Frauen als Welt- und Forschungsreisende

Aus: Das Buch für Alle. Illustrierte Familienschrift. Zeitbilder. Heft 1. 1918
Autor: Dr. Adolph Kohut, Erscheinungsjahr: 1918

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Themenbereiche
Enthaltene Themen: Weltreisen, Forschungsreisen, Wissensdurst, Reiseberichte, Afrikareise,
Die Geschichte der Weltreisen weist neben bahnbrechenden Forschern und Entdeckern auch einige von Wissensdurst und Liebe zur Natur beseelte Mädchen und Frauen auf, die sich um die Kenntnis ferner Länder große Verdienste erwarben und Anerkennung und Ruhm ernteten. Manche unter ihnen zeichneten sich durch Unerschrockenheit und Kühnheit aus und wurden geradezu Märtyrerinnen ihres Forschungseifers und ihrer Sehnsucht, Pfade zu beschreiten, die bis dahin der Fuß keines Europäers betreten hatte.

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In älterer Zeit unternahm die Markgräfin Karl Alexander von Ansbach, eine geborene Elisabeth Craven — 1750 bis 1828 —, große Reisen durch ganz Europa; später, nachdem ihr Gatte seine Länder an Preußen abgetreten hatte, wurde sie von Kaiser Franz II. zur Reichsgräfin erhoben. Sie veröffentlichte zahlreiche, geistvoll geschriebene Reiseberichte. Besonders wertvoll ist ihr Werk: „Briefe über eine Reise durch die Krim nach Konstantinopel. „Es zeugt von klarem und sachlichem Urteil dieser ungewöhnlich begabten Frau, dass sie der Türkei und dem türkischen Nationalcharakter stets ungetrübte Gerechtigkeit zuteilwerden ließ. Über das Betragen der Türken gegen das zarte Geschlecht findet sie nicht Worte genug der Anerkennung. So schrieb sie: „Ein Türke wird Zum Tode verurteilt, seine Papiere werden untersucht, man bemächtigt sich aller Sachen im Hause, aber die Frau wird versorgt, und ihre Edelsteine bleiben ihr. Der Harem ist heilig.“ Auch die Höflichkeitsbezeigungen der Türken hob sie rühmend hervor; sie bemerkte: „Ich wollte, der türkische Gruß wäre Mode an Stelle unserer lächerlichen Verbeugung, die nichts ausdrückt und selten wohlgefällig gemacht wird. Der Türke legt seine rechte Hand auf sein Herz und biegt sich ein wenig vorwärts. Ich versichere, dass dieser Gruß, wenn er von einem Lächeln oder einem ernsthaften Blick begleitet ist, weit mehr ausdrückt, als alle unsere europäischen Begrüßungen, die ich mit Vergnügen bei der Hälfte meiner Bekannten entbehren möchte.“

Ein tragisches Schicksal ereilte die Afrikareisende Alexandrine Tinné, eine Holländerin, die in den Jahren 1856 und 1858 ihre Mutter nach Ägypten begleitete, welch letztere 1861 ganz dahin übersiedelte. Alexandrine Tinné unternahm mit ihrer Mutter und ihrer Tante 1862 ihre erste große Reise nach dem oberen Nil bis Gondokoro. Im Februar 1863 begann sie von Chartum aus ihre zweite Reise, von den bekannten Forschern Heuglin und Steudler begleitet, nach dem Gazellenfluss und Dschur. Dort traf sie das Unglück, ihre Mutter und ihre Tante als Opfer des mörderischen Klimas zu verlieren. Doch brach ihre mutige Seele dadurch nicht, und ihr Forschungstrieb blieb so lebendig, dass sie im Juli 1868 Algier und Tunis besuchte und im Januar 1869 von Tripolis aus eine neue Reise nach dem Innern Afrikas antrat, um über Bornu nach dem oberen Nil vorzudringen. Auf dem Wege von Murzuk nach Ghat ereilte sie ihr Verhängnis. Sie wurde von räuberischen Tuaregs überfallen und ermordet. Die so unglücklich endende Frau war ebenso schön wie geistvoll. Fürstenhöfe standen ihr offen, und sie fand Bewunderer, wohin sie sich auch immer wenden mochte. Doch Schmerzen, welche einem wunden Herzen entsprangen, ließen ihr keine Ruhe; sie suchte Trost und Erholung darin, dass sie die Paläste mit den Wüsteneien Afrikas vertauschte. Da sie mildtätig und freigebig war, befanden sich in ihrem Gefolge jederzeit freigekaufte Sklaven in großer Anzahl. Nichts Abenteuerliches fand sich an ihr, die nichts weniger war als eine Emanzipierte ihres Geschlechts. Wie Alexandrine Tinné reiste, mögen nachstehende kurze Angaben über eine ihrer Afrikareisen dartun. Sie führte unter anderem für 800 Pfund Sterling oder 15.900 Mark Kupfergeld in zehn Kamellasten mit sich, weil im Sudan kleines Geld zum Wechseln schwer zu bekommen war. Ferner waren zweihundert Personen, dreißig Esel und Maultiere, vier Kamele und ein Pferd, Munition und Proviant auf ein Jahr aufgeboten. Bei dem Gepäck befanden sich eineinhalb Tonnen Glasperlen und 20.000 Kaurimuscheln, die als Tauschmittel und Geld dienten.

Auf dem Zentralfriedhof in Wien ruht in einem Ehrengrab eine der merkwürdigsten und eigenartigsten Frauen, deren Reisen über Land und Meer zu ihrer Zeit das größte Aufsehen erregten: Ida Pfeiffer. Geboren zu Wien 1797, erreichte sie ein Alter von einundsechzig Jahren. An ihrer Gruft erhebt sich eine sieben Fuß hohe, aus geschliffenen: Granit hergestellte Pyramide, deren Mitte das in weißem Laaser Marmor ausgeführte Bildnis der Weltreisenden zeigt. Darunter ist ein auf stürmischer See dahinfahrendes Segelschiff aus Bronze angebracht; die Spitze des Denkmals ist symbolisch mit einer Erdkugel, ebenfalls aus Bronze, gekrönt. Eine Frau von ungeheuerer Energie, unternahm sie erst in: fünfundvierzigsten Jahre ihre erste Weltreise. Alexander v. Humboldt gab Ida Pfeiffer beim Antritt einer ihrer späteren Reisen nach Madagaskar ein Empfehlungsschreiben mit, worin er unter anderem betonte, dass sie nicht nur durch edle Ausdauer berühmt sei, die sie inmitten vieler Gefahren und Entbehrungen zweimal um die Welt geführt habe, sondern vor allem auch durch die liebenswürdige Einfachheit und Bescheidenheit, die in ihren Werken vorherrsche, durch die Wahrheit und Reinheit ihres Urteils, die Unabhängigkeit und gleichzeitige Zartheit ihrer Gefühle. Wohin sie auch kam, erweckte sie überall durch Liebenswürdigkeit und große Kenntnisse die Teilnahme der Menschen. Ihre Reiseerlebnisse veröffentlichte sie in verschiedenen Werken, die rasch hintereinander mehrere Auflagen erlebten und in viele fremde Sprachen übersetzt wurden. Ihre wahrheitsgemäßen Schilderungen lesen sich wie spannende Romane.

Eine Forschungsreisende und zugleich gewandte Reiseschriftstellerin war die 1815 zu Militsch in Niederschlesien geborene und 1876 in Stuttgart verstorbene Ida v. Düringsfeld, die unter anderem ausgedehnte Reisen nach Italien, Dalmatien, Belgien und Frankreich unternahm. Die Früchte ihrer ethnographischen Studien verwertete sie in verschiedenen Werken: „Böhmische Rosen“; „Aus Dalmatien“; „Lieder aus Toskana“; „Von der Schelde bis zur Maas“; „Sprichwörter der germanischen und romanischen Sprachen“; „Brauch und Glauben der Hochzeit bei den christlichen Völkern Europas“. Während die zuerst genannten Forscherinnen vor allem Land und Leute kennen lernen und darüber berichten wollten, brachte Ida v. Düringsfeld am meisten Anteil der Geschichte, Literatur und Kultur der betreffenden Völker entgegen, und da sie außerordentliche Sprachkenntnisse besaß, leistete sie auch Hervorragendes.

Als Reisegefährtin ihres Mannes, des österreichisch-ungarischen Afrikaforschers Doktor Emil Holub, lenkte Rosa Holub allgemeine Aufmerksamkeit auf sich. Sie teilte mit ihm alle Strapazen, war ihm Genossin und Kameradin, in Freud' und Leid seine beste Stütze. Unerschrocken und todesmutig gleich ihrem Mann, ertrug und überstand sie alle Gefahren einer Afrikareise unter den ungünstigsten Verhältnissen. Sie machte täglich, ohne über Ermüdung zu klagen, Märsche von über achtundzwanzig bis dreißig Kilometer, oft mit Fieber und in voller Ausrüstung, inmitten furchtbarer Gefahren, im dunkelsten Afrika. Sie schlief Wochen hindurch, namentlich als Doktor Emil Holub und seine Begleiter im Kampf nicht nur gegen Panther und Löwen, sondern auch gegen die Schwarzen im Maschukulumbenlande lebten, kaum eine Nacht. Bei einen: Anfall dieser wilden Völkerschaft verteidigte sie tapfer das Lager und die wichtigen, auf das mühseligste fortgebrachten wissenschaftlichen Instrumente und Sammlungen ihres Gatten; ihrer Entschlossenheit war es zu verdanken, dass diese für die Forschung so wichtigen Gegenstände erhalten blieben. Ebenso musste sie viele Tage und Nächte lang ohne Fußbekleidung mit wunden Füßen über Stoppeln abgebrannten Rohres und scharfen Grases im Moraste marschieren. Von mitleidigen Schwarzen aus dem Stamme der Matoka wurde sie mehrere Tage hindurch getragen. In hohem Grade fesselnd sind die Schilderungen, die ihr Gatte in seinen zahlreichen Reisewerken von den Erlebnissen, Forschungen und Jagden gibt, die er stets in Begleitung seiner Frau unternahm. Nicht minder fesselnd sind seine Erzählungen von den Abenteuern, die er und Rosa Holub in den Diamantenfeldern in Kimberley erlebten.

Unter den der neueren Zeit angehörigen Frauen dieses Kreises gebührt einer märkischen Forscherin von hoher Begabung, der Schlossherrin von Roennebeck in der Altmark, Agathe v. Roennebeck, besondere Beachtung. In ihrem Schloss, wo sie als liebenswürdige gastfreie Hausfrau waltet, befindet sich eine der eigenartigsten undlehrreichsten Kunstsammlungen. Diese Frau durchquerte wiederholt
Europa, Asien und Afrika, und die Eindrücke, die sie in drei Weltteilen in sich aufgenommen, legte sie in anregenden, lebensvollen, von scharfer Beobachtung, feinster Bildung und tiefem Gemüt zeugenden Reisetagebüchern nieder, die indes nur handschriftlich vorhanden sind. Überall wandte sie dem Volksleben, den Sitten, Gebräuchen, Gewohnheiten sowie den Nationaltrachten ihre Aufmerksamkeit zu.

Als Reisende und Sammlerin von Ruf ist Marie v. Amerling zu nennen, die von ihren Fahrten und Abenteuern fesselnd zu berichten weiß. David Kalakaua in Honololu, ein inzwischen verstorbener König der Sandwichsinseln, empfing sie als halbzivilisierter Herrscher europäisch gekleidet und unterhielt sich mit ihr längere Zeit, wobei er sich mit besonderem Anteil über Wien zu erkundigen suchte, wo er vor vielen Jahren schöne Tage verlebt habe und durch allerlei Auszeichnungen geehrt worden sei. Dass er in dem ehemaligen Vergnügungslokal „Ronacher“ an der schönen blauen Donau auf der Bühne den Vortänzer gemacht, verriet Seine Schwarze Majestät wohlweislich nicht. Tags darauf wurde Marie v. Amerling von der Königin Keralandia empfangen. Diese hieß die Weltumseglerin neben sich niedersetzen. Auch Keralandia trug ein aus Europa stammendes weißes, silberdurchwirktes Brokatkleid. Eine Hofdame machte den Dolmetsch, da die Honolulumajestät nur die Inselsprache beherrschte. Sie fand Wohlgefallen an den Schilderungen der Europäerin, die ihr über gesellschaftliche Sitten und Gebräuche bei der weißen Rasse viel erzählen musste. Nach einem fast einstündigen Gespräch löste die Königin ein aus sehr kleinen Goldfedern bestehendes Halsband los und band es um den Hals der Weltreisenden, sie zum Abschied umarmend.

Eine der am weitesten gereisten deutschen Frauen ist wohl die bekannte Malerin, Dichterin und Schriftstellerin Hermione v. Preuschen. Im letzten Jahrzehnt vor dem Krieg durchquerte sie fünfmal die Welt. Sie weilte nicht nur flüchtig an einem Ort, sondern sah sich überall gründlich um und blieb jeweilig neun bis elf Monate unterwegs. Besonders lange weilte sie im Innern Afrikas sowie in Indien, namentlich in Indochina, dann auf Java, Sumatra, in China und Japan. Dreimal war sie auf Ceylon. Fünf Jahre lebte sie in Amerika, unter anderem auch in Utah bei den Mormonen. Sie verfasste über ihre Weltreisen manche fesselnde und lehrreiche Werke über Ostindien, Birma und Ceylon unter dem Titel: „Durch Glut und Geheimnis.“

Als eine der ältesten und welterfahrensten Frauen der Gegenwart ist die Romanschriftstellerin Katharina Zitelmann zu nennen, die den größten Teil Europas, Ägypten, Vorder- und Hinterindien, China, Japan und Amerika wiederholt bereiste; sie ist eine Weltreisende in des Wortes bester Bedeutung. Ihre Erlebnisse und Studien verwertete sie in verschiedenen Romanen, Erzählungen und Reisewerken, aber auch in Vortrügen, die durch Projektionsbilder unterstützt werden. Mit guter Beobachtungsgabe und feinem seelischen Verständnis für fremde Völker ausgezeichnet, ist sie wie dazu geschaffen, Neues, Interessantes und Eigenartiges zu erkennen und treffend zu schildern. Besonders dankenswert sind ihre Mitteilungen über die Deutschen und das Deutschtum außerhalb Europas sowie zugleich über die Stellung der Frau in den asiatischen und afrikanischen Ländern. Sie zählt zu den deutschen Weltreisenden, denen das Verdienst zukommt, über Land und Leute Japans in anschaulicher und zugleich wahrheitsgemäßer Weise schon zu einer Zeit berichtet zu haben, als es bei uns in Deutschland noch zum guten Tone zählte, alles was im Reiche des Mikado vorging, zu verherrlichen und diesem ostasiatischen Staat eine Deutschfreundlichkeit anzudichten, die ihm weder zukam noch zukommt. Sie bekämpfte entschieden die zur Modekrankheit gewordene Sitte oder besser gesagt Unsitte, alles Japanische zu verhimmeln.

Ida Pfeiffer geb. Reyer (1797-1858) österreichische Weltreisende

Ida Pfeiffer geb. Reyer (1797-1858) österreichische Weltreisende

Ida v. Reinberg-Düringsfeld (1815-1876) Schriftstellerin

Ida v. Reinberg-Düringsfeld (1815-1876) Schriftstellerin

Rosa Holub (1865-1958) österreichische Forschungsreisende

Rosa Holub (1865-1958) österreichische Forschungsreisende