Geschichte der Stadt Greifswald - 07. Die Stiftung der Universität zu Greifswald 1456 mit einem Blick auf den Kultur- und religiösen Zustand der nächst vorhergehenden Zeit.

Aus der Landesgeschichte Mecklenburg-Vorpommerns
Autor: Hahn, J. C. (? - ?) Gymnasiallehrer, Erscheinungsjahr: 1860
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Mecklenburg-Vorpommern, Pommern, Greifswald
Wir können nach dem Mecklenburgischen Kriege ein ganzes Jahrhundert als leer an bemerkenswerten Ereignissen überschlagen. Es entwickelte sich in demselben die Ausbildung der städtischen Verfassung ohne Geräusch und Aufsehen, denn in Greifswald fanden nicht so heftige Reibungen zwischen dem Rate und der Bürgerschaft, oder zwischen den Patriziern und den Zünften statt, als in den meisten andern deutschen Kommunen, wie in Stralsund, Lübeck, Köln, und es erhob sich bei uns niemals ein hervorragender Mann zum Tyrannen seiner Mitbürger, die er, gestützt auf eine begünstigte Partei, so lange knechtete, bis er mit seinen Anhängern ein blutiges Ende nahm. Auch haben wir in dieser Zeit nicht von Fehden gegen den Landesherrn oder gegen benachbarte Fürsten zu berichten. Die pommerschen Herzöge waren zu wenig mächtig und bedurften ihrer Städte zu sehr gegen ihre feindlich gesinnten Nachbaren, besonders gegen Brandenburg, als dass sie nicht bemüht gewesen sein sollten, mit denselben, und vornämlich mit denen, die Mitglieder der Hansa waren und an derselben einen starken Rückhalt hatten, in gutem Vernehmen zu bleiben. Kleine Dynasten oder einen verbündeten Adel wie in Oberdeutschland, mit welchen die Städte einzeln oder verbunden kämpfen mussten, gab es bei uns nicht, daher die lange Ruhe, der sich unsere Stadt zu erfreuen hatte, während das Faustrecht fast in allen übrigen deutschen und nichtdeutschen Ländern wütete.

Bevor wir aber über die Gründung der Universität sprechen, müssen wir einige allgemeine Bemerkungen über den Kultur- und religiösen Zustand der damaligen Zeit in unseren Gegenden vorausschicken.

Als im Anfange des 15. Jahrhunderts in Südeuropa in Folge des Verkehrs mit Arabern und Byzantinern das Licht der Wissenschaften schon hell leuchtete und von den sich mehrenden Hochschulen seine Strahlen weit umher verbreitete, lag noch eine tiefe Nacht auf dem Norden, zu welchem Pommern gehörte. Die Wissenschaften wurden nur dürftig in den Mönchsschulen angebaut, und wenn man tiefer in sie eindringen wollte, so musste man Belehrung auf auswärtigen Universitäten suchen, von welchen die Hochschule zu Prag, vom Kaiser Karl IV. 1348 gegründet, von den Pommern am meisten besucht ward. Als aber zufolge der Reibungen zwischen den Deutschen und Böhmen die Ersteren eigene Hochschulen zu Leipzig und Erfurt gründeten, so wandten sich auch unsere Landsleute dahin. Die Geistlichen beschäftigten sich fast nur mit der Glaubenslehre, wie solche durch die Kirchenversammlungen zu Kostnitz und Basel festgestellt war und von den Glaubensinquisitoren überwacht wurde, oder mit dem Kanonischen Rechte; das römische Recht fand durch sie keinen Anbau. Trauriger sah es noch mit der Arzneikunde und den philosophischen Wissenschaften, ingleichen mit der Geschichte und Staatskunde aus.

Unter den Häuptern der pommerschen Geistlichkeit, den Bischöfen von Kamin, fehlte es nicht an Männern, welche die Mängel ihrer Zeit richtig erkannten und ihnen abzuhelfen suchten, aber es dauerte lange, bevor ihre Bemühungen den rechten Erfolg hatten. Solche Männer waren die Bischöfe Siegfried Buck und sein Nachfolger Henning von Iven, welche auf häufig abgehaltenen Synoden den Verfall der Kirchenzucht tadelten und dieselbe durch strenge Verordnungen wieder aufzurichten suchten. Sie verboten den Geistlichen den Besuch der Schenken und Zechgelage an den Vorabenden von Festen, den herkömmlichen Wettstreit im Trinken, die nächtlichen Schmausereien und eiferten gegen die schamlos getriebene Unzucht mit öffentlichen Kebsweibern und Huren.

Als sich gegen das Ende des 14. und zu Anfang des 15. Jahrhunderts die Universitäten in Deutschland rasch mehrten und unter den Fürsten ein Wetteifer entstand, dieselben anzulegen, so fühlte man auch bei uns das Bedürfnis, einen solchen Sitz der Wissenschaften zu begründen. Schon war zu Rostock 1419 eine Hochschule angelegt worden, aber sie konnte sich nur mit großer Mühe im Gedränge bürgerlicher und kirchlicher Streitigkeiten behaupten, und ihre Lehrer nutzten zu Anfang der vierziger Jahre zu Greifswald einen Zufluchtsort suchen, bis sie 1443 nach Rostock zurückkehren konnten.

In Greifswald war 1450 Heinrich Rubenow (1400-1462), aus einem alten und reichen Geschlechte daselbst herstammend, dessen Vorfahr wir schon im Mecklenburgischen Kriege aufgeführt gefunden haben, zum Bürgermeister erwählt worden. Er war Doktor des Kaiserrechts, soll eine Zeitlang Kanzler des Unionskönigs Erich gewesen sein, und stand mit dem Herzoge Wartislav IX. von Pommern im besten Vernehmen, der ihn in seinen Rat aufnahm und zur Beilegung von mancherlei Händel gebrauchte. Rubenow fasste den Entschluss, zu Greifswald eine Hochschule oder Studium universale anzulegen und führte ihn aus trotz aller Schwierigkeiten, die ihm entgegengesetzt wurden. Er gab von seinem eigenen Vermögen beträchtliche Summen dazu her, bewog den Herzog ein Gleiches zu tun und erlangte die Mitwirkung der Stadt Greifswald, der Äbte zu Eldena, Neuenkamp, Hiddensee und Pudagla. Als Papst Calixtus III. seine Erlaubnis erteilt hatte, ward 1456 am Sonntage nach Galli und Sulli, 17. Oktober, die neue Universität feierlich eingeweiht. Herzog Wartislav war dabei zugegen und schenkte der Universität die beiden großen silbernen Scepter, welche noch jetzt vorhanden sind. Die Einweihung vollzog Bischof Henning von Kamin und sein Suffragan, Bischof Albertus von Sydon. Die Einweihungsrede hielt der zum Lehrer der Theologie ernannte hiesige Franziskanermönch Werner Verman aus dem grauen Kloster in Gegenwart vieler Prälaten, des Rates und anderer angesehener Personen. Am 18. Oktober ward Dr. Rubenow als erster Rektor der neuen Universität eingeführt und bald auch zum Vizekanzler derselben ernannt. An der Nicolaikirche wurde ein Domkapitel gestiftet, dessen Mitglieder an der Universität lehren sollten. Die Äbte der obengenannten Klöster schenkten die beiden kleinen auch noch vorhandenen Scepter. Die nachfolgenden Herzöge haben es sich aller Zeit angelegen sein lassen, die Universität als eine Zierde des Landes zu unterstützen und zu beschützen.

001. Die Stände, in der Mitte als Vertreter des Handwerks ein Schmied mit einem Hammer.

001. Die Stände, in der Mitte als Vertreter des Handwerks ein Schmied mit einem Hammer.

Greifswald, Universität, Rubenowdenkmal auf dem Rubenowplatz

Greifswald, Universität, Rubenowdenkmal auf dem Rubenowplatz

Greifswald, Dom, Rubenowdenkmal

Greifswald, Dom, Rubenowdenkmal

Rubenow, Heinrich (1400-1462) Bürgermeister von Greifswald

Rubenow, Heinrich (1400-1462) Bürgermeister von Greifswald