Herzog Bogislav X. und die Türken.

Aus: Die Volkssagen von Pommern und Rügen
Autor: Gesammelt von Temme, Jodocus Donatus Hubertus (1798-1881) Politiker, Jurist und Schriftsteller, Erscheinungsjahr: 1840
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Mecklenburg-Vorpommern, Sage, Volkssage, Pommern
Als Herzog Bogislav zu einer Zeit allenthalben im Lande Frieden hatte, nahm er sich vor, dass er Jerusalem und das heilige Grab sehen wollte. Seine Gemahlin wehrte dasselbe zwar mit allem Fleiß, und bat ihn herzlich, dass er sie und seine kleinen Kinder nicht wolle verlassen. Auch seine Räte und ganze Landschaft rieten ihm davon ab, und baten ihn sonderlich, so er denn ja des Sinnes wäre, in das heilige Land zu ziehen, so möge er noch warten, bis dass seine jungen Herrlein etwas erwachsen seien. Aber das half Alles nichts: er hatte einmal das Gemüte, dass er die Reise unternehmen musste. Da sie denn nun das gesehen, dass er sich nicht wollte bereden lassen, ließen sie es geschehen, und bewilligten ihm auch eine stattliche Hilfe, indem sowohl die Geistlichkeit, die Grafen und die Herren von Adel, als auch die Städte von ihren Landgütern, das halbe Einkommen von einem Jahr, und außerdem die Städte von ihren Häusern und anderen Gütern noch eine besondere Schatzung ihm gaben. Solches Geld wurde auf zwei Jahre eingenommen, und durch die Rentemeister in Gold verwechselt, damit es leichter zu transportieren wäre.

Darauf zog nun der Herzog Bogislav im Jahre 149K auf den Tag Luciä von Stettin aus, durch die Mark über Nürnberg nach Venedig, wo er sich bis Pfingsten des anderen Jahres aufhielt, und dann zu Schiffe nach dem heiligen Lande absegelte.

Auf dem Meere begegnete ihm und den Seinen ein seltsames Abenteuer. Eines Tages nämlich sahen sie von ferne, dass unter des Türken Lande wohl an neun Schiffe sich erhoben, darunter zwei gar große, zwei Galeeren und fünf kleinere, darin zusammen wohl bei zweitausend Türken waren. Dieselben setzten am Freitage nach Petri und Pauli gerade auf des Herzogs Schiff an, und fragte den Patron, was für Leute im Schiffe wären. Denen antwortete der Patron, die Galeere sei von Venedig und fahre Pilgrimme, die nach dem heiligen Lande wollten, zeigte ihnen auch seinen Brief und bat sie, ihn sicher ziehen zu lassen. Das waren die Türken aber nicht Willens, denn sie waren keine rechte Kriegsleute, sondern Meerräuber; sie drängten daher nach der Galeere, und beringten sie um und um und warfen Leitern und Ankerhaken an, und wollten die Galeere ersteigen.

Als das Herzog Bogislav und die Seinen sahen, griffen sie zur Wehre, und es schrie Einer den Andern an, dass sie sich nicht ergeben sollten. Weil sie aber gar keine andere Waffen hatten denn Schwerter und Spieße, so nahmen sie ihre Matratzen und Koller und banden sie gegen das feindliche Geschütz um den Kopf, die Töpfe und Kessel gebrauchten sie als Pickelhauben, und die Hauptbretter von den Betten als Schilde, Nur der Herzog Bogislav allein hatte einen ordentlichen Schild. Also wehrten sie sich mannhaft gegen die Türken, dass diese nicht in das Christenschiff gelangen konnten, und der Kampf wurde so wütend, dass der Herzog in Kurzem in seinem Schilde vierzehn Pfeile stecken hatte.

Unter den Räubern war aber ein großer, starker Türke; derselbe machte sich vor Anderen an den Herzog Bogislav, weil auch dieser ein gewaltiger, großer Mann war, und setzte ihm mit aller Macht zu. Der Herzog verwundete ihn indes mehrmalen und stieß ihn zuletzt ins Wasser. Der Türke war jedoch ohne Zweifel ein Erzmeerräuber, denn er wusste geschickt zu schwimmen und zu klimmen, und war bald wieder auf der Galeere und auf den Herzog eingedrungen. Der teure Held Bogislav war gerade auch von Anderen beringet und hatte große Not; daher er denn so heftig um sich schlug, dass auf einmal sein Schwert entzwei ging, und er nun ohne alle Wehre war. Da drangen die Türken und in sonderheit jener große, mit neuer Macht gegen ihn an und wären ihm überhand geworden; aber es sprangen ihm schnell zur Hilfe Herr Christoph Polinski, Herr Peter Podewils, und des Herzogs Kammerknecht, Valtin von Nürnberg. Die empfingen die Streiche für den Herzog, also dass der brave Edelmann Christoph Polinski erschlagen wurde, und Herr Peter Podewils einen Pfeil unter dem linken Auge in den Kinnbacken geschossen bekam; Valtin von Nürnberg aber erhielt so viele Schläge und Schüsse, dass er für tot niederfiel.

Unterdes war Herzog Bogislav behende gewesen, und hatte in Ermangelung eines Schwertes einen Bratspieß genommen, an dem noch Hühner aufsteckten, die man gerade braten wollen. Mit demselben lief er den Seinen wieder zu Hilfe, und wie er seine Getreuesten erschlagen sah, da ergrimmte er in seinem Gemüte, und er wollte sie rächen oder auch sterben, und er stach zuerst den großen Türken durch und durch, dass er ins Wasser fiel, und schlug und stach dann unter die Andern so feindlich, dass er sie über Bord zurück schlug. Darüber bekamen seine übrigen Gefährten wieder neuen Mut, und setzten desto heftiger gegen die Türken und trieben sie Alle wieder aus der Galeere.

Auf einmal fingen jetzt die Türken an, Feuer in die Segel zu schießen, und in die Galeere Feuerbälle zu werfen, also dass diese an allen Seiten brannte, und während nun die Christen genug zu tun hatten, das Feuer mit Wasser und mit Wein zu löschen, setzten die Heiden von Neuem mit Schießen und Schlagen ungeheuerlich gegen sie an. Solcher Übermacht konnten die Christen zuletzt nicht mehr widerstehen, und sie sahen nichts anders mehr vor sich, denn dass sie Alle sterben müssten. In dieser Not riefen sie laut den Himmel an, dass er ihnen helfen möge gegen das fressende Feuer und den grimmigen Feind. Und wie sie so beteten, da ließ überplötzlich der Oberste der Türken in seinem Schiffe abblasen und die Seinen vom Streite zurück fordern, und zogen Alle eilig von dannen, und ließen die Christen ohne alle fernere Anfechtung.

Was die Ursache gewesen, dass die Türken so plötzlich sich zurückgezogen, das hat man niemals erfahren können, obgleich Etliche sagen, indem die Türken das Feuer in die Galeere geworfen, habe der Türken Oberster Christum und Mahomet oben im Schiffkorb gesehen, und wie Christus den Mahomet hart gegeißelt, worauf dieser dem Obersten befohlen, dass er von Stund' an den Christen Frieden lasse. Dem sei nun so oder nicht; aber gewiss ist, dass Alle erkannten, wie sie nur durch ein Wunder errettet wären.

Kantzow, Pomerania, II. S. 223—239.