Mecklenburgerinnen als Ammen in Lübeck tätig -

Aus: Morgenblatt für gebildete Leser. 1851.
Autor: Willkomm, Ernst Adolf (1810-1886) deutscher Schriftsteller, Jurist und Philologe, Erscheinungsjahr: 1851
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Mecklenburg, Ammen, Lübeck, Sittenbild
Wie in Dresden schlanke, frische, junge Wendinnen, in Leipzig die derben, gewöhnlich sehr klotzig aussehenden Altenburgerinnen in ihrer schauerlichen Nationaltracht als Ammen gesucht werden, so sind in Lübeck vorzugsweise stämmige Mecklenburgerinnen für dieses Gewerbe bestimmt.

Die Lübeckerinnen scheinen überhaupt, sobald sie Mütter werden, ohne Amme gar nicht existieren zu können, wenigstens ist mir in ganz Deutschland keine Stadt bekannt, wo es deren so viele gibt, wie in diesem großer Bequemlichkeit ungemein zugetanen alten Hansasitze.

An schönen Sonn- und Feiertagen bringen sie einige Färbung in das etwas farblose, wenigstens sehr monotone Straßenleben der Stadt, denn dann gehen sie in ziemlicher Anzahl mit ihren Pflegebefohlenen auf dem Trottoir der Hauptstraße spazieren. Ihre Tracht ist sehr bunt, und wenn man das viele Flittergold mit in Anschlag bringt, das sie aus dem purpurgrundigen Brusttuche zur Schau tragen , auch reich. Ein dunkler faltiger Rock hüllt die festen Gestalten fast bis auf die Füße ein, umsäumt mit ebenfalls roter, silber- oder goldgestickter Kante. Das Haar bedecken sie mit golobrokatenen Mützchen, die fest anliegen. Anderer Schmuck fehlt auch nicht. Die weiten Ärmel von feinem Gewebe sind immer sauber und glänzend weiß.

Da ich der Mecklenburger Ammen erwähnt habe, sollte ich wohl auch ihrer mecklenburgischen Schwestern, in sofern sie nicht Aminen sind, und deren Tracht noch gedenken. Ich will jedoch einstweilen diese Skizze hier schließen, eine Fortsetzung derselben mir für ein andermal vorbehaltend.

Mutter und Kind beim Stillen

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