Geschichte der Stadt Greifswald - 01. Ursprung der Stadt Greifswald

Aus der Landesgeschichte Mecklenburg-Vorpommerns
Autor: Hahn, J. C. (? - ?) Gymnasiallehrer, Erscheinungsjahr: 1860

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Enthaltene Themen: Mecklenburg-Vorpommern, Pommern, Greifswald, Hanse, Hansa

Nachdem das Kloster zu Eldena schon eine Reihe von Jahren mit gutem Erfolge bemüht gewesen war, in seinen Ländereien neue Dörfer und Vorwerke anzulegen und mit deutschen Ansiedlern zu besetzen, veranlasste es innerhalb seines Gebietes um das Jahr 1241 auch die Anlegung einer neuen Stadt. Das Jahr ihrer Begründung kann nicht mehr nachgewiesen werden. Die ältesten pommerschen Chroniken wurden erst 300 Jahre später geschrieben und beschränken sich darauf zu sagen, die Stadt sei ungefähr 1233 gegründet worden. Wenn wir aber die ältesten Stadturkunden und die mit ihnen gleichzeitigen Urkunden des Klosters Eldena näher erwägen, so ergibt sich ein Zeitraum zwischen den Jahren 1242 und 1248 als die wahrscheinlichste Zeit für die Gründung von Greifswald, welche in einer Urkunde des Klosters zum ersten Male 1248 als Stadt angeführt wird.

Den oben angegebenen Beispielen folgend, erwirkte der Abt zu Eldena im Jahre 1241 von dem Herzoge Warlislav III. von Pommern und dem Fürsten Wizlaw I. von Rügen die Erlaubnis, an einer schicklichen Stelle seines Gebietes einen Wochenmarkt einzurichten. Die uns noch erhaltenen Urkunden darüber besagen, das Kloster solle auch befugt sein, Ansiedler von allerlei Volk und Gewerbe bei sich aufzunehmen und allerlei Handwerke daselbst ausüben zu lassen. Das Kloster schritt alsbald zum Werke und mit solchem Erfolge, dass wir sieben Jahre später die Stadt in voller Blüte und als eine Hauptbesitzung des Klosters aufgezählt finden.

Der vom Kloster eingerichtete Wochenmarkt ward gehalten auf unserm jetzigen großen Markte, weil diese Stelle am höchsten und trockensten in der sehr sumpfigen Gegend war.

Unser große Markt ward demnach zuerst mit Häusern umbaut und ist als der älteste Teil der Stadt zu betrachten. Zu beiden Seiten des Marktes, nach Osten und Westen, wurden dann die Marien- und Nicolaikirche angelegt. Die erste Anlage der Stadt erstreckte sich vom Mühlentor bis zur Hunnenstraße, so dass die Stadt damals eine ziemlich quadratförmige Gestalt hatte. Dieser östliche Teil der Stadt wird daher in Urkunden die Altstadt genannt. Sehr bald indes ward auch das fettenthorsche Quartier hinzugefügt, wodurch nun die Stadt die Gestalt eines von Osten nach Westen lang gestreckten Vierecks erhielt. Dieser westliche Teil wird die Neustadt genannt.

Die rasche Zunahme der Stadt machte es dem Kloster bedenklich, fernerhin noch die Oberherrschaft über dieselbe zu führen. Schon im folgenden Jahre 1249 im Monat Juni übergab daher der Abt Sveno von Eldena die Stadt Gripeswold, welche er in dieser Urkunde eine neulich entstandene nennt, nebst zwanzig ihr beigelegten Hägerhufen oder 1.200 pommersche Morgen Feld, dem Herzoge Wartislav III.; nur bedingt er sich aus, dass die Stadt jährlich zu Martini fünfzehn Mark Pfennige und außerdem einen Pfennig von jeder Hausstelle an das Kloster zahlen solle. Er gestattet dagegen den Bürgern, in dem Klosterwalde Timmerholt zu schlagen. Der damalige Bischof Wilhelm von Pommern zu Kamin bestimmte im Juli desselben Jahres, dass der Abt das Patronat der Kirchen in Greifswald haben solle. Hierauf verlieh Wartislav III. sofort 1250 der Stadt Greifswald das Lübische Recht, worunter man verstand, dass die Verfassung und das Gerichtswesen nach deutscher Ordnung, so wie es in Lübeck eingeführt war, gehalten werden sollte. Demgemäß führte nun ein Rat, aus zwölf Männern bestehend, die gewöhnlich aus den Kaufleuten gewählt wurden, die Leitung der Stadtangelegenheiten. In einer von Wartislav III. 1253 gegebenen Urkunde, worin er der Stadt eine Wiese in der Gegend von Fretow schenkt, sind die zwölf Ratsmänner als Zeugen namentlich aufgeführt, nämlich: Jacob Trebtow, Walmod von Rostock, Radolf Klene, Gerhard Vette, Heinrich Rakow, Criacus, Frederik Enethlev, Gehard Cosvelt, Albert von Kile, Jacobus, Johannes Lübeck, Heinrich von Lucht. Bald ward die Zahl der Wachmänner auf 24 gesetzt, doch so, dass abwechselnd immer ein Dritteil davon zu Michaelis aus der Geschäftsverwaltung ausschied und nach Verlauf eines Jahres wieder eintrat; zwei Dritteile waren also immer beisammen. Auch werden bald die Senioren oder Altermänner der Bürgerschaft erwähnt, als bisweilen bei Geschäften befragt. Schon im Jahre 1264 erschienen in einer Urkunde auch die beiden Mönchsorden als in Greifswald ansässig, nämlich die Dominikaner oder schwarzen Mönche, welche das schwarze Kloster inne hatten, und die Franziskaner oder grauen Mönche, welche das graue Kloster bewohnten. Es wird daraus wahrscheinlich, dass schon damals das fettenthorsche Quartier zur Stadt gezogen war, denn die Dominikaner pflegten sich in unsern Gegenden nur innerhalb der Ringmauer anzubauen, und es ist nicht bekannt, dass sie ihr Kloster hieselbst anderswo gehabt hätten, als da, wo noch bis zu der Erbauung der neuen Anatomie und des großen Krankenhauses die Gebäude desselben standen. In demselben Jahre 1264 legte Herzog Barnim I. der städtischen Feldmark noch zwanzig Hufen zu. Es war den pommerschen Herzögen nämlich sehr an dem Gedeihen unserer Stadt gelegen, weil sie dieselbe als eine Vormauer und Grenzfestung gegen das Fürstentum Rügen betrachteten und dessen Stadt Stralsund einen Rivalen erschaffen wollten. Im Jahre 1249 war nämlich mit dem Fürsten Jaromar II. ein Vertrag zu Stande gekommen, in welchem er auf das Land südlich vom Ryck, also auch auf Greifswald, verzichtete, das ihm als von allen Abgaben befreites geistliches Gut keinen Gewinn mehr brachte. Auch mochte ihm wohl die Beförderung des Emporkommens zweier neuer Städte zu schwer fallen, daher beschloss er, alle seine Kräfte auf Stralsund allein zu verwenden, das den Mittelpunkt seiner Besitzungen bildete und den Zusammenhang des festländischen Teils derselben mit der Insel sicherte.

Der Anbau der Stadt muss schnell fortgeschritten sein; denn in dem Zeitraume von 1250 bis 1290 zeigen sich schon die sämtlichen jetzigen Hauptstraßen, die drei Kirchen, die beiden Klöster und Hospitäler, das Rathaus und die vier Tore, ingleichen die Wallpforten, welche Hemlike dore hießen, und die Wassertore. Die Straßen und die Tore führten gleich anfangs die Benennung, welche sie noch jetzt haben. Wir finden schon in den ältesten Stadtbüchern die Namen: Kohstrate, Brüggstrate, Knopstrate, Boikstrate, Vischstrate, Stenbeckerstrate, Hundestrate, Lange Strate, Racower Strate, Mölenstrate. Einige Straßenbenennungen kommen vor, die jetzt nicht mehr üblich sind, z. B. Gerberstrate, vielleicht in der Gegend des Gerberhofes, Stremelower Strate, welche wahrscheinlich von einem Bürger Stremelow ihren Namen führt. So ist die Racower Strate ohne Zweifel benannt nach dem schon im Jahre 1258 erwähnten Ratmanne Heinrich Racow; das Vettendor nach dem schon 1250 vorkommenden Namen Gerhard Vette; die Kapunenstrate nach dem im Jahre 1327 lebenden Bürger Gottschalk Kapun oder dessen Vater. Auch die Stenbeckerstrate ist vielleicht nach der Bürgerfamilie Stenbecker benannt. Im Jahr 1310 wird der Meister Ewerhard Stenbeke erwähnt, welcher eine Ziegelei auf dem Rosenthal hatte. Bei Helmshagen lag um das Jahr 1290 eine Mühle, welche Stenbeker Möle hieß. Ein Eckhaus hieß ôrthûs, vom Worte òrt, die Ecke; ein Seitenhaus: divèrhûs, Querhaus. Das Rathaus ward lateinisch Theatrum genannt. deutsch schlechtweg: dat hùs. Vor dem Tore wohnten Gärtner, welche Pacht an den Rat zahlten. An der Stadtmauer längs des Rycks standen Buden, welche Miete gaben; ebenso unter dem Rathause. Stenbeker ist nach Andern: Stenbicker, Steinhauer.

Durch Handel und Schifffahrt ward Greifswald bald im Auslande bekannt. Schon im Jahre 1262 erteilte König Haquinus von Norwegen in einer zu Bergen ausgestellten Urkunde den nach Norwegen fahrenden Greifswaldern die Zusicherung, dass sie dort ungehindert einkaufen und verlaufen könnten, und sicherte ihnen seinen Schutz zu. Seit 1270 finden wir Greifswald in Verbindung mit den wendischen Städten der Hansa, worunter besonders Lübeck, Wismar, Rostock, Stralsund, etwas später auch Anklam und Demmin verstanden wurde, so genannt, weil sie in den vormals wendischen Ländern gelegen waren. König Erich Glipping erteilte 1270 den Hansestädten, unter welchen er Greifswald namentlich anführt, Schutz und Sicherheit für die Fahrt nach einem neuen von ihm auf der Insel Seeland angelegten Markt. Zehn Jahre später, 1280, gestattete derselbe König den Greifswaldern die Anlegung ihrer Vitte oder Heringssalzerei zu Falsterbö in Schonen, nicht weit von Ystad. Aber mit dem Könige Erich Magnussen von Norwegen wurden die Hansestädte in einen heftigen Krieg verwickelt. Er hatte ihre Kaufleute bedrückt und ihre Handelsschiffe in Bergen mit Beschlag belegt. Die verbündeten Städte, unter ihnen Greifswald, rüsteten daher Schiffe mit Kriegsmannschaft aus, fuhren nach der norwegischen Küste und verbrannten dort Dörfer und Städte. Da bat der König um Frieden. Unter den Abgesandten zur Unterhandlung desselben war auch der damalige Bürgermeister unserer Stadt, Hinrich von Wolgast. Der König musste zur Erstattung des Schadens und der Kriegskosten an die Hansestädte 10.000 Mark zahlen. Die Schiffsflagge dieser Städte war weiß und rot, und wurde auch von unseren Schiffen geführt. Die größeren Schiffe nannte man Koggen, die kleinem Leihen; beide Wörter bedeuten Muscheln, Schneckenhäuser.


Im Siegel der Stadt ist ein Greif abgebildet, welcher auf einem Baumstamme steht, wodurch der Name Greifswald angedeutet werden soll.

Greifswald - Hunnenstraße, Nikolaikirche

Greifswald - Hunnenstraße, Nikolaikirche

Greifswald – Kuhstraße, Marienkirche

Greifswald – Kuhstraße, Marienkirche

Greifswald – Marienkirche, über den Häusern der Hafenstraße längs dem Ryck

Greifswald – Marienkirche, über den Häusern der Hafenstraße längs dem Ryck