Einige Bemerkungen über die noch vorhandenen Waldungen auf dem Klützer Ort

Autor: Boll, Ernst (1817-1868) Mecklenburger Privatgelehrter, Naturforscher, Historiker, Herausgeber und Publizist, Erscheinungsjahr: 1851
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Mecklenburg, Kützer Ort, Boltenhagen, Grevismühlen, Waldbau, Land- und Forstwirtschaft
Aus: Archiv des Vereins der Freunde der Naturgeschichte in Mecklenburg. Band 5. Herausgegeben von Ernst Boll. Neubrandenburg. 1851

Sie fragen mich, *) mein geehrter Freund, ob es auf dem Klützer Ort noch größere Waldungen gebe, oder ob die ,,siva Clutse", wie diese Gegend urkundlich bezeichnet werde, ganz verschwunden sei.

*) Nämlich zum Behufe einer kleinen kulturgeschichtlichen Abhandlung von mir, welche für eins der nächsten Hefte des Archivs bestimmt ist. — E. Boll.

Ich teile Ihnen deshalb im Folgenden mit, was ich teils aus eigener Anschauung hierüber weiß, teils aus sicherer Quelle habe in Erfahrung bringen können.

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Einen „Klützer Wald“ unter diesem Namen und in der urkundlich früheren Ausdehnung gibt es freilich nicht mehr. Doch ist der Klützer Ort, ungeachtet seines bekanntlich sehr fruchtbaren und zum Kornbau vorzugsweise geeigneten Bodens, noch nicht ganz arm an Wald und Holz. Eine beträchtliche Waldung ist zuvörderst in der Nähe von Klütz selbst. Sie liegt westlich vom Flecken und zieht sich in nördlicher Richtung etwa eine halbe Meile lang hin. Da, wo sie anfängt, an der Straße nach Tassow, hat man ein Bogentor errichtet mit den gräflich von Bothmerschen Farben — blau und weiß — und mit der Inschrift: „Lenoren-Wald 1768.“ Dies Laubholz ist größtenteils noch junger Anwuchs und wird daher sehr geschont. Ferner befinden sich bei den ritterschaftlichen Gütern Rankendorf, Kalkhorst, Brook, Schwansee, Parin und Küssow noch ganz ansehnliche Waldungen, meist schönes, starkes Laubholz, vornämlich Buchen, weniger Eichen und noch weniger Nadel- und anderes Weichholz. Auch das ca. 100 Fuß hohe Ostseeufer bei Brook und Schwanseeein gewöhnliches Vergnügungsziel der Boltenhäger Badegäste im Sommer, von wo man eine großartige, reizende Aussicht auf Travemünde und Lübeck, auf die gegenüber liegende, einige Meilen entfernte, holsteinische Küste und weit in die offene See hinaus hat, — ist bewaldet. Der Sanddorn (Hippophaë rhamnoides) schmückt hier die bewachsenen Abhänge der Küste, die übrigens bis nach dem Badeorte Boltenhagen hin in einer Länge von beinahe zwei Meilen fast nur nackte und schroffe Lehmwände bis zur Höhe von 120 Fuß hat. — Ebenso sind die ca. 300 Fuß hohen Hamberge bei Grevesmühlen — wenn man sie noch zum Klützer Ort rechnen will, — teilweise mit trefflichem Holzwuchs bestanden, welcher von der dortigen Forstinspektion wirtschaftlich gepflegt wird. Die meisten dieser Waldungen und einige andere hier und da zerstreut liegende kleinere Gehölze mögen vormals zusammenhängend gewesen und jetzt noch als Überreste der urkundlichen „silva Clutse“ zu betrachten sein. Berechnet man den Gesamtflächeninhalt des Klützer Orts auf etwa 6 Quadratmeilen, so dürften die noch vorhandenen Waldungen mit Einschluss der Torfmoore wohl höchstens den sechsten Teil davon d. i. eine Quadratmeile einnehmen.

Als eine kleine Merkwürdigkeit erwähne ich hier noch, dass auf der Rankendorfer Feldmark noch vor zehn Jahren ein von einem früheren Besitzer des Gutes angepflanzter kleiner Akazienwald — Robinia Pseud-Acacia — vorhanden war. Die Stämme hatten zum Teil Manns-Dicke erreicht, gaben aber mit ihren bereits sämtlich abgestorbenen Gipfeln den Beweis, dass dieser nordamerikanische Fremdling sich zur Forstkultur in unserem rauen, stürmischen Klima nicht eigne. Seitdem ist dies Wäldchen weggeräumt und als Brennholz verkauft worden.

Die berechnende Ökonomie unserer Zeit findet es überhaupt ungleich vorteilhafter, den guten Boden in Kornfelder umzuwandeln, als ihn, wie in früheren Jahrhunderten, Holz tragen zu lassen. Daher kommt es, dass manche selbst von den größeren Gütern sich kaum das zum eignen Bedarf erforderliche Nutz- und Brennholz konserviert haben und dass der Faden Buchenholz in unserer Gegend mit 8 bis 10 Thalern bezahlt wird. — Ein Glück ist es bei diesem zunehmenden Holzmangel, dass der Klützer Ort mehrere große und kleine Torfmoore besitzt, die mit Ausnahme von solchen, die in der unmittelbaren Nähe der See belegen, mithin den Überschwemmungen und Einflüssen des Seewassers ausgesetzt sind, ein Produkt von vorzüglicher Güte und in reichlicher Menge liefern. In einigen dieser Moore z. B. bei Rankendorf findet man, gleichwie in manchen anderen Gegenden Mecklenburgs, viele umgestürzte, ziemlich starke Baumstämme mehrere Fuß tief unter der Oberfläche liegen, alle mit dem Wurzelende nach Westen gerichtet. Dem Anscheine nach sind es Tannen und Birken, die vormals durch Sturmwinde niedergeschlagen und von der fortgehenden Torfbildung allmählich begraben sein mögen. In einem zum Forstrevier Tankenhagen gehörigen Torfmoore fand man noch ganz kürzlich auch mehrere ungewöhnlich große und vielendige Geweihe von Edel- und Dammhirschen und sogar eine zwei Fuß lange Schildkrötenschale mit dem noch vollständig erhaltene Skelett des Tiers. Den Mitteilungen des Herrn Försters Evers zu Tankenhagen zufolge, sind diese gefundenen Gegenstände nach Gadebusch, zur Aufbewahrung auf dem dortigen Forsthofe, gesandt worden.

Übrigens verdanken mehrere unserer Waldungen ihre bisherige Erhaltung unstreitig dem Granitgerölle, woran der Klützer Ort an manchen Stellen ganz außerordentlich reich ist. Diese problematischen Einwanderer der Vorzeit, über deren Ab- und Herkunft nur wenig sinnige, aber desto mehr unsinnige Hypothesen von Gelehrten und Ungelehrten aufgestellt sind, liegen vornämlich in der Umgegend von Tankenhagen, Klein Vogtshagen, Grevenstein, Rankendorf, Borkenhagen und Kalkhorst so massenhaft und in so riesigen Blöcken neben und aufeinander gelagert, dass bisher jeder Gedanke an ihre Entfernung als durchaus unausführbar erscheinen und aufgegeben werden musste. Bei unseren Chausseebauten sind diese uralten Lager unberührt geblieben, weil man das erforderliche Material näher haben konnte. — Dagegen war es dem gegenwärtig in Ausführung begriffene Lübeck-Büchener Eisenbahnbau und den damit verbundenen großartigen Wasserbauten an der Trave bei Lübeck vorbehalten, den Anbruch dieser Felsenmassen zu veranlassen. Nach einer ungefähren, gewiss nur mäßigen Schätzung sind seit einem Jahre über 2.000 Schachtruthen d. i. über 300.000 Kubik-Fuß rheinl. ausgebrochen, gesprengt, per Achse an den Dassower See und von da weiter zu Schiff nach Lübeck transportiert. Man lässt sie unentgeltlich verabfolgen, doch belaufen sich die Sprengungs- und Transportkosten mindestens schon auf 25.000 Thaler.

Wenngleich eine Erschöpfung dieser reichen Felsenlager und ein Mangel an Fundament- und Bausteinen für den eigenen Bedarf, ungeachtet dieses starken Abgangs, der übrigens nach einigen Monaten mit der Vollendung des Eisenbahnbaues schon aufhören wird, noch keinesweges zu fürchten ist, so werden doch unsere Waldungen, in dem die Gerölle größtenteils liegen, auch hierdurch wieder einen nicht unbedeutenden Teil der ihnen bisher noch gebliebenen Ausdehnung verlieren.

Steilkueste am Grosskluetzhoevd bei Boltenhagen, 2008 Autor: wikipedia, Ch. Pagenkopf

Steilkueste am Grosskluetzhoevd bei Boltenhagen, 2008 Autor: wikipedia, Ch. Pagenkopf

Boltenhagen - Bauernhof hinter Villa Reese

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Grevismühlen, Bahnhof

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