Mecklenburg – Beteiligung der Gutsangehörigen am Reingewinn 1847

Aus: Wochenblatt für die Praktische Landwirtschaft. 1867
Autor: Redaktion: Wbl. f.d.p.L. Dr. Fraas, Erscheinungsjahr: 1867
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Mecklenburg, Landwirtschaft, Gutswirtschaft, Beteiligung, Gewinnbeteiligung, Erträge, Dorfbewohner, Rostocker Zeitung, von Thünen-Tellow
Unter den liberalen Reichstagsvertretern Mecklenburgs befindet sich ein Herr von Thünen-Tellow, dessen verstorbener Vater, der Verfasser des in der nationalökonomischen Literatur hervorragenden Buches „Der isolierte Staat“, auf seinem Gut Tellow schon vor zwanzig Jahren ein System der Beteiligung der Gutsangehörigen am Reingewinn eingerichtet hat, das heute noch besteht. Dasselbe trat am 1. Juli 1847 ins Leben und überdauerte sowohl die Revolution als die Reaktion, letztere natürlich nur vermöge der standhaft und entschieden liberalen Gesinnung von Vater und Sohn.

*******************************
Die Rostocker Zeitung teilt die Grundzüge dieser Einrichtung wie folgt mit: Die Einnahmen, an welchen die Dorfbewohner einen Anteil haben, sind die Einnahmen für verkauftes Korn aller Art (soweit es nicht an die Dorfbewohner selbst verkauft wird), für Raps, Rübsen, Dotter und andere Ölgewächse, für Samenklee und Grassaat, für Kartoffeln (mit Ausschluss der an die Dorfleute verkauften), für das aus der Tellower Holzung verkaufte Holz, die Einnahmen aus der Schäferei und Holländerei. Am Schlusse jedes Rechnungsjahres wird der gesamte Vorrat an Korn, sowie an Öl-, Klee- und Grassamen aufgemessen und zu näher angegebenen festen Preisen veranschlagt. Ergibt sich, dass der Wert des Vorrats am Schluss des Rechnungsjahres größer ist, als am Anfang, so wird der Mehrbetrag der Einnahme aus dem Gute hinzugerechnet; ergibt sich ein Minderwert, so wird derselbe von der Einnahme in Abzug gebracht. Ebenso wie beim Korn wird auch der Mehr- oder Minderwert der Kühe, Schafe und Schweine nach festen Sätzen ermittelt und die Einnahme zu- oder abgerechnet. Von der auf diese Weise ermittelten Einnahme sollen nachstehende Ausgaben abgezogen werden:

Die Ausgaben für angekauftes Korn, Ölgewächse, Kartoffeln, Klee- und Grassamen, für angekaufte Kühe, Schweine und Schafe, für Kriegssteuern und Kriegskosten, der die Entschädigung übersteigende Verlust bei Brandunglück. Wenn nach Abzug dieser Ausgaben, die nach obiger Bestimmung ermittelte Einnahme die Summe von 5.600 Thlr. übersteigt, so soll von diesem Mehrertrage jedem Dorfbewohner ein halbes Prozent zu Gute geschrieben werden. Die daran teilnehmenden Dorfbewohner sind:

1) alle arbeitsfähigen, im Besitz einer Wohnung befindlichen, mit Mann und Frau oder statt letzterer mit einem Dienstboten arbeitenden Taglöhner;
2) die Deputatisten, die Statthalter, der Vorhäcker, der Stellmacher, der Holzwärter, der Kuhhirte;
3) der Schullehrer, der Schäfer, der Weber;
4) die Knechte, deren Frauen im Dorfe wohnen und für das Gut arbeiten. Wenn in unergiebigen Jahren die Einnahme weniger als 5.600 Thlr. beträgt, wird der Minderbetrag von der Einnahme des nächsten oder der nächstfolgenden Jahre abgezogen. In Fällen von Veruntreuung und Diebstahl, sowie ernster Vergehen behält sich der Gutsherr den Ausschluss von der Tantieme für immer oder für gewisse Jahre vor. Der Zweck der Einrichtung ist:

1) dass die Dorfbewohner an das Interesse des Gutsherrn gekettet werden;
2) dass die Arbeiter sich einer stetig wachsenden Einnahme erfreuen sollen;
3) dass ihnen ein sorgenfreies Alter gesichert wird, und sie nicht darben noch ihren Kindern zur Last fallen, diesen vielmehr noch etwas hinterlassen können.

Zur Ausführung der Einrichtung erhält jeder Dorfbewohner ein Sparkassenbuch, in welchem sein Anteil an der Gutseinnahme jedes Jahr verzeichnet wird. Der Gutsherr verzinst die Summe jährlich mit 2 Sh. vom Thaler. Das Kapital ist beiderseits bis dahin unkündbar, wo der Inhaber das 60. Lebensjahr erreicht hat. Dann wird ihm sein Kapital zur freien Verfügung gestellt. Stirbt der Mann vor dem 60. Lebensjahre, so vererbt das Kapital an seine Witwe. Nach vieljährigem Durchschnitt beträgt das für den Dorfbewohner gutgeschriebene Kapital 10 Thlr, so dass er im 60. Jahre über ein durch seinen Anteil an der Gutseinnahme erwachsenes Kapital von 300 Thlr. verfügt.

Johann Heinrich von Thünen (1783-1850) mecklenburgischer Agrar- und Wirtschaftswissenschaftler, Sozialreformer und Musterlandwirt.

Johann Heinrich von Thünen (1783-1850) mecklenburgischer Agrar- und Wirtschaftswissenschaftler, Sozialreformer und Musterlandwirt.

Pferdestall auf dem Gut

Pferdestall auf dem Gut

Getreideernte, ein Fuder Getreidegarben

Getreideernte, ein Fuder Getreidegarben

Viehmarkt

Viehmarkt

Mittagstisch auf dem Bauernhof

Mittagstisch auf dem Bauernhof

Bauern beim Dreschen

Bauern beim Dreschen

Schäfermeister

Schäfermeister

Kühe im Stall

Kühe im Stall