I. Die Entstehung der Hanse 1356-1377. 6. Die Hansestädte und England

Aus: Die Blütezeit der deutschen Hanse. Band 1
Autor: Daenell, Ernst Robert Dr. (1872-1921) deutscher Historiker und Hochschullehrer, Erscheinungsjahr: 1905
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Mecklenburg-Vorpommern, Hansestadt Rostock, Hansebund, Hansa, Hansetag, Mittelalter, Bürgerstand, Koggen, Handel, Städtewesen, Bürgerleben,
Im System des mittelalterlichen europäischen Handels lag England zwar an der Peripherie, indessen durch die Nachbarschaft des flandrischen Weltmarkts immerhin sehr günstig, um mit Leichtigkeit direkten Anteil und direkte Einwirkungen in kommerzieller Hinsicht empfangen zu können. In seiner vortrefflichen und massen- haften Wolle, die in einer großen Anzahl von Abteien zumeist des Zisterzienserordens gewonnen wurde, besaß es einen Ausfuhrartikel, auf den die glanzvolle Blüte der flandrischen Tuchindustrie begründet war. Dazu kamen Mineralschätze des Bodens, Zinn, Silber, Blei aus den Bergwerken von Cornwales. Wohlgeeignet war das Land, durch seine reichen Eigenprodukte einen intensiven Außenhandel zu entwickeln.

Indessen der englische Kaufmannsstand war keineswegs im normalen Umfange der Herr über denselben. Lähmend wirkten die unstät schwankende englische Zollpolitik und die enorme Höhe der Abgaben, durch die in vielem die Untertanen weit schwerer belastet wurden, als die fremden Kaufleute, auf das Emporblühen eines eigenen nationalen Handelslebens ein. Innere und äußere Kämpfe vermehrten die Schwierigkeiten, und der mehr als hundertjährige Krieg, in den Eduard III. sein Volk mit Frankreich und andern westeuropäischen Mächten verwickelte, weil er für sich und seine Nachkommen Anspruch auf die französische Krone erhob, bedeutete die schwerste Zurückhaltung und Unterbindung der wirtschaftlichen Kräfte der für Handel und Schifffahrt gut beanlagten Nation. Fremde Kaufleute besorgten den überwiegenden Teil des englischen Außenhandels, Italiener, Fläminger, Hansen. Von diesen waren und blieben die Italiener dem englischen Volke am verhasstesten. Allzu wegwerfend meinte das Büchlein von der englischen Staatsklugheit, nur Leckereien und Tand führten sie ein, Dinge, an die es nicht wert sei, Geld zu wenden. Aber noch ums Jahr 1383 war der Bedarf Englands an Südwaren sehr geringfügig. Denn nach dem Urteil des zeitgenössischen Chronisten Thomas Walsingham hätte die Ladung einer einzigen großen genuesischen Krake genügt, den gerade herrschenden Mangel an solchen Waren zu heben. Es war vielmehr die Herrschaft des italienischen Kapitals, die als besonders drückend empfunden wurde. Und diese erlitt einen gewaltigen Stoß, als die Geldnot Eduards III. eine der Hauptursachen wurde, die 1346 den Zusammenbruch der in ihren großen Forderungen an ihn ungedeckten Florentiner Banken der Bardi und Peruzzi und dadurch vieler anderer Unternehmungen zur Folge hatten.*) Schon während der letztvergangenen Jahrzehnte hatte die zunehmende Kühnheit und Vielseitigkeit des deutschen Unternehmungsgeistes den Lombarden in England erfolgreiche Konkurrenz gemacht. Auch Kölner und Dortmunder Handelsherren hatten dem König viel Geld geliehen, waren aber in der Deckung ihrer weitgehenden geschäftlichen Verpflichtungen vorsichtiger gewesen.

*) Vgl. dazu Schanz, Englische Handelspolitik, I. S. 113, Schulte, Der mittelalterliche Handel zwischen Westdeutschland und Italien, I. S. 286 f.

Nach der großen Katastrophe der Florentiner beherrschte diese rheinisch- westfälische Finanzgruppe zusammen mit einigen reichen Engländern den englischen Geldmarkt, die englische Wollausfuhr, die Zolleinkünfte des Reichs; Firmen wie die Klipping, Afflen, Revele, Brackel, allen voraus der Dortmunder Tidemann van Limberg.*) Der Fortgang der großen politischen Bewegungen in Westeuropa wurde zum guten Teil erst möglich durch ihre Geldmittel. Es waren goldene Zeiten für den deutschen, insbesondere den westdeutschen Handel. Aber die deutschen Kaufleute lenkten dadurch nun endlich den Fremdenhass der Engländer auch auf sich. Der Rückschlag begann, und die wachsende Abhängigkeit des Königs von den Bewilligungen des Parlaments entzog den deutschen Kaufleuten ihren festesten Rückhalt. Vergebens suchten sie ihren Handel gegen neue Zollbelastungen durch das Fremdenprivileg von 1303 zu schützen, das im Laufe der Zeit den andern Fremden schon verloren gegangen und zu einem deutschen Sonderprivileg geworden war, das sie von der Entrichtung anderer Zölle als der geringen, dort festgesetzten freisprach.

Nach vielen vergeblichen Mühen und Vorstellungen bei der englischen Regierung rief endlich 1374 die deutsche Kaufmannschaft in London ihre heimischen Städte, in erster Linie Lübeck an. Sie gestand ihre eigene Ohnmacht ein, sie sandte zur Orientierung eine Aufstellung ihres staatsrechtlichen Verhältnisses zu England und ersuchte sie, auch den Hochmeister zu diplomatischen Schritten bei der englischen Regierung, die dem Orden sehr wohlgeneigt sei, zugunsten des gemeinen Kaufmanns von der deutschen Hanse zu vermögen. Und hiermit trat endlich auch im Verhältnis der deutschen Kaufmannshanse in England zu ihren Städten daheim derselbe Wandel ein, der sich in Flandern 1356 vollzogen hatte. Als die englische Regierung die Verwendungsschreiben der Hansestädte und des Hochmeisters unbeantwortet ließ, entsandte der von wendischen, preußischen, livländischen und süderseeischen Städten reichbeschickte Hansetag zu Lübeck im Jahre 1375 zwei Boten, einen von Lübeck und einen von Elbing, namens der Hansestädte nach England. Dem Brügger Kontor sollten sie bei der Durchreise erneute Eigenmächtigkeiten untersagen. Indem die Kaufmannshanse der deutschen Gildhalle in London sich für machtlos erklärte, England zur Beobachtung ihrer Privilegien zu vermögen, und die Städte genötigt waren, für die Freiheiten ihrer Kaufleute einzutreten, unterwarf sich auch dies Kontor für die Folgezeit den Anordnungen und der Oberleitung der Städte.

*) Über diesen vgl. besonders Hans. UB. III n. 100 u. Anm. 2, auch n. 112. Zu seinem Sturz Hans. Gesch. Qu. VI, Hanseakten aus England, n. 163, 173, (1352), Hans. UB. IV S. 239 Anm. 1. Über die andern vgl. Frensdorff i. Hans. Gesch. Qu. III, Dortmunder Statuten u. Urteile, S. CXXIX, u. Kunze i. Hans. Gesch. Bll. Jg. 1889 S. 147.

Den Verhandlungen dieser Gesandtschaft mit England aber gelang es nicht, den für die Engländer bei der Behandlung des deutschen Handels maßgebenden Gesichtspunkt aus der Welt zu schaffen: dass vor dem Staats wohl alle Sonderrechte schweigen müssten. Nur auf ein Jahr bestätigte Eduard III. die Abgabenprivilegien der deutschen Kaufleute von 1303. Indessen dies war schon wertvoll genug. Denn im Prinzip, d. h. wenn die Regierung nicht zu außerordentlichen Zollforderungen schreiten musste, wurden dadurch die Ansprüche der Hansen auf eine Vorzugsstellung in der Zollbehandlung selbst vor den Landeseingeborenen als berechtigt anerkannt.

Nachdem Eduard III. 1377 gestorben war, bestätigte am 6. November sein Nachfolger und Enkel Richard II. die gesamten hansischen Privilegien. Und dies Privileg blieb der Grundpfeiler des hansischen Handelsrechts in England.

So war auch England gegenüber die Wahrnehmung der hansischen Rechte fortan eine Aufgabe der gesamten deutschen Städte geworden. Auch in England waren die Vertreter des hansischen Gedankens die um Lübeck gescharten seestädtischen Gruppen. Rheinland und Westfalen, die älteren Mächte eines deutschen Handels in England, hielten sich abseits, als die weit Jüngern Ostseestädte, verbunden auch hier mit den süderseeischen, in energischer Zusammenfassung ihrer Kräfte den hansischen Handel in England schirmten, wie sie seine Vertretung und Lenkung auch auf allen seinen andern Gebieten in ihre Hand genommen hatten.

Hansewappen

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Hanse Kogge

Hanse Kogge

Lübeck Das Holstentor

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Braunschweig Stadtansicht

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Bremen Marktplatz

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Greifswald Stadtansicht

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Goslar Stadtansicht

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Elbing Stadtansicht

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Berlin und Kölln

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Lüneburg Stadtansicht

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Magdeburg Stadtansicht

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Rostock Stadtansicht

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Stralsund Stadtansicht

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Wismar, Stadtansicht

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Hamburg, Blick auf die Unterelbe

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Bremen - Einfamilienhäuser in der Olbersstraße

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Danzig - Frauengasse

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Hamburg - Deichstraßenfleet

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Hamburg - Leitergasse

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