaus enthält die bereits mil Tischen und Bänken versehenen drei Schulklassen. Es fehlen uns nur noch die dabei anzustellenden Lehrer. Unsere schulfähige Jugend, die wir mindestens doch auf 200 Köpfe rechnen können, befindet sich aber doch nicht ohne allen Unterricht; denn unser Flecken zählt fünf einzelne Schulen. No. 1 ist die des Rektors, welcher an 80 Kinder in der Schule hat. No. 2 informiert ein Privatlehrer ungefähr 10 Kinder der Honoratioren. No. 3 hat der Küster eine Kompagnie von etwa 80 ABC-Schützen. No. 4 besuchen gegen 10 Kinder eine 80jährige Witwe und endlich in No. 5 lehrt eine Demoiselle von 60 und einigen Jahren ungefähr 20 Kinder in den Elementen.

Mit geistiger Nahrung sind wir auch so ziemlich versehen, nicht genug, dass wir Walter Scott, Schilling, Clauren und Konsorten kennen, erfreuen wir uns auch noch eines Journal-Lesezirkels, und der zweite Lehrer am Seminar hat kürzlich auch noch einen Lesezirkel von Erbauungsschriften eröffnet.

Durch die in der Prigniy häufig statt gehabten Feuersbrünste besorgt, existiert in unserm Orte seit ungefähr 2 Monaten auch eine Brandwache, welche des Abends um 6 Uhr in Wirksamkeit tritt und außer einem Revisor aus 4 diensttuenden Flecknern besteht, von denen 2 Hauseigner und 2 Mieter sind.

Um die Geselligkeit einigermaßen zu unterhalten, hat sich für die 6 Monate, vom ersten Oktober vorigen Jahres bis letzten März d. J. ein Klubb gebildet, der nur gegen 12 Mitglieder zählt, obgleich noch einmal so viel Teilnehmer hätten beitreten können. Wenn andere Städte, die mithin auch bevölkerter sind, als unser Flecken, nur einen, höchstens zwei Versammlungs-Abende bestimmen, so sind wir doch so vergnügungssüchtig, dass wir wöchentlich deren drei festgesetzt haben. Wie überall die Neuheit reizt, so auch hier. Jetzt soll der Klubb, wie es heißt, kaum vier Mitglieder noch zählen. Hierzu kommt, dass, da das Lokal nur einen Tag um den andern geheizt wird, diese wenigen Teilnehmer an den kalten Tagen, die wir gehabt, sich kaum vor Kälte haben regen können.

Auch bei uns trat die Kälte erst mit dem 8. Januar ein, an welchem Tage das Thermometer auf 8 Grad Reaumür stand. Am 9. 11 Gr., am 10. 16 Gr., am 11. die größte Kälte, nämlich 18 Gr,, am 12. 17 Gr. und am 13. 8 Gr. Mit diesem Tage trat Schneegestöber ein und das Thermometer zeigte uns an den folgenden Tagen dieses Monats eine Källe von 3 bis 8 Graden.

Mirow in Mecklenburg

Mirow in Mecklenburg

Mirow, Schulgebäude

Mirow, Schulgebäude

Mirow, Schlosskirche (Johanniter-Kirche)

Mirow, Schlosskirche (Johanniter-Kirche)

Scott, Walter Sir (1771-1832) schottischer Schriftsteller

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Clauren, Heinrich (1771-1854) deutscher Schriftsteller

Clauren, Heinrich (1771-1854) deutscher Schriftsteller

Schilling, Friedrich Gustav (1766-2839) deutscher Schriftsteller

Schilling, Friedrich Gustav (1766-2839) deutscher Schriftsteller