Geschichte der Juden in Sachsen - 06

Beitrag zur Geschichte der Juden in Deutschland
Autor: Levy, Alphonse (1838-1917) deutsch-jüdischer Publizist, trat für die jüdische Gleichberechtigung ein und bekämpfte den Antisemitismus, Erscheinungsjahr: 1900
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Deutschland, Juden, Judentum, Sachsen, Judenverfolgung, Mittelalter, Deutsche, Menschenrechte, Bürgerrechte, Staatsbürger, Religion, Glaubensgenossen, Heimat, Antisemitismus
Abermals wendete sich das Blatt zu Ungunsten der Juden im Jahre 1411, als ihnen auf Befehl des Landgrafen Friedrich in ganz Meißen und Thüringen Vermögen und Grundbesitz genommen wurde. Der Rat zu Dresden erwarb damals vom Landgrafen den „Jüdenhof" und die dortige „Judenschule" und benutzte diese fortan als Waffenhaus, Gewandhaus für Jahrmarktszwecke, als Getreidespeicher und schließlich als Brauhaus.*) Eine bessere Zeit schien für die Juden zu kommen, als Friedrich der Streitbare im Jahre 1425 den fünfzig Jahre vorher festgesetzten hohen Judenzins auf 875 Gulden, „gut im Golde und schwer genug am Gewichte" ermäßigte, einzelnen Juden auch noch besondere Vergünstigungen gewährte.

Es heißt in der betreffenden, in Weißenfels ausgestellten Urkunde wörtlich: „Das wir alle unser Juden Judine vnd yre Kindern vnd alle yre gesinde die eigentlichin yre Dinere vnd Dinnerynne sien die in allen vnsern landen Steten vnd gebieten irgend wonen nichtis nicht vssgeslossen Sundern die Juden gensyt des Frenkiswaldes vnd die Juden in vnsere Herczogtum zcu Sachsen vnd ouch vssgeslossen Ysaak Juden zcu Ihnene gesessen vnd Abraham Juden zcu Lipczk gesessen vnd die yren noch vsswiesunge ire brive die sie vns dorubir haben begnadit haben also daz wir sie beschuczen vnd verteidingen sullen ir lieb ir gut als vnser Kammerknechte." Diese mehrfach angezweifelte Bezeichnung steht hiermit urkundlich fest.**) Außer der erwähnten Steuer mussten aber die Juden je nach ihrem Vermögen, noch einen Beitrag leisten, wenn der Landesfürst eine besondere „Bete" (Steuer) von seinem Lande oder von den Städten zu erheben genötigt war. Das Recht, Grundstücke zu erwerben, so weit dies nicht zur Anlegung von Synagogen erforderlich war, blieb den Juden auch in den meißnischen Ländern versagt. Dass Friedrich der Streitbare den Juden die unter der Aufsichtsgewalt stadtherrlichen Beamten, namentlich des Kämmerers, von dem jeweiligen Rabbiner ausgeübte eigene Gerichtsbarkeit ließ, geht aus einer Urkunde vom Jahre 1425 hervor***), in welcher wörtlich die Bestimmung des von Friedrich dem Strengen gegebenen Privilegs aufgenommen war, dass bei Klagsachen zwischen Christen und Juden nicht das gewöhnliche Gericht zu entscheiden habe: ,,so sulden vir eynen uz unsern rate oder sust eynen bydirmann wer dorczu gebn".

*) Richter, Verfassungsgeschichte der Stadt Dresden. S. 227 und 229.
**) Sidori, Geschichte der Juden in Sachsen, S. 33, Anmerkung 1.
***) Ludwig, Reliquiae 10, 229.


Noch vor Ablauf der von dem Markgrafen Friedrich dem Streitbaren († 1428) festgesetzten Schutzjahre fand unter dessen Nachfolger in Dresden im Jahre 1430 abermals eine Judenverfolgung statt, über welche der „Pirn. Mönch" sagt, dass man die Juden beschuldigt habe, es mit den Hussiten gehalten und durch allerlei Untreue das allgemeine Elend gefördert zu haben. Hasche*) gibt ebenfalls an, dass das verräterische Volk mit den Hussiten heimlich gehalten und allerlei Münzmalversationen begangen hatte". Diese Vorwürfe bezeichnet aber Dr. Leicht-Meißen unter Hinweis auf Richters „Verfassungsgeschichte der Stadt Dresden"**) als völlig unerwiesen. Kurfürst Friedrich der Sanftmütige habe wahrscheinlich seinen durch die Hussitenkriege erschöpften Finanzen durch Wegnahme der reichen Güter der Juden aufhelfen wollen. Übrigens scheint die Beschuldigung der Münzfälschungen schon deshalb unbegründet, weil die sogenannten „Judenhüte“ erst 10 Jahre später geprägt wurden und ihren Namen im Volksmunde nur einer Verwechselung zwischen den damaligen Kopfbedeckungen der Bergknappen und den gehörnten Judenhüten verdankten. Dr. Leicht sagt treffend: „Nichts lag näher als im Landeswappen und auf den Münzen, welche man dem Segen des Bergbaues verdankte, den Bergmann anzubringen. Der bärtige Kopf auf dem Meißener Stadtsiegel ist kein Judenkopf. Die Juden waren lange vor der Einführung dieses Siegels in Meißen völlig ausgerottet. Im gemeinen Leben nannte man die Münzen „Judenköpfe", weil man den Judenkopf auf ihnen zu erkennen glaubte. Der Kopf der Münzen stellt aber sicher einen Bergmann vor".

*) Hasche, Diplom. Geschichte Dresden II S. 15.
**) Richter, Verfassungsgeschichte der Stadt Dresden S. 231.

Kurfürst Friedrich der Sanftmütige, der am 25. Februar 1430 alle Juden aus Thüringen und Meißen treiben ließ, gab dem Rat zu Dresden am 26. Februar 1430 Brief und Siegel darüber, dass Alles, was „unsre Bürger in Dresden am Tage zuvor den dortigen Juden angetan, auf sein Vollwort und Geheiß geschehen sei".*) Da die Austreibung schon zehn Jahre vor der Prägung der Judenköpfe" vollzogen wurde, hatte die Münzsache damit nichts zu schaffen. Erst unter dem Jahre 1440 verzeichnet der Chronist Dr. Andreas Möller in seinen „Freybergischen Annales“, dass der Churfürst Friedrich und der Herzog Wilhelm „noch dieses Jahr eine reformation in der Müntze fürgenommen und grosse ganze Groschen mit Judenköpfen, die man daher Judenhüte genannet, wie auch kleine mit Löwen zu Freibergk müntzen lassen. Die grossen haben zwantzig einen Römischen Gulden gegolten." Unter dem Jahre 1457 findet sich folgende weitere Mitteilung: „Zu Freibergk hat man dieses Jahr zum erstenmahl Churfürstliche Creutz- und Schwertgroschen gemüntzet, die zwar kleiner an der Form, doch in gleichem werth an halten mit den grossen Jüdenhüten gewesen." Diese Angaben beweisen hinlänglich, dass die Juden mit dem Münzwesen nichts mehr zu schaffen hatten, da die dortigen Juden die Bergstadt Freiberg noch vor der Vertreibung ihrer Glaubensgenossen aus Dresden hatten räumen müssen. Schon bei dem Jahre 1411 steht in den (1653 gedruckten) Freibergischen Annalen des Dr. Andreas Möller verzeichnet: „1411 sind die Jüden, welche zu Freibergk in der Vorstadt gewohnet am Orte, den man noch itzo den Jüdenbergk nennet, wegen grossen Wuchers, so sie getrieben, gefänglichen eingezogen und hernach gantz aus dem Lande verwiesen worden." Das Wörtchen „hernach" würde sich wohl mit dem Jahre 1430 decken, in welchem die große Vertreibung stattfand. Die Freiberger Juden scheinen sich nach dem nahegelegenen damals zu Böhmen gehörigen Städtchen Sayda gewandt und dort Grundstücke erworben zu haben. Dies geht aus nachstehender Aufzeichnung Möllers hervor: „Anno 1467 ist das Städtlein Oedern (Oederan) bei Freibergk, gleichwie zwei Jahre zuvor, Anno 1465 den 31. Martii, das Städtlein Sayda gantz ausgebrandt. Oedern hat sich durch Gottes Hülffe des Schadens bald erholt. Sayda aber ist nur halb wieder aufgebawet worden, weil man die Jüden, welche die andere Helffte bewohnet und Ursach des erlittenen Brandes gewesen, abgewiesen und nicht wieder einnisten lassen wollen." — Für den Aufenthalt der Juden in Sayda zeugen übrigens die heute dort noch üblichen Benennungen „Judenborn“ und „Judenkirchhof." — In Freiberg war der vorher von den Juden bewohnte Teil der Vorstadt (jetzt der Rothe Weg) der Kirche als Eigentum anheimgefallen. In Möllers Annalen heißt es darüber: „Anno 1545 den 26. Martii hat Herzog Moritz den Kauff, welchen E. E. Rath Anno 1541 mit Balthasar von Ragewitz, dem letzten Tum Dechant zu Freibergk wegen des Jüdenberges fürn Erbischen Thore geschlossen, bestetiget und die Lehen darüber erteilet."

*) Richter, Verfassungsgeschichte der Stadt Dresden. S, 231.