Mecklenburg, vom Eintritt in den deutschen Reichsverband bis zur Wiedervereinigung Stargards mit Mecklenburg. (1225—1471.) Teil 3

Aus: Geschichte von Mecklenburg von der ältesten bis auf die neueste Zeit
Autor: Dehn, Wilhelm Heinrich Martin (1801-?) Mecklenburger Theologe und Pädagoge, Autor von Schulbüchern, Erscheinungsjahr: 1836
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Mecklenburg-Vorpommern, Mecklenburg, Sitten-, Kultur- und Sozialkunde, Landesbeschreibung, Waldemar, Heinrich Borwin, Nicolaus von Mecklenburg, Hansestädte, Hamburg, Lübeck, Wismar, Rostock, Stralsund, Greifswald, Dom zu Güstrow, Kloster Dobertin, Münster Doberan, Zarrentin, Eldena, Marlow, Sülz, Salzquellen, Grevismühlen, Dassow, Klütz, Malchow, Röbel, Penzlin, Turne, Liez, Sternberg, Goldberg, Plau, Schloss Reichenberg, Schwaan, Werle, Ritter, Mittelalter, Kreuzzug, Christentum, Hanse, Hansa, Hansezeit, Seestädte
13. Mecklenburgische Linie (s. 7 u. 8). Nach dem i. J. 1301 erfolgten Ableben seines Vaters Heinrich I. (des Pilgers) befand Heinrich II. (der Löwe) sich im alleinigen Besitze der Herrschaft, da auch Gadebusch, dessen sich, wie bemerkt, sein Oheim Johann (II.) bemächtigt gehabt hatte, nach dem Tode desselben (1399 oder 1302), ihm wieder zugefallen war. Mit Nicolaus II. von Werle, der ihn vormals bei Parchim aus dem Felde schlug, als er sich der beiden Vatermörder angenommen hatte, schloss 1302 er eine Erbvereinigung (S. 12), nachdem Beide vergeblich versucht hatten, den von Nicolaus dem Kinde ins Land gerufenen König Erich von Dänemark wieder zu verdrängen. In Folge seiner Vermählung mit Beatrix von Brandenburg brachte er die Herrschaft Stargard als erbliches Lehn an sein Haus. Die Vettern des verstorbenen Markgrafen gaben ihre anfangs erhobenen Widersprüche zuletzt in dem Vertrage von Wittmannsdorf 1304 gegen Auszahlung einer Summe Geldes auf; doch ward Heinrich fortan als brandenburgischer Lehnsmann in manche Kämpfe verwickelt, die seinem feurigen Mut zusagen mochten, da er jede Gelegenheit willkommen hieß, wo Ruhm und Ehre zu erringen waren. Hierher gehören ein Kriegszug nach Böhmen, zum Beistand des Königs Wenzeslav gegen Albrecht von Österreich, eine kurze Fehde mit der Stadt Lübeck und ein Zug nach Schweden, zur Unterstützung des Königs Birger. So kam 1310 die Zeit heran, wo Heinrich die Vermählung seiner Tochter Mathilde mit dem Herzog Otto von Lüneburg auf das Feierlichste in Wismar zu begehen dachte. Mit der wachsenden Macht und dem vermehrten Reichtum der Hansestadt hatte indessen ihr Trotz und Stolz zugenommen, und wiederum schloss Wismar, auf den Beistand der verbündeten Hansestädte zählend, keck die Tore, unter dem Vorgeben, dass die Menge der mit zahlreichem Gefolge zum Fest erschienenen Fürsten und Ritter ihrer Freit und Selbständigkeit Gefahr bringe. Von seiner eigenen Hauptstadt ausgeschlossen, musste Heinrich das Beilager in Sternberg vollziehen lassen, aber von gerechtem Zorn über die ihm gewordene Kränkung erfüllt, rief er die Versammelten zu seiner Hilfe auf, um den Übermut der Hansestadt Wismar zu Strafen. Auch König Erich von Dänemark, der eben sich in seiner Herrschaft Rostock aufhielt, sagte bereitwillig seinen Beistand zu, da auch er ähnliche Klagen gegen die Hansestadt Rostock führen mochte. Es ward demnach eine große Fürstenversammlung für das kommende Frühjahr in Rostock angesetzt und ein großes Turnier, welches Erich daselbst abhalten wollte, sollte als Vorwand dienen. (1311) der Tag erschien, mit ihm die Geladenen, zu welchen außer den wendischen Fürsten die Herzöge von Sachsen und Braunschweig, die Markgrafen von Brandenburg, die Grafen von Holstein, Schwerin und Wittenburg, die Erzbischöfe von Bremen und Magdeburg gehörten, eine Menge Bischöfe und Ritter aus Dänemark und allen Teilen Deutschlands nicht zu zählen. Die Hansestadt Rostock verschloss jedoch ebenfalls die Tore, und daher mussten die Festlichkeiten vor der Stadt, im sogenannten Rosengarten, Statt finden, Nach Beendigung derselben beschlossen die versammelten Fürsten, zuerst die Hansestadt Wismar zu züchtigen. Es ward sofort von der Land- und Seeseite eng eingeschlossen; aber alle Stürme wurden mutig abgeschlagen, und zur See gewann sogar die städtische Flotte, von den Hansestädten Rostock und Stralsund unterstützt, die Oberhand. Es kam daher zu einem Frieden, den Nicolaus II. von Werle zu vermitteln suchte. Die Stadt Wismar huldigte ihrem Landesherrn aufs Neue und musste einige erworbene Rechte aufgeben, erhielt aber die Freiheit bestätigt, verbündeten Städten Kriegshilfe leisten zu dürfen. Nun sollte Rostock, das Erich mit manchen Handelsfreiheiten in den dänischen Staaten beschenkt hatte, für seine Widersetzlichkeit gestraft werden, nachdem vorher Heinrich zum Statthalter der Herrschaft Rostock von ihm ernannt worden war. Dieser säumte auch nicht, die Hansestadt einzuschließen und die Warnow durch Anlegung zweier Blockhäuser zu sperren. Die Rostocker indessen erklärten ihren früheren Gebieter Nicolaus (das Kind), der sich in der Stadt befand, für ihren rechtmäßigen Herrscher, zogen dann vor die Blockhäuser, brannten sie nieder und erbauten nun ihrerseits ein festes Werk bei Warnemünde mit solchem Eifer und mit solcher Schnelle, dass sie selbst den Turm der Petri-Kirche abtrugen und die Steine zum Bau verwandten. Zugleich plünderten sie die dänischen Küsten und legten mehre Städte in Asche. Da beschloss Erich denn in eigener Person den Angriff zu leiten; mit einem großen Gefolge kam er 1312 wieder herbei und belagerte den festen Turm in Warnemünde. Die tapfere Besatzung hielt sich beinahe ein Vierteljahr, bis der Hunger sie zur Übergabe zwang; doch erhielt sie freien Abzug. Nun legten die Verbündeten sich vor Rostock selbst; die Brandenburger Markgrafen und der Herzog von Lauenburg gehörten zu ihnen. Aber mit der Nähe der Gefahr wuchs auch der Mut der Bürgerschaft; je heftiger die Angriffe wurden, desto mutiger wurden sie abgeschlagen; zur See war die städtische Flotte sogar wieder Siegerin. Erich ward zum Abzuge gezwungen und schon wollte auch Heinrich die Belagerung gänzlich aufheben, als ein Ereignis eintrat, welches den Frieden zurückführte. Nicht nur vor den Toren der Stadt hatte seither der Kampf gewütet, sondern auch innerhalb ihrer Mauern war der blutigste Bürgerkrieg entbrannt. Heinrich Runge, ein Mann, wie ihn die Zeiten hervorbringen, wenn die Gewalt das Recht vertritt, wenn im unseligen Parteienkampf alle Leidenschaften entfesselt sind und wutentbrannt das Bestehende zertrümmern, hatte, durch Ehrgeiz und Herrschsucht angespornt, sich unter den Handwerkern einen mächtigen Anhang geworben, hierauf den Rat, der sich zum Frieden hinneigte, des Treubruches angeklagt und die Mitglieder desselben, welche in seine Gewalt fielen und zu denen sein eigener Bruder gehörte, hinrichten lassen. Bald aber gewann die Kaufmannschaft, die am Meisten durch den gehemmten Handelsverkehr beschädigt wurde, die Oberhand und Runge ward mit einer Menge seiner Anhänger aus Rostock verbannt. Ihre Vertreibung entfernte auch alle Hindernisse, welche einem Vergleich entgegenstanden. Die Stadt leistete in Heinrichs Hand dem König aufs Neue den Huldigungseid und machte sich anheischig, da durch die glücklichen Ausfälle viele Verheerungen angerichtet waren, 14.000 Mark Silber — eine Mark zu 12 Thlr. gerechnet — als Ersatz zu zahlen; die alten Freiheiten wurden ihr bestätigt, aber die Warnemünder Feste von verbündeten Kriegsvölkern besetzt.

So war denn der Friede wiederhergestellt, doch für den kriegslustigen Heinrich nicht an Ruhe zu denken. Schon im kommenden Frühjahr d. J. 1313 zog er dem Könige Erich zu, in dessen eigenen Staaten jetzt ein blutiger Bürgerkrieg entbrannt war, und half die Aufrührer besiegen. Dann trat er, ganz im Geiste jener Zeit, eine Wallfahrt nach einem wundertätigen Marienbilde an. Während seiner Abwesenheit setzte Heinrich Runge sich wieder in Rostock fest und brachte es dahin, dass ein sogenannter neuer Bürgerbrief, der die Rechte der Bürgerschaft gegen die Anmaßungen des Rats sichern sollte, Anerkennung fand. Als Heinrich nun von seiner Pilgerfahrt zurückkehrte, traten diejenigen Mitglieder des alten Rats, welche früher dem Henkerbeile glücklich entflohen waren, ihn mit der Bitte an, sie in ihre vormaligen Rechte wieder einzusetzen, indem sie dabei versicherten , auf einen starken Anhang in der Stadt zählen zu können, und zugleich versprachen, dass Heinrich für die Folge Teil an der Wahl des Raths haben und ihm zu jeder Zeit Eintritt in die Stadt erlaubt werden solle. Heinrich sagte ihnen den erbetenen Beistand zu und nahm durch List das Steintor ein. Schon drangen die Fürstlichen bis zum Markt vor, als die Sturmglocken anschlugen und die Bürgerschaft in die Waffen riefen; Heinrichs Truppen wurden bis ans Tor zurückgeworfen, wo sie sich aber festsetzten, bis er selbst erschien. Der Kampf hörte auf und es kam zu Unterhandlungen, die endlich damit endeten, dass Runge aufs Neue geächtet und die alte Verfassung hergestellt ward, wogegen Heinrich das Steintor wieder räumte.

Das folgende Jahr (1314) wurde für Heinrich dadurch bezeichnend, dass der Tod ihm seine Mutter Anastasia und seine Gemahlin Beatrix raubte. Beinahe gleichzeitig starb Nicolaus (das Kind) von Rostock; mit ihm erlosch die rostocksche Linie und die Besitzungen, welche Erich ihm noch gelassen hatte, fielen Heinrich II. von Mecklenburg und Nicolaus II. von Werte zu gleichen Teilen anheim (s. 12). Aber schon standen neue Kämpfe dem kriegslustigen Heinrich bevor. Die Hansestadt Stadt Stralsund, von einem gleichen Streben nach Unabhängigkeit geleitet wie die Hansestädte Rostock und Wismar, hatte ebenfalls jedes Band der Abhängigkeit, das sie an ihren Landesherrn, des Fürsten Witzlav von Rügen knüpfte, zu lösen gesucht und wurde in ihrem Beginnen von dem streitsüchtigen Markgrafen Waldemar unterstützt. Der Fürst Witzlav aber war dänischer Lehnträger und Heinrich daher als Statthalter des Königs Erich in der Herrschaft Rostock verpflichtet, demselben Kriegshilfe zu leisten. Nach mehren blutigen, aber nicht entscheidenden Gefechten, kam es bei Gransee (Schulzendorf) in der Mark 1316 zu einem Haupttreffen, in welchem Heinrichs Tapferkeit den Sieg errang. Schon vorher war Johann II. von Werle-Güstrow (s. 15), der zu den Brandenburgern gehalten hatte, von Heinrich gefangen und von ihm verpflichtet worden, gegen den Markgrafen zu streiten. In Folge der erlittenen Niederlage bot Waldemar die Hand zum Frieden, der nach langen Unterhandlungen 1317 zu Templin zu Stande kam. Die Gefangenen wurden gegenseitig ausgewechselt und die gemachten Eroberungen zurückgegeben. Demnach erhielt Waldemar die Feste Eldenburg und das Land Wredenhagen, dessen Heinrich sich bemächtigt hatte, unter dem Versprechen zurück, dass jene Lande an Mecklenburg fallen sollten, wenn das markgräfliche Haus erlöschen würde. Aber noch größere Früchte waren dem Sieger als Lohn seiner Taten und als Entschädigung für die gebrachten Opfer beschieden: Heinrich wurde vom König Erich mit der Herrschaft Rostock unterpfändlich belehnt.

Von dem einen großen Gedanken geleitet, das Haus Mecklenburg an Macht und Ehren reich zu machen und für die Zukunft fest zu gründen, hatte Heinrich seine ganze Kraft darauf verwendet, dem gesteckten Ziele nahe zu kommen. Sein Leben war daher bis dahin nur eine selten unterbrochene Reihe von Kämpfen gewesen, und auch jetzt kehrte er nicht in die Heimat zurück, um der Ruhe zu pflegen, obschon er im J. 1315 eine zweite Ehe mit Anna von Sachsen-Wittenberg, verwitweten Landgräfin von Thüringen, geschlossen hatte. Wir übergehen aber diese minder wichtigen Fehden, da schon die nächsten Jahre Ereignisse heraufführten, die in ihren Folgen so bedeutungsschwer für Mecklenburg werden sollten. König Erich und der Markgraf Waldemar starben nämlich fast zu gleicher Zeit. Nun glaubte Heinrich 1309 nicht länger zögern zu dürfen, um den Rest der dänischen Obergewalt für immer zu vernichten, denn die Bande der Dankbarkeit und Freundschaft, welche ihn seither an Erich knüpften, hatte der Tod zerrissen. Doch war Dänemarks neuer König Christoph nicht gesonnen, ohne Widerstand die Eroberung seines Vorgängers aufzugeben; er verbündete sich mit mehren Fürsten, zu Denen selbst die werleschen gehörten. Aber nicht weniger staatsklug als kampflustig zögerte auch Heinrich nicht, sich einen mächtigen Bundesgenossen zu erwerben, indem es ihm gelang 1321, seinen ältesten Sohn Albrecht mit Eufemia, der Schwester des jungen Königs Magnus von Schweden, zu verloben. Vorher schon hatte er, da das Haus der Markgrafen ausgestorben war, Stadt und Land Grabow eingenommen, das früher, ehe es an Brandenburg kam, den Grafen von Danneberg gehörte und nun von Heinrich als ein erbliches Lehn an Wipert von Lützow verkauft wurde, dessen Nachkommen es bis zum J. 1493 besaßen. Heinrich drang hierauf weiter in die Mark vor und eroberte mehre Städte und Burgen. Durch den raschen und siegreichen Erfolg seines Kriegszuges mehrte sich aber auch der Neid seiner Gegner, zu denen sich noch die werleschen und pommerschen Fürsten, der Herzog von Braunschweig, der Erzbischof von Magdeburg, der Graf von Wittenburg und der Bischof Hermann von Schwerin gesellten; nur der Graf Heinrich IV. von Schwerin blieb Heinrichs treuer Waffengefährte. Indessen nun Heinrich mit seinen sieggewohnten Schar in das Gebiet der Feinde vordrang, den Erzbischof von Magdeburg zum Frieden zwang und den Fürsten Witzlav von Rügen, der Ribnitz belagerte, aufs Haupt schlug, wurden seine eigenen Lande und das Gebiet seines Bundesgenossen vom Feinde hart bedrängt. Schwerin widerstand dem Bischofe, der es belagerte; aber die gräfliche Burg Plat und das fürstliche Schloss Mecklenburg wurden von den Feinden erobert und niedergebrannt. Heinrich sammelte daher seine Schaaren, eilte schnell herbei, fiel in die Lande seiner werleschen Vettern, die nur aus Neid und Eifersucht 1322 zu den Waffen gegriffen hatten, und schlug sie bei Friedrichsdorf aufs Haupt. Dieser entscheidende Sieg führte den Frieden herbei und selbst König Christoph von Dänemark trat in einem 1323 zu Nyköping geschlossenen Vertrage die Herrschaft Rostock als ein erbliches Lehn an Heinrich ab, wogegen Dieser allen weitern Forderungen für vormals geleistete Kriegshilfe entsagte und zugleich von dem neuen Markgrafen Ludwig dem Bayer, gegen Zurückgabe aller sonstigen Eroberungen, eine Entschädigungssumme und Grabow, das er bereits an Wipert von Lützow verkauft hatte, nebst Meienburg pfandweise erhielt. So ehrenvoll und vorteilhaft der Krieg auch für Heinrich endete, hatte er, dennoch, um sich gegen die Menge seiner Feinde verteidigen zu können, nicht nur die frühere Schuldenlast noch vergrößern und manche Besitzungen (z. B. die Insel Poel) verkaufen müssen, sondern er war selbst genötigt gewesen, seinen Untertanen, weltlichen wie geistlichen Standes, eine außerordentliche Steuer aufzulegen. Dies war der Grund gewesen, weshalb sich der fehdelustige Bischof Hermann von Schwerin zu seinen Feinden gesellt und der Bischof Markward von Ratzeburg den Kirchenbann über ihn ausgesprochen hatte, eine Waffe, wider welche Heinrich nicht anzukämpfen vermochte; es blieb ihm kein anderer Weg, sich mit der Kirche zu versöhnen, als der, bei dem Bischofe Abbitte zu leisten. Da erst öffneten sich die Pforten der verschlossenen Gotteshäuser, des Priesters Mund verkündete wieder an heiliger Stätte das Wort des Herrn, die verstummten Glocken ertönten aufs Neue, dem Volke die frohe Kunde zurufend, dass der irdische Herrscher sich mit dem himmlischen versöhnt habe, und Heinrich gründete zum Andenken dieser Sühne das Nonnenkloster zu Ribnitz.

Mochte er jetzt auch den Abend seines sturmbewegten Lebens in friedlicher Ruhe zu beschließen gedenken, so führte das Erlöschen des rügischen Fürstenhauses ihn doch wieder 1325 in die Kampfbahn, indem der gleichzeitig durch den Herzog Waldemar von Schleswig entthronte König Christoph von Dänemark, in der Hansestat Rostock einen Zufluchtsort suchend, ihn und die werleschen Fürsten (s. 15), welche ebenfalls, obgleich erfolglos, wider Waldemar Kriegshilfe geleistet hatten, mit jenem erledigten Lande belehnte. Das sollte jedoch erst erobert werden, denn der Herzog Wertislav von Pommern-Wolgast machte in Folge einer Erbverbrüderung und als Schwiegersohn des verstorbenen Herzogs Witzlav ähnliche Ansprüche und ward darin von dem neuen Könige Waldemar III. unterstützt. Starb zwar auch Wertislav bald darauf, so wusste doch die Vormundschaft seiner Söhne sich im Besitze zu behaupten. Heinrich und die werleschen Fürsten mussten in dem 1328 zu Bruderstorf geschlossenen Frieden sich mit einer Geldentschädigung zufrieden geben und erhielten bis zu deren Abtragung Tribsees, Grimm und Barth als Unterpfand. Im vorhergehenden Jahre hatte Heinrich seine Gemahlin verloren; er vermählte sich daher jetzt zum dritten Male mit Agnes, der Witwe des verstorbenen Witzlav. Aber er stand bereits am Ziele seiner irdischen Laufbahn; denn im folgenden Jahre (21. Jan. 1329) ereilte ihn der Tod. Vorher ordnete er eine Vormundschaft für seine aus der zweiten Ehe entsprossenen Sohne Albrecht und Johann an, bedachte die geistlichen Stiftungen mit reichen Geschenken und traf Vorkehrungen, die einige drückende Lasten des Volks aufheben sollten. Dann schied er in dem Bewusstsein von dieser Welt, dass er das Ziel, dem er mit seiner ganzen Kraft nachgerungen, auch glücklich und ehr- und ruhmgekrönt erreicht habe, nämlich die feste Begründung des Hauses Mecklenburg, wenn gleich er viele Güter hatte verpfänden müssen und das Land von Schulden gedrückt wurde. Im Kloster zu Doberan ward den irdischen Resten dieses Fürsten, der durch wahre Herrschergroße sich die Achtung und Bewunderung seiner Zeitgenossen errang, eine Stätte.

14. Die vormundschaftliche Regierung, welche Heinrich bei der Annäherung des Todes für seine minderjährigen Sohne einsetzte, bestand aus einer Anzahl Edelleute und den Magistraten der Hansestädte Wismar und Rostock; aber sie entbehrte der notwendigen Eintracht, da ihre Interessen zu verschiedenartig waren. Der Adel war vielleicht zu nachsichtig gegen das wieder zunehmende Unwesen der Raubritter, während die beiden Seestädte immer weniger abhängig von aller landesherrlichen Oberherrschaft zu werden trachteten. Zuletzt wurden die Letzteren ganz aus der Vormundschaft verdrängt. Die werleschen Fürsten, welche in Folge des i. J. 1302 geschlossenen Erbvertrags gleichfalls und nicht ohne Recht auf die Führung der vormundschaftlichen Regierung Anspruch machten, wurden durch eine Geldentschädigung abgefunden (S. 15). Eine der ersten Handlungen der vormundschaftlichen Räte war die Nachsuchung der Belehnung über die Herrschaft Rostock von Seiten Dänemarks. Ebenso wurden die Lehnsverhältnisse mit Brandenburg wegen Stargard, Wesenberg und der Eldenburg mit dem dazu gehörenden Landesteile erneuert; auch ward Meienburg mit der darauf haftenden Schuld an dasselbe zurückgegeben und dafür Strelitz, Arensberg und Neuendorf erworben. So freilich das Land gegen Außen sichernd, war das von den adeligen Rächen im Inneren geführte Regiment, mir dem sich Willkür und Eigennutz paarten, doch von der Art, dass vornämlich in den Städten eine allgemeine Klage laut wurde. Es war daher ein Glück für das Land, dass der Ältere der beiden Brüder, Albrecht II. (geb. etwa 1317), früh zur Selbstständigkeit gelangte und die Regierung antrat. Das Jahr lässt sich nicht genau angeben; wahrscheinlich war es aber 1335, in welchem Jahre Albrecht auch die Vermählung mit seiner verlobten Braut Eufemia von Schweden vollzog. In ihm war seines Vaters Heldengeist fortgeerbt und daher zögerte er auch nicht, den Raubadel zu verfolgen und dem Lande die verlorene Ruhe zu verschaffen; diejenigen Räte, welche seine Gesinnung nicht teilen, entließ er. Allein, verfuhr er mit zu harter Strenge, oder wirkten andere Ursachen ein, wie denn die Ritterschaft viele herrschaftliche Besitzungen unterpfändlich besaß, wodurch leicht Misshelligkeiten veranlasst werden konnten; genug, unter dem Adel herrschte ein allgemeines Missvergnügen, das zuletzt in offene Empörung ausbrach. Albrecht verlor aber nicht den Mut in dieser bedrängten Lage, und mit der wirksamen Hilfe der Hansestädte Rostock und Wismar, sowie mit dem Beistand seiner werleschen Vettern und der stargardischen Ritterschaft, die in ihrer Treue nicht wankte, gelang es ihm, die angefachte Flamme des Aufruhrs zu ersticken. Den beiden Städten lohnte er die bewiesene Anhänglichkeit durch manche Gunstbezeigungen und blieb ihnen während seiner ganzen Regierungszeit mit fester Freundschaft zugetan, denn er hatte in der Stunde der Gefahr erkannt, wie wirksam ihre Hilfeleistungen waren, und die Hansestädte wiederum, die damals den Glanzpunkt ihrer Macht erreicht hatten und selbst die nordischen Reiche mit Krieg zu überziehen wagen durften, erkalteten nicht in ihrer Anhänglichkeit an einen ihnen so wohlgesinnten und so tatkräftigen Herrscher, der ihren Handel beschützte und die Landstraßen vor dem Raubadel, den er schonungslos verfolgte, sicher stellte. Daher unterstützte Albrecht 1343 denn die sechs verbündeten Hansestädte Hamburg, Lübeck, Rostock, Wismar, Stralsund und Greifswald selbst gegen seinen nahen Verwandten, den König Magnus von Schweden, der ihnen die verliehenen Handelsrechte entziehen wollte, und vermittelt für sie den vorteilhaftesten Frieden. Aber er vergaß dabei auch nicht, sein eigenes Haus durch Macht und Größe zu mehren und zu festigen und schloss deshalb, wie mit den werleschen Vettern, so auch mit den Grafen von Schwerin-Wittenburg und Schwerin-Boitzenburg — das gräfliche Haus Schwerin-Schwerin starb u diese Zeit aus und fiel den beiden anderen Linien, die gleichfalls dem Erlöschen nahe waren zu — einen Erbvertrag. An diesen Verhandlungen hatte Albrechts Bruder Johann (IV.), der eben die Volljährigkeit erreichte, bereits als Mitregent Teil genommen (1344). Wenn aber beide Fürsten aus einem politischen Ereignis, das nach einigen Jahren die benachbarte Mark zum Schauplatze des blutigsten Bürgerkrieges machte, Vorteil zu ziehen trachteten, so sucht man vergebens nach einem Grunde, der ihre Einmischung in eine von Eigennutz und Parteihass angezettelte Betrügerei entschuldigen und ihren Treubruch rechtfertigen könnte. (1347) Es war nämlich der Kaiser Ludwig der Bayer gestorben, der früher seinem Sohne Ludwig das Markgrafentum Brandenburg als ein eröffnetes Reichslehen übergeben hatte. Diesen Todesfall benutzten nun seine Gegner, an deren Spitze der zum deutschen König erwählte Karl IV. stand, um ihm das verliehene Markgrafentum wieder zu entreißen, und bedienten sich zur Erreichung ihrer Absicht eines Betrügers, der sich für den 1319 verstorbenen Markgrafen ausgeben musste und in der Geschichte unter dem Namen „der falsche Waldemar“ bekannt ist. So offensichtlich auch der Betrug war und die Angabe dieses Abenteurers, dass er, von Gewissensbissen gefoltert, weil er mit seiner Gemahlin zu nahe verwandt gewesen, das Gelübde getan gehabt habe, bis zu deren Tode als Pilger die Welt zu durchziehen, auch der geringsten Wahrscheinlichkeit entbehrte; so wurde doch der beabsichtigte Zweck, den unruhigen märkischen Adel wider seinen Landesherrn in die Waffen zu rufen, erreicht, ja Karl IV. ging selbst so weit, dass er diesen Betrüger förmlich mit der Markgrafschaft belehnte. Zugleich suchte er die mecklenburgischen Fürsten, die wegen Stargard zum Margrafen Ludwig in Lehnverhältnissen standen, dadurch für den „falschen Waldemar“ zu gewinnen, dass er ihre Lehnpflicht gegen Brandenburg auflöste, ihnen die Herrschaft Stargard als ein unmittelbares Reichslehen übergab und sie selbst zu wirklichen Reichsfürsten erhob, indem er zugleich die Herrschaft Mecklenburg durch königlichen Machtspruch zu einem Herzogtum erhob. (1348) Die Belehnung erfolgte zu Prag (8. Jul.), wo in Gegenwart vieler Reichsfürsten die neuen Herzoge Albrecht und Johann in althergebrachter Weise zu des Königs Händen den Eid der Treue ablegten. Die neue Erwerbung musste aber erst durch Blut erkauft werden, denn nach Rache dürstend brach der von Zorn entbrannte Markgraf in die mecklenburgischen Lande ein, mit seinen zahlreichen Feinden einen Kampf auf Leben oder Tod beginnend. Auch fehlte es ihm nicht an Verbündeten, zu denen sein Schwager Waldemar III. von Dänemark und Fürst Nicolaus III. von Werle-Güstrow gehörten. Ersterer erklärte die Herrschaft Rostock für ein verwirktes Lehn. Dagegen eroberten die mecklenburgischen Herzoge Stadt und Land Fürstenberg, das sie, als endlich ein Friede zu Lübeck vermittelt wurde (8. Mai 1350), behielten und als abgesonderte Grafschaft nebst dem Schloss Strelitz denen von Dewitz für geleistete Hilfe verliehen. Um den geschlossenen Frieden noch dauernder zu machen, fand eine Verlobung zwischen Albrechts ältestem Sohn Heinrich und Waldemars Tochter Margaretha Statt; da Diese jedoch gleich darauf starb, ward ihre Schwester Ingeburg des Prinzen Braut.

Auf eine ähnliche Weise endigte eine Fehde mit dem Grafen Otto von Schwerin-Wittenburg, der, nachdem die drei gräflichen Linien ausgestorben waren, die frühere Grafschaft wieder zu einem Ganzen vereinigt und seinen Sitz in Schwerin genommen hatte. Die mecklenburgischen Herzöge suchten hieraus Vorteil zu ziehen, und obgleich der Fall noch nicht eingetreten war, wo sie in Folge der geschlossenen Erbverbrüderung von der erledigten Grafschaft Besitz ergreifen konnten, so versuchten sie doch einen Teil derselben schon jetzt zu erwerben, indem sie die nachgelassene Witwe des Grafen Nicolaus IV. von Schwerin-Boizenburg beredeten, ihnen ihr aus Stadt und Land Crivitz bestehendes Leibgedinge zu verkaufen. Dem widersetzte sich Graf Otto, diesen Verkauf als einen Eingriff in seine Rechte betrachtend; aber so tapfer er auch sein Erbe verteidigte, so mutig auch die Schweriner jeden Sturm abschlugen, so konnte er der Übermacht doch nicht auf die Länge widerstehen und fiel zuletzt in die Gefangenschaft der Herzöge. (1352) Aus dieser löste ihn ein Eheverlöbnis, das zwischen seiner einzigen Tochter Richardis und Albrechts zweitem Sohn Albrecht geschlossen wurde, und das als Unterpfand abgetretene Land und Stadt Boizenburg. Weniger vom Glück begünstigt wurden aber die mecklenburgischen Herzöge in einem bald darauf beginnenden Kriege mit den pommerschen Herzögen wegen der im Bruderstorfer Frieden erhaltenen Pfandländer (s. 13), da sie beim Friedensschluss zu Stralsund (1354) den Besitz des Landes und der Stadt Barth aufgeben mussten; die mit ihnen verbündeten Werler verloren gleichfalls Stadt und Land Grimmen.

Aber schon vor Beendigung dieses Krieges hatten die beiden Brüder den Entschluss zu einer Landesteilung gefasst.

Nach einem zu Wismar (25. Nov. 1352) geschlossenen Vertrage erhielt Johann I. (IV.) das Land Stargard mit der Lehnshoheit über die Grafschaft Fürstenberg, welche denen von Dewitz verliehen war; ferner Stadt und Land Sternberg, die Eldenburg mit dem Lande Ture und alle in der Mark gelegene Güter und Städte, welche an Mecklenburg vom Markgrafen Ludwig verpfändet waren, oder, im Falle ihrer Wiedereinlösung, den Pfandschilling. Den übrigen Teil des Landes behielt Albrecht II., der zugleich sämtliche Schulden übernahm. So entstanden denn zwei mecklenburgische Regierhäuser, doch blieb beiden Herzögen die gesamte Hand, d. h. beim Aussterben der einen Linie sollte der andern die Erbfolge werden.