I. Das Novgoroder Handelsgebiet. Einleitung. § 2. Der Inhalt der deutsch-Novgoroder Handelsverträge; ihr Verhältnis zu den nicht russischen Hanseprivilegien

Aus: Deutsch-Russische Handelsverträge des Mittelalters
Autor: Goetz Leopold Karl Dr. (1868-1931) Professor für Osteuropa-Geschichte an der Universität Bonn, Erscheinungsjahr: 1916
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Deutschland, Russland, Handelsverträge, Hanse, Mittelalter, Hansebund, Novgorod, Handelsprivilegien, Nieburfrieden, Geleitsbrief, Litauen, Riga, Smolensk, Polock,
Eine knappe, allgemein gehaltene Übersicht über den Inhalt der deutsch-Novgoroder Handelsverträge soll noch zeigen, was wir alles in ihnen zu besprechen finden werden. Aus ihr mag auch durch kurze Angabe der Jahreszahl der Verträge hervorgehen, mit welcher Häufigkeit die einzelnen Bestimmungen in den Verträgen vertreten sind.

Die Verträge haben natürlich verschieden großen Umfang. In den Grundverträgen sind mehr Gegenstände behandelt als in den Sonderverträgen, die an einzelne Streitfälle anknüpfen. Auch die Sonderverträge sind ihrem Umfang nach untereinander verschieden. Als das Minimum dessen, was in einer Vertragsurkunde ausbedungen ist, darf der Inhalt des Handelsvertrages mit Pskov vom Jahre 1411 gelten: beiderseits Verkehrsfreiheit und bei Streitigkeiten Auseinandersetzung allein unter den Streitparteien.

Die Satzungen der Vorträge können wir in zwei Hauptgruppen einteilen, in deren einer der Handel geregelt, in deren zweiter den Kaufleuten Rechtsschutz im fremden Land gewährt wird *). Das geschieht natürlich immer vom Standpunkt voller Gegenseitigkeit, der Gewährung gleicher Rechte an beide vertragschließende Parteien, aus und wird bald förmlich ausgedrückt, bald stillschweigend vorausgesetzt, bzw. ergibt sich aus dem Wortlaut der Verordnungen. Unter den eigentlichen Handelsbestimmungen offenbar die wichtigste, die oberste Grundlage für jeden Handelsverkehr, die demgemäß am häufigsten wiederkehrende, ist die Zusicherung voller Verkehrsfreiheit für den fremden Gast auf beiden Seiten, die Garantie, dass er „reinen Weg“, wie es gewöhnlich heißt, haben soll: 1189,1259,1338, 1371, 1372, 1392, 1405, 1409, 1411, 1420, 1421, 1423, 1434, 1436, 1448, 1450, 1466, 1474, 1481, 1487, 1493.

„Reiner Weg“ wird manchmal auch den beiderseitigen Boten zugesichert: 1420, 1448, besonders den überseeischen Hanseboten, die während eines Beifriedens oder Friedens zu weiteren Verhandlungen und Schlichtung von Streitsachen nach Novgorod kommen sollen: 1372, 1434, 1450, 1466, 1487.

Ein weiterer für die Aufrechterhaltung des Handelsverkehrs wichtiger Grundsatz, der allerdings durch berechtigte wie unberechtigte Vergeltungsmaßregeln von Russen wie Deutschen bei Angriffen von irgend einer Seite regelmäßig umgestoßen wurde, war der, dass ein Krieg zwischen Novgorod und einer anderen Macht den Handel nicht hindern, den deutschen Kaufmann nicht berühren soll: 1189, 1268, 1269, 1338, 1371, 1392, 1487. Vereinzelt finden wir dazu die Ergänzung, dass der Deutsche zur Teilnahme am Kriegszug nicht verpflichtet ist: 1268.

Für Schädigung der Deutschen auf ihrer Reise innerhalb des Novgoroder Gebiets übernimmt Novgorod die Haftung: 1259, 1268, 1269. Das ist in den jüngeren Verträgen auf vorgekommene Einzelfälle von Beraubung und Tötung angewendet und wird nachher noch besprochen werden.

Die Haftung ist an gewisse Vorbedingungen geknüpft, nämlich an die Benützung der Novgoroder Geleitsmänner oder an ihrer Stelle der Novgoroder Kaufleute durch die Deutschen: 1259, 1268, 1269.

*) Über die italienischen Handelsvertrage des Mittelalters sagt L. Goldschmidt: Handbuch des Handelsrechts, I. Band, Erste Abteilung: Universalgeschichte des Handelsrechts Stuttgart 1891, S.180: „Der Zweck dieser Verträge ist vornehmlich gegenseitige oder ein seitige Gewähr freier Niederlassung mit gesichertem Eigentum, auch Grundeigentum, Handels- und Gewerbebetrieb, Gottesdienst, freiem Abzugsrecht, auch von Habe der Verstorbenen Rechtsschutz, sogar schleuniger, in bürgerlichen Streitigkeiten, wie in Fällen von Schiffbruch, Beraubung, Betrug, Misshandlung u. dgl. ; Einschränkung oder gar Ausschließung der Repressalien wie der häufig nicht minder willkürlichen staatlichen Kaperei; Sicherheit bzw. Instandhaltung der Land- und Wasserstraßen, insbesondere Ausschließung der Piraterie; genaue Fixierung der Zölle und sonstigen Abgaben, wo möglich gegenseitige Gleichstellung oder, nach Umständen, einseitige Abgabenfreiheit, mindestens für nichtverkaufte wiederauszuführende Waren.“

Sie wird verbürgt, wenn auch freilich nicht eingehalten, in den besonderen Geleitsbriefen, die ausgestellt werden: 1392, 1405, 1406.

Keine Haftung leistet Novgorod für Unfälle der Deutschen bei Reisen außerhalb seines engeren Gebietes, wie etwa zu den Karelen in Südfinnland: 1259, 1269.

Eine Haftung der Hanse für Unfälle der Novgoroder auf der See haben die Novgoroder mehrfach verlangt, aber schließlich doch nur in beschränktem Umfange zugestanden erhalten: 1406, 1426, 1436, 1468, 1487.

Für die Reise der Deutschen innerhalb des Gebietes, in dem Novgorod haftet, werden genaue Bestimmungen über Erlaubtheit des Holzhiebs, Benutzung der Novgoroder Flussschiffe, über Steuerleute, Fuhrleute und Träger, über deren Lohn und Verköstigung getroffen: 1189, 1268, 1269, 1371, 1474, die Zölle und Abgaben werden festgesetzt: 1268, 1269, 1474, 1481, 1493.

Bestimmte Reisewege zu Wasser und zu Lande werden den Deutschen angewiesen: 1300, 1323, 1474, 1481, 1493; es wird verordnet, dass Hin- und Rückreise der Deutschen jeweils auf demselben Weg, dem Wasserweg oder dem Landweg, zu erfolgen hat: 1269.

Die gemeinsame Benutzung eines Schiffes durch Deutsche und Russen wird, auch für den Fall dabei eintretenden Verlustes, besprochen: 1269, 1487. Kauf und Gebrauch eigener Pferde der Kaufleute auf ihrer Reise wird behandelt: 1268, 1448, 1481, 1493. Wir haben Verordnungen über Handel außerhalb Novgorods, in der Neva: 1268, 1406, 1436, über Maß und Gewicht, sowie über Gebühren für deren Benutzung: 1259, 1268, 1269, 1481, 1493, über Recht des Kaufs und Verkaufs aller Waren ohne Ausnahme im Großhandel wie im Kleinhandel: 1448, 1474, 1481, 1493, speziell über Wachs- und Pelzhandel: 1342, 1371, 1376, 1448, wir treffen auch Verbote des Handels mit Bier und Meth: 1474, 1481, 1493.

Der Besitz der Deutschen in Novgorod und Ladoga, ihre Höfe und Grundstücke, werden durch Schutzbestimm ungegesichert, vorgekommene Verletzungen gesühnt: 1259, 1268, 1269, 1371, 1392.

Auch das Eigentum der Novgoroder auf Gotland und in Dorpat wird ihnen sichergestellt: 1259, 1371, 1474, 1481, 1493.

Bei der zweiten Hauptgruppe der Vertragsbestimmungen, die von Gewährung des Rechtsschutzes an den Fremden handeln, können wir strafrechtliche-zivilrechtliche und prozessuale Satzungen unterscheiden, indessen gehen sie vielfach ineinander über, sind wechselseitig mit einander verbunden.

Der wichtigste Grundsatz, dessen Durchführung den Kaufmann auf beiden Seiten vor gewaltsamer Beschlagnahmung seiner Person und seiner Ware hätte sichern sollen und können, der aber nie durchgeführt, sondern immer wieder umgestoßen wurde, war der, dass kein Unbeteiligter unter dem Vergehen oder der Verschuldung eines andern leiden, dass die eine Klagepartei sich an die andere Klagepartei halten, sich mit ihr auseinander setzen solle, wie es auf Niederdeutsch heißt ,,sakewolde schall sik mit sakewolde beweten“, oder wie es im Russischen lautet „Partei soll Partei erkennen“: 1268, 1269, 1338, 1371, 1372, 1392, 1411, 1448, 1481, 1487, 1493.

Dazu kommt als zweite Regel für die Rechtsprechung, dass der Streit da enden soll, wo er beginnt; 1189, 1259, 1268, 1269, 1323, 1338, 1392, 1481, 1493.

Dass der Fremde wie der eigene Landsmann behütet werden, dass auf seine Klagen hin ohne Arglist Recht gewährt worden soll, ist oft ausbedungen: 1371, 1405, 1417, 1420, 1421, 1423, 1434, 1436, 1448, 1450, 1460, 1474, 1481, 1493; manchmal ist betont, dass dabei keine Gabe (zur Bestechung) gegeben: 1421, 1448, oder Gewalt angewendet werden darf: 1448, 1466, 1487, oder dass für den Fall einer Rechtsverweigerung freie Heimreise gestattet sein soll: 1436.

Erledigter Streitsachen soll nicht mehr in Hass oder Unmut gedacht werden, keine Nachmahnung wegen geraubten Gutes soll erfolgen, die Unfreundschaft beiderseits muss ganz weggelegt sein: 1371, 1392, 1409, 1411, 1423 1436.

In den Grundverträgen von 1189, 1259, 1268, 1269 haben wir Strafandrohungen für Tötung — und zwar von privilegierten Personen, z. B. Boten, Priestern, Dolmetschern, wie von einfachen Kaufleuten — , ferner solche für Körperverletzung, kleinere Streite, Vergewaltigung von Frauen, Diebstahl, Sachbeschädigung; die Sonderverträge von 1481 und 1493 bedrohen das Ausraufen der Bärte von Novgorodern mit Strafe.

Die Sonderverträge bieten dann oft Schlichtung solcher Strafrechtsfälle; die Aufsuchung der Täter, ihre Bestrafung, Rückgabe der Güter, falls diese gefunden werden, wird ausbedungen aber Verantwortung für den Fall, dass man sie nicht findet, abgelehnt: 1338, 1371, 1372, 1373, 1392, 1409, 1421, 1423.

Auf dem Gebiet des Zivilrechts ist in den Grundverträgen natürlich besonders die Beitreibung der Schuld und Pfändung des Schuldners behandelt: 1189, 1268, 1269; das Vorrecht der fremden vor den einheimischen Gläubigern bei Bezahlung der Schuld wird festgestellt: 1268, 1269.

Wir haben Verordnungen über Abhaltung des Gastgerichts zu Novgorod in der St. Johanneskirche, über Zusammensetzung des Gerichts, über Vermittlungstätigkeit der Älterleute der Kaufleute, über Unterbeamte des Gerichts: 1268, 1269. Ferner besitzen wir Bestimmungen darüber, dass Streitigkeiten der Deutschen in fremden Städten nicht nach Novgorod getragen werden sollen: 1189. Satzungen werden erlassen über Haftung der Frau mit ihrem Mann: 1268, 1269, über Strafen an Loben, Leib und Geld, über Gefangensetzung, Schuldhaft und Verkauf des Schuldners: 1268, 1269, über Zeugen: 1268, 1269.

Aber alle diese genauen Festsetzungen halfen in Wirklichkeit nichts; ununterbrochen, während der ganzen Dauer des Hansehandels nach Novgorod, haben wir Klagen von beiden Seiten über mannigfache Rechtsverletzungen wie über Verweigerung des Rechtsschutzes. Und wenn die Streitigkeiten und Beschwerden durch einen Friedenschluss oder Vertrag scheinbar beigelegt, waren, so begannen sie oft bald danach wieder von neuem.

Die Privilegien der hansischen Kaufleute in Russland sind ja nur ein Teil der Vergünstigungen, die die Hansen überhaupt in den verschiedenen Ländern für ihren Handel genossen. So legt es sich nahe die russischen Hanseprivilegien mit den nicht russischen zu vergleichen, und darum habe ich bei dieser oder jener Bestimmung der deutsch-russischen Handelsverträge auf ihr allgemeines Verhältnis zu entsprechenden Satzungen der grundlegenden Hanseurkunden für andere Länder hingewiesen.

Dabei ergeben sich Übereinstimmungen wie Abweichungen im Verhältnis der russischen und nichtrussischen Hanseprivilegien zu einander.

Einmal ist es ja erklärlich, dass die deutschen Kaufleute danach strebten, die Vorrechte und Freiheiten, die sie in anderen Gebieten hinsichtlich ihres Handels wie der Gewährung des Rechtsschutzes genossen, auch in Russland zu erhalten. Sie haben sie vielfach auch erlangt, wie die Gleichheit der deutsch-russischen Handelsverträge mit den nichtrussischen Hanseprivilegien vielfach zeigt, die bis in den Gebrauch einzelner formelhafter Wendungen zu verfolgen ist. Auch mussten ja die allgemeinen Grundlagen für einen erfolgreichen Handelsbetrieb in Russland die gleichen sein wie in den übrigen Handelsgebieten. Sicherung der Handelsstraßen und der Handelspersonen wie Handelsgüter, Verkehrsfreiheit, Zölle und Abgaben, Verordnungen über Maß und Gewicht und Ähnliches ist eine im wesentlichen überall gleich wichtige Voraussetzung der Entwicklung des Handels. Ebenso brachten die Hansen nach Novgorod wie in andere Länder ihre heimischen Rechtsanschauungen, zumal über die Behandlung der Gäste in der Fremde, mit und suchten ihnen in den Vertragsbestimmungen Geltung zu verschaffen.

Die andererseits öfter zu Tage tretende Verschiedenheit zwischen dem Inhalt der russischen und nichtrussischen Privilegien der Hansen beruht auf den besonderen Umständen des Landes, in das der Handel ging, wie der Lebensumstände, in denen sich der deutsche Kaufmann innerhalb dieses fremden Landes befand. Russland war in ganz anderem Sinne dem deutschen Kaufmann, z. B. dem von der Ostseeküste ein fremdes Land, als es etwa Dänemark oder Flandern war. Er trat in eine von den ihm sonst bekannten europäischen Ländern ganz verschiedene politische, soziale und kulturelle Gemeinschaft ein. Das zeigt sich z. B. darin, dass die Bestimmungen zur persönlichen Beschirmung des Kaufmanns, die Strafandrohungen für Angriffe auf seine Person und Habe, in den deutsch-russischen Handelsverträgen einen weitaus größeren Umfang einnehmen als in den sonstigen Hanseprivilegien. Das Gleiche gilt für die Handelsreise nach Russland, für die weitaus mehr als in nichtrussischen Hanseurkunden Schutzmaßregeln zu Gunsten des deutschen Kaufmanns aufgestellt werden. Man hat von vorneherein den Eindruck, dass der deutsche Kaufmann in ein solches fremdes Land kommt, gegen dessen ihm von den verschiedenen Seiten her drohende Gefahren und Gewalten er sich in erhöhtem Maße sichern muss. Man spürt gleich, dass seine ganzen Lebens- und Handelsbeziehungen zu Russland und seinen Bewohnern andere sind, als zu den sonstigen von ihm besuchten Handelsplätzen Europas. Dabei spielt auch, wie überhaupt in der ganzen Entwicklung und Ausgestaltung des deutsch-russischen Handels eine Besonderheit im Verhältnis der Hansen gerade zu diesem Land mit: politische Beziehungen, wie sie für die Hanse anderen Staaten gegenüber sich ergaben, sei es in Friedensbündnissen, sei es in Kriegen, gab es Russland gegenüber nicht; der Kaufmann blieb da immer Kaufmann, wurde nicht zum politischen Verbündeten oder mit Waffengewalt auftretenden Gegner. Diese doppelte politische Rolle gegenüber Russland spielte für die Deutschen der deutsche Orden in Livland. Aber die vielfache Gemeinsamkeit der Interessen, die ihn und den deutschen Kaufmann trotz mancher Interessengegensätze verband, führte doch nur in seltenen Fällen so weit, dass die Hanse dem Orden zu kriegerischen Unternehmungen gegen Russland Hilfe lieh. Dass die Hanse ein großes Interesse am Frieden zwischen dem Orden und Russland wie Polen und Litauen hatte, dass sie auf Beilegung der dem Handel schädlichen Streitigkeiten innerhalb von Livland, zwischen dem Orden, Riga und den Bischöfen bedacht war und an Verhandlungen zu diesem Zweck teilnahm, ist ganz erklärlich.

Das ist ein Grundunterschied der Stellung der Hanse in Russland von ihrem Verhältnis zu anderen ihrer Handelsgebiete, derbeimanchen Stücken des deutsch russischen Handels als Faktor mit in Rechnung gesetzt werden muss.

Er tritt uns z. B. darin entgegen, dass der deutsche Kaufmann nach den Verträgen bei einem Krieg Novgorods mit einer andern Macht, also auch mit dem deutschen Orden, ruhig seinen Handel weiter treiben konnte, während ihm in andern Ländern nur eine Frist zum ungehinderten Abzug in die Heimat gestellt war. Dass diese Vertragsbestimmung nur Theorie blieb, dass der Handel gerade durch die häufigen Kämpfe zwischen dem Orden und den Russen sehr litt, viele und langdauernde Unterbrechungen erfuhr, ist eine Sache für sich. In Russland hatte ja die Hanse nicht die politischen Mittel, ihren Angehörigen Vorrechte zu erringen, deren sie sich in anderen Ländern erfreute, außer wenn der deutsche Orden bei ihm günstigen politischen Beziehungen zu Russland für den Kaufmann eintrat. Und wenn nun die Hanse in Novgorod auf ein sehr selbstbewusstes, in Konzessionen manchmal recht zähes, politisches Gemeinwesen stieß, begreift es sich, dass es ihr nicht gelang, solche Freiheiten für den Kaufmann zu erhalten, die sie in anderen Ländern z. B. hinsichtlich der Gerichtsbarkeit und der Teilnahme dos deutschen Kaufmanns an ihr, wie hinsichtlich mancher Einzelpunkte des Handelsbetriebes besaß.

Den besonderen Umständen des dem deutschen Kaufmann in gesteigertem Maße fremden Landes, dessen Sprache er ja nur in seltenen Ausnahmefällen kannte, entsprachen weiter die persönlichen Lebensumstände der Hansen in Russland. Das drückt sich vor allem darin aus, dass sie nicht wie an anderen ausländischen Handelsplätzen bei den Bürgern des betreffenden Ortes wohnten und mit ihnen in ständigem Verkehr waren, sondern dass die deutschen Besucher Novgorods gemeinsam in dem deutschen bzw. gotländischen Kaufmannshof in Novgorod lebten, dass sie eine äußerlich durch Zaun und Pforten des Hofes, wie innerlich durch die Verschiedenheit des religiösen Bekenntnisses und der ganzen Kulturanschauungen von den Russen streng getrennte Gemeinschaft im fremden Land bildeten, eine eigene abendländische Welt für sich, die nach ihrem besonderen Recht, nach dem innerdeutschen Gesetz des Kontors, der Schra, lebte Darum fallen in den deutsch-russischen Handelsverträgen z. B. manche Bestimmungen aber die Beziehungen des fremden Kaufmanns zu den Einwohnern der jeweiligen Handelsstätten weg, die wir in den nichtrussischen Hanseprivilegien finden, und die für die deutschen Kaufleute Russlands in der Schra enthalten sind.

Auffallend ist dabei, dass in den deutsch-russischen Handelsverträgen alle Satzungen über die Hinterlassenschaft von etwa in Russland gestorbenen deutschen Kaufleuten fehlen. Den Deutschen waren solche Verordnungen vertraut, wie die nichtrussischen Hanseprivilegien zeigen (vergl. z. B. HUB. I, nr. 15 [ao. 1163], nr. 1144 [ao. 1294]; II, nr. 397 [ao. 1323], nr. 448 [ao. 1326], nr. 449 [ao. 1326], nr. 464 [ao. 1327]; III, nr. 497 [ao. 1360]). Die Russen kannten sie für ihren Handelsverkehr nach dem Ausland schon seit dem zehnten Jahrhundert, wie wir aus den Friedens- und Handelsverträgen Olegs und Igors aus den Jahren 911 und 945 mit den griechischen Kaisern sehen. Damit wäre also nach dieser Seite die Voraussetzung für die Aufnahme entsprechender Satzungen in die deutsch-russischen Grundverträge des Handels gegeben gewesen.

So kann im ganzen die Untersuchung der deutsch-russischen Handelsverträge sowohl durch deren Übereinstimmung mit nichtrussischen Hanseprivilegien wie durch den Gegensatz zu ihnen dazu dienen, die Stellung der Hanse auch in ihren anderen Handelsgebieten außerhalb Russlands schärfer zu beleuchten.

Die Hanseprivilegien, die russischen sowohl wie die nichtrussischen, sind aber ihrerseits auch wieder nur ein Stück der internationalen Satzungen, die Handel und Verkehr bei allen die Kaufmannschaft treibenden Völkern des Mittelalters regelten. So ist es nicht zu verwundern, dass unsere deutsch-russischen Vertragsbestimmungen manchmal mit nichthansischen handelsrechtlichen Verordnungen übereinstimmen. Die Gleichheit der Voraussetzungen: das Bedürfnis nach besonderer Behütung des fremden Gastes, nach Sicherung seiner Person wie seiner Ware und Geschäfte führte in weit von einander entlegenen Ländern zu gleichartigen, unabhängig von einander entstandenen Bewilligungen und Verboten. Es hat keinen Zweck, zu jeder einzelnen deutsch-russischen Vortragssatzung verwandte Erlasse aus aller Welt anzuführen; in einzelnen mir besonders kennzeichnend erscheinenden Fällen habe ich aber doch über den Kreis der nicht- russischen Hanseprivilegien hinausgegriffen.

Wichtig erscheint mir vor allem, dass einmal in vorliegender Arbeit der gesamte Inhalt der deutsch-russischen Handelsverträge des Mittelalters festgestellt wird, auch ohne jeweilige Anknüpfung des deutsch-russischen Handelsvertragsrechts an Recht und Gewohnheit in anderen Ländern, an nichthansische kaufmännische Rechtsbestimmungen.

Die da gewonnenen Ergebnisse mögen dann von anderen bei handels- und kulturgeschichtlichen Darstellungen zur Vergleichung der Entwicklung und Zustände bei den verschiedenen Völkern herangezogen werden.

Hansewappen

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Hanse Kogge

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Die Plünderung Wisbys

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Lübeck Das Holstentor

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Iwan der Schreckliche

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Armenisches Büffelgespann

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Tarantaß - Russlands Postkutsche

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