Fahrt nach Arkona auf der Insel Rügen

Aus: Meine Reise durch Schlesien, Galicien, Podolien nach Odessa, der Krim, Konstantinopel und zurück über Moskau, Petersburg, durch Finnland und die Insel Rügen im Sommer 1832. Zweiter Teil. Leipzig, 1834.
Autor: Behr, August von (?-?), Erscheinungsjahr: 1834
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Mecklenburg-Vorpommern, Insel Rügen, Reisebeschreibung, Aale, Neuendorf, Pommern, Arkona, Jasmund, Wiek, Greifswald, Putbus, Stubbenkammer
Will man sich das Beste pour la bonne bouche aufsparen, darf man es nicht machen wie wir; man muss vielmehr die entgegengesetzte Tour einschlagen, und die Stubbenkammer zuletzt sehen. Bewirkte es vielleicht nur der einzig schöner Abend, der herrliche Morgen – kamen unsere Gefühle und Empfindungen dabei zu sehr in Betracht; - genug wir hatten den Kulminationspunkt erstiegen, gingen bergab, und Alles erschien uns jetzt wo nicht schaal, doch unschmackhaft. Ich begreife nicht, wie man Arkona schöner finden kann, als die Stubbenkammer mit ihren prächtigen Buchenwäldern, grandiosen Felsenmassen, den Wundern der Herthasagen, des Königsstuhls.

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Hier ist ein Zyklus vieles Schönen; dort hat man Meer, nichts als Meer, was freilich denen, die es zum ersten Male und zwar von diesem hohen isolierten Standpunkte aus erblicken, herrlich und besonders imposant erscheinen muss. Wer aber, wie wir, das Meer länger als notwendig und nicht gerade auf die interessanteste Weise genossen hat, kann sich möglicher Weise dafür nicht interessieren; – doch ich will ruhig weiter erzählen. Wir ließen auf unserer Fahrt nach Arkona, da wir uns nicht zu lange aufhalten wollten oder konnten, drei Merkwürdigkeiten links liegen, 1) einen alten Opferstein, einen länglichen Granitblock, der 3 – 4 Fuß Höhe und einen Umfang von einigen und zwanzig Fuß haben soll. Man will daran noch in den, vielleicht zufälligen Vertiefungen die Rinnen zum Ablaufen des Bluts der Opfertiere, vielleicht der Menschenopfer und Plätze für die Opfergefäße etc. wahrnehmen; dann 2) die vortreffliche Sammlung von Altertümern, Fossilien und Petrefakten des Pastors Franke in Bobbin, die Beste, die es für die Antiquitäten Rügens gibt und unendlich besser und reichhaltiger, als die Freund Scheplers in Sagard; besonders reich durch die Ausgrabungen der, in dieser Gegend zwischen Jasmunder Bodden und Ostsee im nördlichen Teil Jasmunds am häufigsten sich findenden Hünengräber; endlich 3) den, am Ende der Landzunge, „die Schabe“, beim Eintritt auf Wittow befindlichen Park: „Juliusruhe“ genannt, den ein Sonderling, ein Herr von Läken, auf einer der unpassendsten, ödesten, einsamsten Stellen des ganzen Erdbodens hier anzulegen, für gut fand, das Unternehmen aber wegen Mangel an Fonds nicht ganz beendigen konnte. Schade, um die weggeworfenen Summen! Unser Weg, führte uns nicht fern, davon vorbei, und der Aufenthalt wäre nicht bedeutend, aber auch nicht lohnend gewesen; denn es soll jetzt dieser Grund eine halbe Wüstenei bilden, und großen Teil mit Flugsand bedeckt sein.

Der Weg über die Schabe, diejenige Landzunge, welche Wittow mit Jasmund verbindet, und zur Halbinsel macht, da es sonst eine vollständige Insel wäre, ist einer der langweiligsten, den es gibt. Er ist den Wegen auf der Frischen und Kurischen Nehrung vollkommen ähnlich, nur in sofern etwas besser, dass man hier auf beiden Seiten Wasser sieht, rechts das Tromper Wiek, eine Ostseebucht, und links den großen Jasmunder Bodden; denn oft ist sie nur 200 Schritte breit. Der Wagen bewegt sich in tiefem Sand oder auf Steingeröll langsam Schritt für Schritt, und wir zogen es vor auszusteigen und auf dem festen Sandgrund dicht am Wasser des Tromper Wiek entlang zu gehen. Man sieht hier noch die Trümmer eines verunglückten Schiffs, das, wie man sagte, hier absichtlich zu Bevorteilung der Assekuranz-Kompagnie gescheitert war. Mit fiel auf diesem Wege lebhaft meine Fahrt auf der Kurischen Nehrung von Memel nach Königsberg ein, als ich im Winter 1827-1828 zum ersten Mal in Petersburg war und im Frühjahr von dort zurückkehrte. Keinem Reisenden ist wohl je die berüchtigte Strandfahrt interessanter als mir erschienen; denn ich war von Petersburg bis Memel ohne Aufenthalt im Schlitten und auf grässlich stauchenden Kibitken gefahren, hatte – wie ein Kurier – in dreimal 24 Stunden 120 deutsche Meilen zurückgelegt, war ganz erschöpft, streckte mich hier zum ersten Male in den langen preußischen Postchaisen auf meinen Kissen gemütlich aus, atmete deutschen Frühlingsanfang und sah mit Lust, die Sonne gen Westen in die Ostsee sich tauchen, während ich nach und nach in tiefem Sande langsam dahin geschleift und sanft gewiegt, entschlief. Kotzebue seligen Andenkens beschrieb die Fahrt nicht so interessant und hatte freilich Recht.

So hat jede Sache zwei Seiten und idem ist nicht immer idem. Hier konnten wir auch nur eine Seite finden, die uninteressante; sie war aber Gottlob! in zwei Stunden beendige und das fruchtbare, kornreiche, mit Dörfern übersäte Wittow winkte uns links herüber lieblich in weiter Ausdehnung. Dicht vor Arkona kamen wir noch durch das kleine Dörfchen Vilm, berühmt durch Kosegarten und seine Uferpredigten, die hier zur Zeit des Heringsfangs gehalten werden. Um diese Zeit ist nämlich ein großer Teil der Einwohner am Ufer beschäftigt, und kann sich füglich nicht bis nach Altenkirchen, dem Pfarrdorfe (eine halbe Stunde von da) entfernen, acht Sonntage des Jahrs hindurch finden diese Predigten statt, auf einem großen amphitheatralischen Rund, auf welchem die Gemeinde sich lagert, bei schlechtem Wetter aber versammelt man sich in einer Kapelle dicht am Seeufer. Wir kamen nun nach dem Endpunkt Arkona, wohin wir strebten, dem nördlichsten, aber, wie gesagt, nicht zugleich dem schönsten Punkte Rügens und Deutschlands, obschon es auch ihm an Annehmlichkeiten nicht fehlt.