Karl der Große in Mecklenburg

Aus: Mecklenburgische Sagen
Autor: Studemund, Friedrich (1784-1857) Pastor an der Nikolaikirche in Schwerin, Erscheinungsjahr: 1848
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Mecklenburg, Sagen, Proseken, Karl der Große, Wenden, Taufe, Christentum, Bekehrung, Slawen, Mittelalter
Anno Christi 798 hat Carolus Magnus die Wenden in einer großen Schlacht überwunden. Diese Schlacht soll geschehen sein ohngefähr eine kleine Meile Weges westwärts von Wismar, auf einem ebenen Felde, da, wo jetzt das Dorf Proseken ist.

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Solches bezeugen die, hin und wieder allda im Felde aufgeworfenen Hügel, so ordentlich umher mit großen Steinen umgeben sind, die aufgerichtet stehen; an solchen Örtern sollen die erschlagenen Wenden begraben sein. Auch ist ostwärts vor dem Dorfe ein Ort, welcher noch heutiges Tages die Fünte, dies ist, die Taufe, genannt wird, und ist ein viereckiger Sumpf, anjetzt im Acker gegraben, an dem Wege nach Wismar, in selbigem sollen die heidnischen Wenden getauft sein, da denn die damaligen Priester den Wenden immer zugerufen: prosquere, prosequere (folge nach, folge nach), daher noch das Dorf Proseken den Namen hat. Auch sind nicht ferne von der Fünte drei kleine spitzige Hügel von Erde, die aus der Fünte gegraben, aufgeworfen. Auf solchen Hügeln hat man damals das Wort Gottes gepredigt. Diese drei Hügel sind heute noch vorbanden. Zwei davon am Wege sind mit Gesträuch bewachsen, der dritte aber im Acker ist noch bloß zu sehen.

(Aus D. Aepinus dissert. De conversione Meclenb., welche Stelle Stieber in seiner Mecklenb. Kirchen-Historie anführt, S. 69).

Anmerkung. Was diese Sage von der Entstehung des Namens Proseken anbetrifft, so will man ihr keine historische Wahrheit einräumen, weil es der Dörfer im Lande und außerhalb Mecklenburgs mehre gibt, welche also benannt werden. Proseken soll ursprünglich „proschesch“ geheißen haben, welches bitten, beten, der Ort des Gebets, bedeutet. Darnach zu schließen, stand an den Orten, welche „Proschesch“ hießen, ein Götzentempel, oder es war ein heiliger Hain daselbst, in welchem die Bildsäule eines Gottes, wahrscheinlich des Prove, zur Verehrung aufgestellt war. Dann wäre es aber auch nicht unwahrscheinlich, dass Karl der Große, welcher zum Beistande der Obotriten gegen die Wilsen nach Mecklenburg kam und zugleich dem heidnischen Unwesen in diesem Lande ein Ende zu machen bemüht war, die Bekehrung der Heiden, d. h. die Taufe, gerade an den Orten mit Eifer betrieb, wo sie ihre gottesdienstlichen Versammlungen hatten. Und sonach könnte die Sage von der großen Wendentaufe bei Proseken historische Richtigkeit haben, ohne dass gerade der Name dieses Dorfes von dem prosequere (folge nach) abgeleitet würde, welches die taufenden Mönche den Neubekehrten zugerufen haben sollen.

Proseken, Dorfkirche

Proseken, Dorfkirche