Mecklenburgs Stellung zum deutschen Zollverein

Autor: Redaktion - Allgemeine Zeitung, Erscheinungsjahr: 1841
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Mecklenburg, Zollverein, Handelsfreiheit, Hansestädte,
Aus: Allgemeine Zeitung. Mit allerhöchsten Privilegien. Chefredakteur: Gustav Kolb (1828-1865) [wikipedia: Unter seiner Regie entwickelte sich die Zeitung zu einem deutschen, weltbürgerlichen Weltblatt. Sein Bestreben war es eine unabhängiges, nicht einseitiges, parteiloses Organ zu sein. Er konnte zahlreiche bekannte Persönlichkeiten an sich und sein Blatt binden. Darunter bot er Heinrich Heine wie auch Karl Gutzkow trotz deren Publikationsverbot eine Plattform in seiner Zeitung an. Weiter schrieben für ihn Franz von Dingelstedt, Heinrich Laube, Berthold Auerbach, Levin Schücking, Friedrich von Bodenstedt, Wilhelm Heinrich Riehl, Ludwig Steub, Moritz Rugendas, Friedrich von Hegnenberg-Dux, Gustav von Lerchenfeld und Friedrich Engels.] Augsburg. Mai 1841

Wenn man einen Blick auf die Karte von Deutschland und auf die Lage der Mecklenburgischen Lande zwischen Elbe, Holstein, und vereinsländischem Gebiete wirft, und sieht, wie dieselben auf ihrer weit größten Grenze von den preußischen Provinzen Pommern und Brandenburg eng umschlossen werden, so kann man nicht wohl begreifen, was dem doch nach allgemeinen Ansichten so ratsamen Anschlusse Mecklenburgs an den großen Zollverband bisher im Wege gestanden haben mag. Aus Gründen höherer Politik kann es nicht unterblieben sein, denn Mecklenburg steht in jeder Hinsicht Preußen am nächsten, durch gemeinsame Interessen des Friedens und des Kriegs, durch Verwandtschaft und innige Befreundung der regierenden Familien; die ihm natürliche Politik besteht eben darin, sich an Preußen anzuschließen, und es befolgt dieselbe auch im Allgemeinen, vom Zollverbande abgesehen. Eben so wenig kann man es seinem Wunsche zur Isolierung beimessen, denn nicht nur besteht diese in andern Beziehungen nicht, sondern es sind auch die Nachteile für ein kleines Land wie Mecklenburg so bedeutend, dass sie die lebhafteste Begierde nach Absonderung überwiegen müssten. Es bleibt mithin kaum etwas Anderes zur Erklärung seiner im Handel ganz vereinzelten Stellung übrig, als das Interesse seiner mächtigen, gegenwärtig ganz zollfreien Ritterschaft. —

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Aus dem Beitritt Mecklenburgs würden ohne Zweifel beiden Teilen große Vorteile erwachsen; aber meiner Meinung nach hat doch Mecklenburg bei weitem mehr Gründe sich an den deutschen Zollverband anzuschließen, als dieser es aufzunehmen: denn diesseits wäre die Hauptrücksicht dabei die Aussicht, vermittelst Mecklenburgs Lübeck, Dänemark, Hamburg und der Nordsee näher zu kommen, die übrigen Beweggründe würden für den deutschen Zollverein nur untergeordneter Natur sein, während der Anschluss für das Nachbarland mehr und mehr eine Lebensfrage wird. Indes scheint es im jetzigen Augenblick, wo dem Zollverein mit Beginn seiner zweiten Periode so vielversprechende Erweiterungen in Aussicht stehen, eben so passend als wichtig, die Frage wegen Mecklenburgs Beitritt und der daraus zu erwartenden Vorteile schärfer ins Auge zu fassen. —

Die Mecklenburgische Grenze gegen das Vereinsgebiet umfasst etwa 52 deutsche Meilen, die zum Teil schwierig zu bewachen sind, und auf welchen in ihrer ganzen Ausdehnung lebhaft geschmuggelt wird, sowohl im Kleinen als im Großen, zum Nachteil der Zollkassen und der inländischen Industrie. Nach dem Anschluss (d. h. eines Gebietes von 280 Quadratmeilen mit 600.000 Bewohnern) sind dagegen nur 17 Meilen zu Lande, und eben soviel Küstengebiet, im Ganzen 34 Meilen zu überwachen; also bei beträchtlicher Ausdehnung des Vereinsgebiets hätte man doch 18 Meilen an Grenzbewachung gewonnen, man ersparte an Zollstätten und Zollbedienten bedeutend, man zerstörte einige Hauptsitze für Einschwärzung, erlangte eine kurze, herrliche Zollgrenze, und der Einnahme der Vereinskassen würde, auch nach Abzug des dann auf Mecklenburg kommenden Anteils von den Zolleinkünften, noch ein Zuwachs bevorstehen. Außerdem wäre es für den vereinsländischen Gewerbebetrieb, zunächst für die brandenburgischen und sächsischen Fabriken jeder Art, von großem Wert, freien Verkehr nach Mecklenburg zu haben, dort nicht mehr durch die lästigen mecklenburgischen Binnenzölle gehemmt zu werden, und die englische Fabrikwarenzufuhr durch eigene deutsche zu beschränken oder ganz zu ersetzen. Der Handelsverkehr zwischen Mecklenburg und dem Verein würde sich, ohne Nachteil für die Finanzen, zu beiderseitigem Besten bedeutend vermehren; die Erhebung des Mecklenburger Handels mit dem Ausland könnte aber dem Verein nur wünschenswert sein, da sie auch zu Gunsten der Vereinzollkasse geschähe; überhaupt würde alle Nebenbuhlerei hinsichtlich der Straßen, Eisenbahnen, Häfen, aufhören, indem die vereinigten Länder dann nur ein Interesse verbände. Zudem ist die Lage Mecklenburgs, seine ausgedehnte Küstenstrecke, die Fruchtbarkeit seines Bodens, die es zu einer Kornkammer macht, sehr wichtig. Jedenfalls würde sein Anschluss den Zollverein günstiger gegen die ihm noch nicht verbundenen norddeutschen Staaten stellen, die späteren Verhandlungen mit Lübeck, Hamburg, Hannover und Dänemark unterstützen, überhaupt ein größeres Gewicht in die Waagschale unseres Handelsbundes legen, indem jene Staaten den nicht nur für ihren Handel, sondern auch für ihren weiter vorgeschrittenen Gewerbefleiß wichtigen Markt im Mecklenburgischen einbüßten. Aller dieser unbestrittenen Vorteile wegen kann der Zollverein es nur wünschen, Mecklenburg in den Verband eintreten zu sehen. —

Wie aber verhält es sich nun mit den gewerblichen Interessen Mecklenburgs in Ansehung des Anschlusses? Das fruchtbare Land ist produktiv an rohen Erzeugnissen, vorzüglich Getreide und Wolle, die es gegen Manufaktur- und Kolonialwaren umtauscht. Seine Hauptausfuhr geht teils zur See, namentlich über Wismar und Rostock, teils nach Lübeck, Hamburg und ins Dänische zur Achse und auf der Elbe, teils ins Preußische. Auf denselben Straßen bezieht es seine Bedürfnisse. Tritt nun Mecklenburg dem Zollverbande bei, so wird seine Ein- und Ausfuhr zur See über seine Häfen nicht behindert, vielmehr, wie später erhellen wird, befördert; eben so wenig seine Ausfuhr in die Hansestädte und ins Dänische, da es hier keinen höheren Zoll wie bisher zu entrichten hat, und die Ausfuhr vom Verein nicht belästigt wird; dagegen starrt ihm die diesseitige Zollgrenze nicht ferner entgegen, sein Handel mit dem gesamten Vereinsgebiet wird frei und der Wert seiner Produkte so wie die Grundrente muss dadurch bedeutend steigen, alle seine Landbesitzer müssen dabei gewinnen. Überdies hat Mecklenburg jetzt eine Menge von Binnenzöllen, die fast in jeder Jurisdiktion erhoben werden. Durch dieses hemmende System wird der Bezug seiner Bedürfnisse sehr erschwert und die Waren ungleichmäßig verteuert, so dass die Einwohner etwa von Güstrow ungleich mehr Zoll bezahlen als die der Grenzorte. Durch seine Verbindung mit dem deutschen Zollverein würden nun alle Zölle an die Grenze verlegt, viele Zollstätten erspart, alle Städte und Landschaften eine gleiche Besteuerung erhalten und seinem gesamten Handel die größte Erleichterung zufließen. Als integrierender Teil des deutschen Zollverbandes würde es überhaupt an allen den Vorteilen Teil haben, die dieser seinen Mitgliedern gewährt, worunter freier Transit und ein gleichmäßiges Zollsystem gewiss schon höchst bedeutend sind. Hierbei kommen auch seine Häfen und die Eisenbahnen in Betracht. Die Hamburg-Berliner Bahn wird ohne Zweifel bald in Angriff genommen, ganz natürlich lehnt es dann daran eine Eisenbahn, die von der Elbe nördlich nach der Ostsee, etwa nach Wismar führt, dadurch gelangt sein ganzes Gebiet von der Elbe bis an die Ostsee also gleich in wirksamste Verbindung mit Hamburg, Magdeburg, Berlin, Leipzig, Dresden, vielleicht auch Prag, Wien, Nürnberg etc., woraus ihm bei freiem Verkehr, d. h. nach seinem Anschluss sowohl für seine Ein- und Ausfuhr als für seinen Transit außerordentliche Vorteile erwachsen müssen.

Vielleicht wird man entgegnen, Mecklenburg sei ein Agrikulturstaat, es habe so gut wie keine Fabriken und bei dem zollfreien Eingänge vereinsländischer Kunsterzeugnisse sei auch auf das Aufblühen eigenen Gewerbefleißes niemals zu hoffen? Der Einwurf ist engherzig, und weder Preußen noch Baiern haben so in Bezug auf Sachsen gedacht, dessen Fabriken höher stehen als die ihrer meisten Provinzen; doch er ist auch unbegründet, freilich hat Mecklenburg keine Fabriken, aber beweise dies denn, dass es solche überhaupt nicht haben kann? Es kommt nur auf die Ursachen an, welche bewirkt haben, dass es in gewerblicher Einsicht vielleicht von allen deutschen Ländern am weitesten zurückgeblieben ist, und solche sind, wie nahe liegt, allein folgende: 1) der Mangel eines nötigen Schutzsystems und 2) das beschränkte eigene Gebiet zur freien Konkurrenz. Diese Ursachen müssen gehoben werden, Mecklenburg muss aus seiner jetzigen Lage heraustreten, will es anders eine vermehrte Gewerbetätigkeit, das Aufblühen seines Handels erzielen, und durch dies einen nachhaltigen Aufschwung seines Ackerbaues, Erhöhung seiner Grundrente und überhaupt seiner allgemeinen Wohlfahrt. Es beweist Unkenntnis in der Geschichte des Handels, glauben, ein Land sei für alle Zeiten bestimmt bloßer Ackerbaustaat zu bleiben und einige rohe Landeserzeugnisse nach unsicheren auswärtigen Konjunkturen auszuführen: nur so lange Mecklenburg in seiner jetzigen Isolierung verharrt, wird es auch von Jahr zu Jahr mehr gegen seine Nachbarländer zurücktreten, da nicht bloß das Vereinsgebiet, sondern auch Holstein und Dänemark sich unter einem zweckmäßigeren Zollsystem bereits einer langsam aufkeimenden Industrie erfreuen. Der Anschluss an den deutschen Handelsbund gewährt ihm aber alles, dessen es bedarf: er gibt ihm, allerdings sehr mäßige, Schutzzölle, er eröffnet seinem freien Verkehr ein Gebiet von 27 Millionen Menschen. Sollte Mecklenburg nicht fühlen, wie schwer dieses für alle seine Interessen wiegt? Und die Meinung ist durchaus unhaltbar, dass es gegen die vereinsländische Industrie doch niemals aufkommen könne, oder mit andern Worten, dass es nie auch nur den Versuch wagen dürfe, eine glücklichere Stellung zu erringen. Gewiss, nach dem Beitritt wird auch allmählich in seinen Städten eine größere Gewerbetätigkeit aufleben, zumal in solchen Zweigen, die seiner Produktion und seiner maritimen Lage angemessen sind. Denn das Küstengebiet, besonders wo Wohlfeilheit der ersten Nahrungsbedürfnisse sich damit verbindet, eignet sich für viele Industriezweige bei weitem besser als das Binnenland, und wenn es nur gewerbefleißig sein will, so wird es mir allen Vereinsstaaten vollkommen wetteifern können. Vom vereinsländischen Gesichtspunkt aus kann dieses aber nur wünschenswert erscheinen, denn größere Bevölkerung, größerer Verkehr und Wohlstand und Erhebung zu den Gesamtinteressen erstarkt die Anhänglichkeit an die vaterländische, Glück und Ruhm gewährende Verbindung. Soll ich nun noch alle die Vorteile aufzählen, die der Landwirtschaft und den Grundbesitzern aus dem Aufblühen des städtischen Gewerbefleißes, des Handels und der vermehrten Bevölkerung, und dem sichern inländischen Absatz, ja auch schon bloß aus der freien Konkurrenz innerhalb des Vereinsgebiets erwachsen müssen —

Vorteile, die ihnen jedes Opfer, das sie durch Verzichtleistung auf Privilegien dem Vaterlande darbringen möchten, reichlich ersetzen würden, die alle Interessen gleich stark berühren und im ganzen Lande den einstimmigen Wunsch auf Anschluss an den deutschen Zollverband erwecken sollten? In politischer Hinsicht steht seinem Beitritt nichts entgegen, im Gegenteil seine natürliche Politik gebietet ihn. Noch viel weniger können finanzielle Rücksichten ein Hindernis bilden, der Vereinstarif enthält weniger Schutz- als finanzielle Zölle, sie sind wohlberechnet auf Erzielung möglichst großer Einnahmen; Mecklenburg würde seine indirekten Einkünfte zu mehrfachem Betrage erhöhen, und diese sind bei nur einiger gehöriger Anordnung, wie gewiss vom Vereinstarife zu rühmen, die bequemsten, zweckmäßigsten und billigsten Abgaben, da sie den Armen mit drücken und jedweder so zu sagen es in seiner Macht hat, je nach seinem Verbrauch viel oder wenig davon zu entrichten; es könnte mithin anderweitige Erleichterungen von drückenderen direkten Lasten allmählich eintreten lassen, und dabei noch immer Mittel genug zur wirksamsten Verwendung auf Straßen, Kanäle, Häfen, Eisenbahnen, Fabrikanlagen, Gewerbeschulen und ähnliche Anstalten erübrigen, wodurch es dann wieder zugleich die technische Ausbildung, das schnellere Aufblühen von Handel, Industrie und Künsten, also auch die Vermehrung der Staatseinkünfte begünstigte. Sind alle diese Gründe nicht einleuchtend genug für das entschiedene Interesse, das Mecklenburg hat, sich dem Zollverbande fest und innig anzuschließen? Wahrscheinlich würde dem von Seite der Regierung auch nichts entgegengestanden sein, wenn es nicht die leidigen Vorrechte der Ritterschaft mit ihrer Zoll-Immunität gehindert hätten. Hat aber Dänemark durch sein neues Zollgesetz nicht den Beweis gegeben, dass solche jedem guten Staatssystem widerstrebenden Privilegien, wie sie auch Ritterschaft und Geistlichkeit in seinen deutschen Herzogtümern genossen, gegen angemessene Entschädigung aufgehoben werden können? Auch die mecklenburgische Regierung kann ohne Zweifel im Interesse des ganzen Landes dasselbe vornehmen, und für diesen Fall ist der Ritterschaft der mecklenburgischen Lande ein leuchtendes Beispiel vorausgegangen: aus edelstem Patriotismus haben die holsteinischen Ritter und Prälaten alle Entschädigungsgelder für ihre verlorene Zollfreiheit dem Lande zu Straßen und sonstigen gemeinnützigen Anstalten überwiesen. Wir hegen die Überzeugung, Mecklenburgs Gutsbesitzer und Geistliche seien nicht weniger patriotisch, sie wollen nicht weniger für ihre Landsleute tun, nicht minder der Stimme des Landesfürsten entgegenkommen, als ihre Nachbarn, um so mehr als sie zugleich auch die Wohlfahrt und die Einigung des großen deutschen Gesamtvaterlandes ernsthaft dazu mahnt, und dass jetzt nur noch von hoher Stelle ein Impuls gegeben zu werden braucht, um hier dieselbe schöne Erscheinung wie in Holstein hervorgerufen und dadurch den deutschen Handelsbund östlich der Elbe bis nach Holstein, Lübeck und Travemünde erweitert zu sehen.

Schwerin - Totalansicht

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Warnemünde, Strom, Hafen und Leuchtturm

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Rostock - Kröpeliner Tor

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Rostock, Stadthafen, 1968

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Rostock - Markt, Marienkirche und Blutstraße

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