Eulenspiegel in Pommern.

Aus: Die Volkssagen von Pommern und Rügen
Autor: Gesammelt von Temme, Jodocus Donatus Hubertus (1798-1881) Politiker, Jurist und Schriftsteller, Erscheinungsjahr: 1840
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Mecklenburg-Vorpommern, Sage, Volkssage, Pommern, Eulenspiegel
Es hatte sich Eulenspiegel in allen Landen mit seiner Bosheit bekannt gemacht, und wo er einmal gewesen war, da war er nicht zum zweitenmal willkommen. Derohalben war er nun zwar anfangs guter Dinge, auf die Dauer aber ging er doch in sich, und gedachte was er anfinge, dass er wieder zu Gelde käme durch Nichtstun, denn er sah, dass Mancher mit Müßiggehen bessere Tage hatte, denn ein Anderer mit saurer Arbeit. Da gedachte er, dass er noch nicht im Pommerlande gewesen sei, und er nahm sich vor, dahin zu gehen. Er kleidete sich also aus für einen Mönch, nahm von einem Bauernkirchhofe irgend einen alten Totenkopf, den er in Silber einfassen ließ, und reiste damit in das Land Pommern, wo die Priester zu damaliger Zeit sich mehr aufs Saufen denn aufs Predigen legten. Wenn er denn nun in ein Dorf kam, wo Kirchweihe, Hochzeit oder sonst eine Versammlung war, so bat Eulenspiegel den Pfarrherrn, dass er predigen und den Bauern das Heiligtum verkünden dürfe, welches er mit sich führe. Versprach demselben auch, dass er ihm wolle abgeben von den Opfern, so er bekommen werde. Damit waren die Pfaffen gern zufrieden, dass sie Geld bekämen.

Wie nun das meiste Volk in der Kirche war, stieg Eulenspiegel auf den Predigtstuhl, und sprach viel von der alten Ehe und von der neuen, von der Arche und dem goldenen Eimer, wo das Himmelbrot innen lag, dass ihn die Leute zuerst für einen grundgelehrten und heiligen Mann hielten. Alsdann aber zeigte er ihnen seinen versilberten Totenkopf, und redete ihnen zu, dass dies das Haupt eines großen Heiligen sei, so Brannio geheißen, und für den er zu einer neuen Kirche sammeln wolle. Alsdann forderte er sie auf, dass auch sie zu dieser Kirche opfern sollten. Dabei fuhr der Schalk dann fort: Das tuet aber nur mit reinem Gut. Absonderlich will der Heilige kein Opfer von einer Ehebrecherin. Die unter Euch eine solche und nicht rein ist, die stehe still, und gehe nicht zum Opferaltare. Denn so mir Eine was opfern würde, die des Ehebruchs schuldig ist, so nehme ich es nicht, von der verschmäh' ich es. Darnach wisst Euch zu richten.

Hierauf gab er nun den Leuten das Haupt, das er mit sich führte, zu küssen, erteilte ihnen seinen Segen, und trat an den Altar zu dem Opferbecken. Alsdann fing der Pfarrherr an zu singen und die Schellen zu lauten. Da drangen denn die bösen mit den frommen Weibern zum Altar, um zu opfern, lind die ein böses Geschrei hatten, oder die nichts taugten, die waren die ersten mit ihrem Opfer; denn eine Jede meinte, die still stünde und nicht an das Opferbecken träte, die sei nicht fromm. Etliche waren sogar, die zwei oder drei mal opferten, dass es das Volk sollte sehen, und sie aus ihrem bösen Geschrei kämen. Und welche kein Geld hatten, die opferten ihre Ringe oder was sie sonst von Wert besaßen.

Eulenspiegel aber lachte, denn er bekam so viele Opfer, dergleichen bisher noch nicht war gehört worden. Und er zog als ein reicher Mann aus Pommern.

Altes Historienbuch von Till Eulenspiegel, gedruckt in diesem Jahr.

Temme, Jodocus Donatus Hubertus (1798-1881) Politiker, Jurist und Schriftsteller

Temme, Jodocus Donatus Hubertus (1798-1881) Politiker, Jurist und Schriftsteller