Einiges über sogenannte Hünensteine und die Sage von den Hünen.

Aus: Mecklenburgs Volkssagen. Band 2
Autor: Von A. C. F. Krohn zu Penzlin, Erscheinungsjahr: 1862
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Mecklenburg-Vorpommern, Sage, Volkssage, Groß-Flotow, Penzlin, Riesen, Hünen, Hünengräber, Granitblöcke, Granitsteine
Wer einmal den Weg von Groß-Flotow bei Penzlin nach der zu diesem Gute gehörenden Meierei gegangen ist, dem wird gewiss auch die rechts vom Wege, in der Gegend der Kleinflotower Windmühle vereinzelt im Felde stehende Eiche nebst dem daneben liegenden mächtigen Granitblocke aufgefallen sein. Und beide sind auch der Beachtung wert; der Stein wegen seiner Größe und beide, Eiche und Stein, weil sie mit einander verwachsen zu sein scheinen, gleich als hielte sich einer am anderen, um so vereint besser den Stürmen der Zeit und des Wetters widerstehen zu können.

Der Stein hat so ziemlich die Form eines schräg abgeschnittenen Kegels mit unregelmäßiger, etwas in die Länge gezogene Grundfläche. Seine größte Höhe hat er neben der Stelle, wo er mit der Eiche so eng verbunden ist, und misst er dort von der Erde aus reichlich sieben Fuß, also dass ein Mann von mittlerer Größe mit ausgestrecktem Arm nur gerade die Spitze anlangen kann. Der Umfang beträgt zwischen 40 und 50 Fuß. Die geneigte Fläche ist südwärts gekehrt und bemerkt man, mehr nach der Spitze zu, auf derselben in einer bogigen Linie sieben kleine, noch ziemlich deutliche, halbkugelförmige Vertiefungen.

Von diesem Steine erzählt man sich, dass er nicht immer hier gelegen habe, sondern dass ein Hüne*) ihn aus der Gegend von Strelitz, also drei Meilen weit, mit einem Wurfe hergeworfen habe, und dass durch den Druck seiner Hand die obenerwähnten Vertiefungen als Fingerspuren entstanden seien.

*) Riese, welche man für die ältesten Bewohner Mecklenburgs hält.

Auch bei Penzlin lag vor Zeiten ein ähnlicher, aber platterer Stein unweit des Stadthofes, welche Gegend man noch heute mit dem Namen „bi'n Hünenstein" bezeichnet. Dieser Stein ist nach Versicherung alter glaubwürdiger Leute so groß gewesen, dass auf seiner ziemlich ebenen Oberfläche sieben Menschen haben neben einander liegen können. Er ist jetzt aber nicht mehr dort, sondern man hat ihn, um ihn wegzuschaffen und zu benutzen, in kleinere Stücke zersprengt. Diesen Stein sollte ebenfalls im grauen Altertume ein Hüne dahin geworfen haben und zwar von Neuendorf bei Neubrandenburg aus in der Absicht, den Penzliner Kirchturm zu treffen und umzuwerfen, doch soll ihm dies nicht geglückt sein, indem er zu weit rechts geworfen hat.

Ferner befindet sich in dem südwestlichen Teile der Stadtmauer Penzlins und zwar an der Innenseite ein Granitstein, der an der hervorragenden Kante rundlich ausgehöhlt ist.*) Dieser soll gleicherweise das Wurfgeschoss eines Strelitzer Hünen gewesen und die Vertiefung durch den Druck seines Daumens entstanden sein.

*) Vielleicht auch ein alter halber Taufstein, eine sogenannte Fünte.

Derartige Sagen scheinen sehr verbreitet zu sein; mindestens erzählt man Ähnliches von einem bei Treptow liegenden großen Steine, den man dem Wurfe eines Hünen von Neubrandenburg zuschreibt, und auch von einem Orte in der Nähe von Rostock weiß man eine gleiche Geschichte.

Dieser Ort liegt an dem rechten Ufer der Unterwarnow, etwa eine Meile von Rostock, neben einem Tannengehölze und führt im gemeinen Leben den Namen „de dre Bröre".*) Es sollen nämlich einmal bei dem gegenüberliegenden Lütten-Klein drei Hünen-Brüder gewohnt haben. Diese wurden mit einander darüber uneinig, wer unter ihnen der Stärkste wäre. Um den Streit zu schlichten, suchten sie sich die drei größten Steine, welche nur in der Gegend zu finden waren. Mit diesen warfen sie nach einander nach dem gegenüberliegenden Ufer des Flusses, aber nur einer erreichte das Ziel und dieser wurde denn auch als der Stärkste und der Anführer von den beiden andern Brüdern anerkannt.

*) Die drei Brüder.

Hier mag auch gleich der gelegene Ort zur Mitteilung dessen sein, was ich sonst noch von alten Leuten über die Hünen habe erzählen hören. Im Allgemeinen ist es dies:

Ehe noch die Wenden nach Mecklenburg kamen, wohnten hier im Lande die Hünen, ein Riesenvolk, das aber schon längst ausgestorben ist. Nur ihre Gräber, die Hünengräber, sind noch nachgeblieben. Diese geben uns indes Beweis genug, was für ein mächtiges und starkes Volk es gewesen sein muss, das darunter begraben liegt. Als die Kleinen, „de Lütten", ins Land kamen, war der Hünen Herrschaft zu Ende und sie starben endlich auch nach und nach ganz aus.

Zu dieser Zeit geschah es, dass ein Hünenvater seiner jungen Tochter den Auftrag machte, die Schweine hinab ins Holz zu treiben.

Vorher hatte das Riesenmädchen noch nie die elterliche Behausung verlassen und so war es also nicht wenig erstaunt, als es zum ersten Male die ihm noch ganz fremde Welt erblickte. Am meisten verwunderte es sich über ein kleines Geschöpf, das nach seiner Meinung wohl Ähnlichkeit mit Menschen hatte, aber doch zu klein war, um Mensch sein zu können, und das hinter einem eben so winzigen Pfluge, mit zwei niedlichen Öchslein bespannt, herging. Es hatte nichts Eiligeres zu tun, als „das prächtige Spielzeug" mit den Händen zusammen zu fegen und in die Schürze zu tun. Dann eilte es mit vollen Sprüngen zum Vater zurück, um dem auch den guten Fund zu zeigen.

Der Vater aber schüttelte ernst und traurig den Kopf und sprach: „Det sünd uns' Vedriewer, Kind; vör demöt'n wi wieken!"*) worauf es naiv meinte: ,,Sal'k denn nich en Pöhlken maken und se doarin versöpen?"*)

Das aber gab der Vater nicht zu, indem er meinte, es würde ihnen das zu nichts helfen, denn „de Lütten kriegen uns doch ünne!"*)

*) „Das sind unsere Vertreiber, Kind; vor denen müssen wir weichen!"
**) „Soll ich denn nicht ein Pfuhlchen machen, und sie darin ertränken?"
***) „Die Kleinen kriegen uns doch unter!"


Und so ist es auch geschehen; und hätten die Hünen nicht die großen Gräber gemacht und die mächtigen Steine allenthalben aufgerichtet, so würde man auch nichts mehr von ihnen wissen.