Lachender Tod

Aus: Lieder und Balladen
Autor: Kloerß, Sophie (1866-1927) deutsche Schriftstellerin, Erscheinungsjahr: 1925
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Mecklenburg-Vorpommern, Wismar, Vitalienbrüder, Hans Henning von Moltke, Hexen, Henker, Schwarze Suse, Hanse, Seeräuber, Piraten, Folter
"Hans Henning von Moltke ist in der Stadt,
Der Vitalienbruder!" Sie melden's dem Rat.
"Der unsere Schiffe geraubt und gebrannt,
Heut' gibt ihn sein Schicksal in unsere Hand.
Sein Schiff ist gesunken, er selber ist wund,
Die scharze Suse verbirgt in zu Stund.
Sie hegt ihn am Strande in ihrem Haus
Und höhnt noch: Sie gebe ihn niemals heraus."

Der Bürgermeister von Wismar spricht:
"Schafft die schwarze Susanne vor's Stadtgericht."
Und wie sie das Mädchen aufs Rathaus gebracht,
Den Herren hat's in die Augen gelacht.
"Ihr habt mich gefangen mit Spießen und Knecht,
Ihr habt mich gebunden, - es ist Euer Recht.
Eure Knechte durchsuchten mein ganzes Haus,
Hans Henning von Moltke fand keiner heraus.
Und haltet Ihr sieben Tag lang Gericht,
Den Liebsten, Ihr Herren, verrat ich Euch nicht."

"Du kecke Dirne, das wollen wir sehn,
Bald wird Dir Dein höhnisches Lachen vergehen.
Willst Du freiwillig die Wahrheit nicht sagen,
Wir der Meister Henker Dich scharf befragen."
"Verhör und Folter - mir gilt es gleich,
Ihr mach mir den eisernen Willen nicht weich."
"Und mag Dir der Satan die Kräfte stählen,
Die Wahrheit konnte noch keine verhehlen.
Und bist Du die Hexe, wie man es spricht,
Du wirst bekennen." - "Das werde ich nicht."

"Der Henker mit seinen Knechten heran."
Sie lacht ins Gesicht dem finsteren Mann.
"Die Daumenschrauben." man holt sie herbei.
Sie reicht die Hände ganz frank und frei.
Und wie das feine Gelenk erkracht,
Mitten im Schmerz hat sie schmetternd gelacht.
"Gebt's auf, Ihr Herren, Ihr zwingt mich nicht",
Doch weiter schreitet das grause Gericht.
Und bleich wird das Antlitz, es bäumt sich der Leib, -
"Herrgott! ich bin nur ein sterbliches Weib."
Schaum tritt auf die Lippen. "Erbarmen! Halt an.
Ich will ja bekennen, was ich getan."

Am Boden kniet sie, gebrochen und wund.
"Ich bin eine Hexe, ich beicht es zur Stund.
Ich bin eine Hexe, Ihr mögt mich verbrennen,
Zu arg sind die Qualen, - ich muss bekennen.
Der, den Ihr verfolgt mit Hass und mit Drohn,
Der ist gerettet, der ist enflohn.
Ich hab ihn verzaubert in Möwengestalt,
Ich öffnete oben am Dache den Spalt, -
Als Eure Knechte das Haus umstellt,
Schwang sich die Möwe ins freie Feld.

Erst ferne von Euch in sicherem Glück
gewinnt er das eigene Antlitz zurück." -
Die Knechte murmeln: "Es mag schon sein,
Eine Möwe stieg schreiend im Sonnenschein.
Wer hat da an Hexenzauber gedacht?
Wer hat in Wismar auf Möwen Acht?"
Und der Rat verkündet gerechten Spruch:
"Dieweil die Dirne mit Lug und Trug
Zum Schaden der Stadt ihre Netze gespannt, -
Dieweil sie sich selber als Hexe bekannt -
Wird morgen früh sie durch Feuers Macht
Vom Leben zum sühnenden Tode gebracht."
Da reckt sich die schwarze Susanne und lacht.

                              * * *

Die Stadt entehrte der Hexenbrand,
Drum baut man den Holzstoß draußen am Strand.
Am frühen Morgen im frischen Wind
Strömen zum Tore Man, Weib und Kind.
Wie die schwarze Susanne den Strand erreicht,
Der Wind ihr scharf um die Schläfen streicht.
Sie lächelt nur heimlich: "Bist du zur Stelle?
Nun hilf mir, ihn retten, du wilder Geselle."
Weit geht ihr Blick über See und Land,
Sie rüsten drunten ein Schiff am Strand.
Die Segel spannt es zu eilendem Flug,
"Möwe" steht an dem ragenden Bug.
Jetzt winden sie langsam den Anker zur Höh, -
Jetzt strebt es vom Strande hinaus in die See.

Sie fühlt es nicht, dass des Henkers Hand,
An den Pfahl ihre schimmernden Glieder band,
Sie sieht es nicht, wie er die Fackel erhebt,
Ihr Herz ist im Schiffe und hofft und bebt,
Jetzt - jetzt - jetzt schießt es dahin durch die Bucht
Im jagenden Winde! - Gelungen die Flucht.
Und sie lacht, und sie weint, und sie jubelt's heraus!
"Dort spannt die Möwe die Schwingen aus!
Seht hin! Seht hin! Ihr holt sie nicht ein,
Hans Henning fliegt in das Leben hinein.
Und ob Ihr mich fragtet mit scharfem Gericht,
Die Wahrheit, Ihr Herren, verriet ich Euch nicht!
Das ist die Möwe, in die er gebannt,
Sie trägt ihn nach Ribnitz zum rettenden Strand.
Und ist er bewusstlos und wund und krank, -
Er wir doch leben! Die Flucht gelang.
Hans Henning, Dich grüß ich von Flammen umloht,
lachend geh ich für Dich in den Tod." -
Prasselnd schlagen die Gluten zur Höh,
Fern schwindet die Möwe auf Wogen der See.

                      Sophie Kloerß

Wismar, Alter Schwede

Wismar, Alter Schwede

Wismar, Marktplatz

Wismar, Marktplatz

Wismar, Rathaus

Wismar, Rathaus

Wismar, Turm der Marienkirche

Wismar, Turm der Marienkirche

Wismar, Wassertor

Wismar, Wassertor

Wismar, Ansicht aus der 2ten Hälfte des XVII. Jahrhunderts

Wismar, Ansicht aus der 2ten Hälfte des XVII. Jahrhunderts

Wismar, Fürstenhof, Hofseite

Wismar, Fürstenhof, Hofseite

Wismar, Fürstenhof, Kleines Portal mit gebrannten Formsteinen

Wismar, Fürstenhof, Kleines Portal mit gebrannten Formsteinen

Wismar, Fürstenhof, Hauptportal

Wismar, Fürstenhof, Hauptportal