Maltzan, Julius Freiherr von (1812-1896) mecklenburger Landwirt und Politiker. Biographie

Allgemeine Deutsche Biographie Bd 52 (1906)
Autor: Klenz, Heinrich (1860-1925) deutscher Philologe, Herausgeber von Kürschners Literatur-Kalender, Erscheinungsjahr: 1906
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Maltzan: Julius von M., Freiherr zu Wartenberg und Penzlin, Politiker, geboren am 4. August 1812 zu Brustorf in Mecklenburg-Schwerin, † am 24. September 1896 zu Doberan. M. stammte aus einem alten mecklenburgischen Geschlechte, das zuerst 1194 in der Urkunde eines Bischofs von Ratzeburg genannt wird und seit 1530 die Reichsfreiherrenwürde besitzt. Er war der dritte Sohn des 1864 verstorbenen Landrats Friedrich auf Rothenmoor, des eifrigen Vorkämpfers der unionfreien lutherischen Landeskirche Mecklenburgs, aus dessen erster Ehe mit Friederike, der ältesten Tochter des mecklenburg-strelitzschen Geheimratspräsidenten a. D. v. Dewitz auf Miltzow. Zur Zeit seiner Geburt war der Vater Gutsbesitzer auf Peccatel im ritterschaftlichen Amte Stavenhagen, wohnte aber auf dem anmutigeren Nebengute Brustorf, daß zwischen Neustrelitz und Penzlin gelegen ist. Nach einer sorgfältigen, in streng christlichem Sinne geleiteten Erziehung und nach landwirtschaftlichen sowie rechtswissenschaftlichen Studien wurde Maltzan 1837 mit dem Gute Klein-Lukow bei Penzlin, daß ihm der Vater gekauft hatte, belehnt und nahm als Mitglied der Ritterschaft sogleich den regsten Anteil an den Verhandlungen der Landtage. Im Jahre 1841 verheiratete er sich mit einer hannöverschen Dame, der 1821 geborenen Freiin Anna v. Bülow, der jüngsten Tochter des 1834 Verstorbenen Freiherrn Friedrich Ernst, Mitbesitzers von Abbensen und Besitzers von Göddenstedt; sie schenkte ihm mehrere Kinder. Um 1880 verkaufte Maltzan sein Gut und siedelte nach Doberan über, wo er nach langen schweren Leiden als Senior seines Geschlechtes im Alter von mehr als 84 Jahren starb.

Maltzan beteiligte sich Jahrzehnte hindurch in hervorragender Weise am ständischen Leben Mecklenburgs, und zwar auf der äußersten Rechten, deren Führer er lange Zeit war. Als überzeugter Anhänger der landständischen Verfassung trat er in Wort und Schrift für deren Beibehaltung auf das Entschiedenste ein. Von seinen Schriften, die mit Ausnahme eines Sammelwerkes kleineren Umfanges sind, ist zuerst „Die ständische Basis“ (Rostock 1874) zu erwähnen. Darin sucht er zunächst nachzuweisen, daß Obrigkeiten als politische Vertreter des Landes, deutsche Landstände, die echt christliche Gestalt des deutschen politischen Rechtslebens zeigen. Mecklenburg habe sich wunderbarer Weise das Wesentliche davon bewahrt. „Oder findet hier keine Landesvertretung statt, insofern die Stände etwa aus eigenem Rechte tagen, nicht als Mandatare ihrer Hintersassen? Nur keine Wortklauberei! Tagen sie aus eigenem Rechte, so haben sie als patrimoniale christliche Obrigkeiten zugleich die Pflicht der Vertretung ihrer Hintersassen, – Rechte und Pflichten sind hier untrennbare ethische Correlate!“ Dann fordert er auf, mit nüchternem Blicke die Zustände in Mecklenburg zu betrachten. „Alle werthvollen materiellen und sittlichen Güter werden sorgfältig gepflegt: die wirtschaftlichen Dinge – die Finanzlage ist ja besser, die Besteuerung niedriger als sonstwo –, die Rechtspflege, Kirchen- und Schulsachen, Wissenschaft und Kunst. Auch gedeihet der Volksstamm unter dieser Pflege. Reich an tüchtigen Charakteren, an hervorragenden Männern in allen Berufsfächern, hat er noch je und je von diesem seinem Reichtum dem übrigen Deutschland abgegeben. Hand aufs Herz! müssen wir bekennen: Mecklenburg muss gut regiert sein, – es kann nicht schlecht verfasst sein, wo sich solche Früchte zeigen.“ Und gegen eine von liberaler Seite erstrebte Constitution wendet er ein: „Will man obrigkeitliche Vertretung? Sie ist ja vorhanden. Genügt die vorhandene nich? So korrigiere man sie, aber werfe sie nicht über Bord. Denn weiß man den sittlichen Wert der obrigkeitlichen Vertretung überhaupt zu schätzen, so muss man auch zu schätzen wissen, wenn sie faktisch vorhanden und auf vaterländischem Boden längst eingewurzelt ist, und nicht wähnen, etwas dergleichen lasse sich neu schaffen ohne Konservierung des bereits gleichartig Bestehenden. Das erlaubt der „Zeitgeist“ nicht, der wohl einreißen, aber nicht bauen kann . . . Und wenn ein Engel vom Himmel käme und schriebe uns für Mecklenburg eine neue Verfassung, – wenn er den friedlosen „Zeitgeist“ nicht zugleich bannte, so hätten wir doch keinen Frieden.“ Die Ritterschaft aber „soll, wenn nötig, dem Wohl des Landes Opfer bringen, große Opfer, – aber sich nicht selbst an die Forderungen eines von Gott abgewandten Liberalismus wegwerfen. Stark im Bewusstsein ihrer guten Sache, äußerlich stark durch das feste korporative Band ihrer Union, hat sie die ständische Basis als ein ihr von Gott anvertrautes sittliches Gut des ganzen Landes zu bewahren und gegen jeden Angriff zu verteidigen.“ Aus diesen Proben wird man Maltzan’s politischen Standpunkt leicht begreifen. In demselben Geiste sind „Feudale Repliken“ (Rostock 1878) geschrieben. Im Jahre 1882 veröffentlichte Maltzan sein Verdienstvollstes Werk: „Einige gute Mecklenburgische Männer. Lebensbilder, gesammelt von Julius Freiherrn von Maltzan“ (Wismar, Hinstorff VIII, 391 Seiten in gr. 8°). Dieses Buch enthält 34 mehr oder weniger ausführliche Lebensbeschreibungen von vorzugsweise adligen Mecklenburgern; es beginnt mit dem Verfasser des Mecklenburgischen Landeskatechismus A. J. von Krakevitz (1674–1732) und schließt mit dem Landrat L. G. v. Oertzen auf Woltow (1804–1879). Manches ist älteren oder neueren Druckschriften entnommen; anderes stammt aus der Feder von Freunden Maltzan’s wieder anderes rührt von ihm selbst her, darunter einige im „Norddeutschen Correspondenten“ zuerst erschienene Nekrologe und der im Jahre 1880 bereits als Manuskript gedruckte Lebensabriss des eben erwähnten Landrats v. Oertzen. Die Sammlung ist keineswegs vollständig, worauf sie auch keinen Anspruch erhebt; immerhin ist sie etwas mehr als „eine bescheidene Privatsammlung“, – wofür sie der Verfasser in der „Vorrede“ nur angesehen wissen will – „die freilich den individuellen Geschmack und auch die persönlichen Beziehungen des Sammlers nicht verleugnen kann, doch aber ... manches bietet, woran Auge und Herz eines echten Mecklenburgers sich erfreuen“, indem sie durch die pietätvolle Zusammenfassung von Biographien, die größtenteils so gut wie Verloren gewesen wären, des allgemeinen kulturgeschichtlichen Interesses nicht entbehrt. Dann folgte eine kleine Schrift „Zur Erinnerung an den Vicelandmarschall v. Dewitz auf Cölpin“ (Ludwigslust 1889) und die zuerst als Feuilleton in der „Rostocker Zeitung“ erschienenen, sehr ansprechenden –„Erinnerungen und Gedanken eines alten Doberaner Badegastes“ (Rostock 1893). Zuletzt veröffentlichte Maltzan in seinem Todesjahre „Alte Landtagserinnerungen“ (Ludwigslust 1896), worin frühere Zeiten getreu geschildert und die handelnden Persönlichkeiten wie lebend vor Augen geführt werden (vgl. Rostocker Zeitung“ 1896, Nr. 361). 5

Maltzan war ein mecklenburgischer Edelmann im besten Sinne des Wortes. Wegen seines durchaus lauteren Charakters genoss er auch bei seinen politischen Gegnern die höchste Achtung. Auf positiv christlichem Boden stehend, glaubte er an die Landstände als eine Obrigkeit von Gottes Gnaden, deren Rechte zu schützen er für seine Lebenssaufgabe ansah, deren Pflichten er sich aber ebenso sehr bewusst war.