Eine Stromfahrt in Warnemünde 1903

Aus: Das Buch für Alle. Illustrierte Familienschrift. Zeitbilder. Heft 3. 1903
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Mecklenburg, Ostseeküste, Rostock, Warnemünde, Seebad, Badeort, Warnow, Breitling, Strom,
Der Flecken Warnemünde in Mecklenburg-Schwerin, der gut gelegene und durch treffliche Molenbauten geschützte Hafenplatz der Stadt Rostock, erfreut sich seit Jahrzehnten eines ausgezeichneten Rufes auch als Seebadeort. Kräftiger Wellenschlag, ein schöner Strand und eine Anzahl wohlgeleiteter Gasthöfe ziehen eine von Jahr zu Jahr wachsende Zahl von Erholungsbedürftigen namentlich aus den nördlichen Provinzen in den hübschen, sauberen Ort an der Mündung der Warnow. Und wie in jedem rechten Badeorte darf es darum auch nicht an Unterhaltung und Zerstreuung fehlen

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Die von dem Zeichner unseres Bildes auf S. 37 dargestellte „Stromfahrt“ bildet allsommerlich einen Höhepunkt dieser festlichen Veranstaltungen. Das bescheidene Küstenflüsschen (Warnow), das von seinen Anwohnern niemals anders als kurzweg „der Strom“ genannt wird, hat allerdings kaum einen gegründeten Anspruch auf diese Bezeichnung, die leicht allerlei irrtümliche Vorstellungen von seiner Größe und der reißenden Schnelligkeit seines Laufes erwecken könnte. Es ist in Wahrheit ein ziemlich harmloser Wasserlauf (Warnow), der sich nur kurz vor seiner Mündung zu einem allerdings recht stattlichen See, dem Breitling, erweitert, und der eben tief genug ist, um Seeschiffen von nicht allzu beträchtlicher Wasserverdrängung das Einlaufen zu gestatten. Aber am Ufer dieses Stromes zieht sich die Hauptstraße von Warnemünde dahin, und die freundlichen, blitzsauberen Häuser, deren jedes mit einer großen, zimmerartigen Glasveranda versehen ist, werden von den Sommergästen mit Vorliebe als Wohnung gewählt. Hier lässt sich gemächlich der recht interessante Schiffsverkehr beobachten. Auf dem Strom spielt sich auch das Hauptvergnügen der Saison ab. Es ist ein mit Illumination und Feuerwerk verbundener Wasserkorso, der für die Zuschauer am Ufer gewöhnlich nicht weniger amüsant ist als für die Teilnehmer in den Booten. Denn in ihrem reichen Schmuck von bunten Lampions gewähren diese in langer Reihe aneinander vorübergleitenden Fahrzeuge in der abendlichen Dunkelheit einen wunderhübschen Anblick. Wie bei jedem richtigen Korso spielt das Bombardement mit Blumen auch hier die Hauptrolle. Aber es ist eine Ergötzlichkeit von etwas feuchter Natur, denn die duftigen Wurfgeschosse verfehlen häufig ihr Ziel und fallen in den Fluss, aus dem sie dann von den Insassen der Boote wieder aufgefischt und ohne allzu ängstliche Rücksicht auf empfindliche Damentoiletten weiterverwendet werden. Den Abschluss der bei Jung und Alt gleichermaßen beliebten Stromfahrt bildet stets ein Konzert der Kurkapelle und eine lustige Tanz Unterhaltung in einem der großen Hotels.

Eine Stromfahrt in Warnemünde 1903

Eine Stromfahrt in Warnemünde 1903