Doberaner Renntage 1874

Aus: Der Sporn. Zentral-Blatt für die Gesamt-Interessen des deutschen Sports. Offizielles Organ des Union-Klubs und sämtlicher Deutschen Renn-Vereine
Autor: H. T., Erscheinungsjahr: 1874
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Mecklenburg-Vorpommern, Doberan, Renntage, Pferderennen, Taubenschießen, Lindenhof, Fritz Reuter Beisetzung in Eisenach
So wären wir denn von Hamburg über Eisenach, wo uns der traurige Vorzug zu Teil ward, dem Dichter Fritz Reuter das letzte Geleit geben zu dürfen, wieder in dem traulichen Tale von Doberan angelangt und im Lindenhof des Herrn Glöde vor Anker gegangen. In den Renntagen ist's nicht leicht, im Lindenhof, ein Gasthaus nach alter Art, mit geräumigen Stallungen, Remisen, Hofräumlichkeiten, Garten usw. ein Unterkommen zu finden und, wie im vorigen Jahre, musst' ich auch diesmal für die ersten Nächte mein Zimmer, in dem drei Betten standen, mit einem, für mich wildfremden Herrn teilen, der glücklicherweise dasselbe ausschließlich als Dormitorium benutzte: das dritte Bett blieb, den Göttern sei Dank, wenigstens unbesetzt. Dass in einem Gasthof nach altem Schnitt, in einem Orte wie Doberan, der jetzt erst zum Range einer Stadt erhoben werden soll, das Ajustement nicht modern und hochkomfortable sein kann und sein wird, braucht kaum bemerkt zu werden, aber um Küche und Keller ist's immer gut bestellt bei Glöde und das ist am Ende doch die Hauptsache. Wenn ich nur wüsste, wie ich das altmodische Schreibegespinde, das auf meinem Zimmer steht, öffnen könnte! Freilich steckt ein Schlüssel im Schloss des einen Schubkastens, aber dieser steht fest und unbeweglich wie der Polarstern und ich bin kein Ali-Baba, um das ehrwürdige Möbel durch eine Zauberformel zu erschließen. Aber draußen, auf dem langen und breiten Korridor, stehen ja mehrere, mit Wachstuch bekleidete Tische, auf denen sich die allerschönsten Plaudereien schreiben ließen, wenn man die allerschönsten Ideen und auch das nötige Talent dazu hätte. Ein Wink von mir – und der Knecht des Hauses, der übliche „Johann“ trägt mir den Tisch ins Zimmer. Nun will ich gleich beichten, dass ich den ersten Tag der heurigen Doberaner Rennen leider versäumt habe, weil ich nicht wusste und nicht glauben mochte, dass sich die Rostock-Doberaner Post nur zweimal am Tage an die, von Schwerin kommenden Eisenbahnzüge anschließt. Als ich am Sonnabend den 25. Juli Abends den Lindenhof betrat, war das erste Rennen des hiesigen Sommer-Meetings eben vorüber und ich erfuhr von dem Totalisatoristen, Herrn E. Dedicke aus Hamburg, der mich für den intellektuellen Urheber des Schreckenswortes „Taschenentleerungsschwindelmaschineningenieur“ hält – (der ich leider wirklich nicht bin) – erfuhr von ihm, dass Se. Königl. Hoh. der Großherzog, wie sonst, auch diesmal geruht hätten, des Richteramtes zu walten, in Assistenz des Grafen v. Plessen-Ivenack und des Vizemarschalls v. Langen-Neuhof. Den Preis im Herren-Reiten (No. 1 des Programms) habe Herrn v. Langen - Belitz's brauner Hengst „Golos“ gewonnen, No. II., das „Zuchtrennen“ für Dreijährige, 1000 Thaler etc. habe sich aber des Grafen Sierstorpffs „Jacoby“ nein! „Königstrank“ nicht entreißen lassen, wonach also der Königstrank des berühmten Wundertrank-Gentleman, Herrn Carl Jacoby, denn doch keine so üble Erfindung zu sein scheint. Schade, dass die Rheumatismusketten des seligen Goldberger so ganz aus der Mode gekommen sind! ein rheumatischer Ketten-Crack würde sich originell auf einem Turfprogramm ausnehmen. Im „Erinnerungs-Rennen“ (No. 3) siegte Herrn Julius Espenschieds br. Stute „Eilig“ und machte – nomen et omen – ihrem Namen Ehre. Im „Marien-Rennen“ siegte des persönlich anwesenden Baron v. Oppenheims dreijähriger Hengst „Gastgeber“, im großen Doberaner Handicap des Fürsten zu Hohenlohe-Oehringens br. Stute „Union“, und den Preis im Schluss-(Verkaufs-)Rennen des ersten Tages trug des Rittmeister Frhrn. v. Eickstedts „Semolina“ davon. Doch all das wird der mir unbekannte Vertreter der Redaktion – Herr André ist in England – bereits viel besser, ausführlicher und mit Fachkenntnis, die mir gänzlich mangelt, für den „Sporn“ berichtet haben.

Tags darauf, Sonntag, den 26. Juli, fand Tauben-Schieß-Sport am heiligen Damm statt. Die Herren Dedicke und Bertel mit ihrem Totalisator, die Tags zuvor bei den Rennen gar nicht übel abgeschnitten haben sollen, waren auch hier mit dabei. Apropos! an den drei Tagen des Hamburger Sommer-Meetings haben die genannten Totalisateurs mit ihrer sinnreichen Maschine nicht weniger als 54.000 pr. Thlr. vereinnahmt und 50.600 Thlr. Gewinne ausgezahlt; das „fluuscht“, sagt der Pommer. Dem Sonntags-Taubenschießen beizuwohnen war ich verhindert. – Die Kommunikation zwischen dem „Ort“ und dem „Damm“ ist immer noch problematisch – erfuhr aber, dass Prinz Hatzfeldt, die Herren von der Lühe, von Kahlden und von Langen-Belitz die Matadoren gewesen seien. Montag, den 27. (den zweiten Renntage des Meetings) machte ich dem würdigen General-Sekretär des Doberaner Renn-Vereins, Herrn Senator Freytag, der dies Amt bereits 22 Jahre sans peur et sans reproche verwaltet und in drei Jahren also sein viertelhundertjähriges Jubiläum feiert, meine Aufwartung und fuhr nach Schluss der Rennen mit ihm zur „Stadt“ – (Doberan soll's ja werden) –– zurück. Das Wetter war prächtig, Tribüne und Sattelplatz fand ich sehr gut besetzt und auch außen in der Nähe dieser Zuschauer-Räume herrschte Leben und Bewegung. Ich fand gar viele Berliner, die am heiligen Damm wohnen, auf dem Rennplatz, namentlich waren Koryphäen der plutonischen Aristokratie ziemlich zahlreich vertreten. Präzis um vier Uhr erschien Se. Königl. Hoheit der Großherzog und Gemahlin, einen famosen Zweispänner selbststeuernd, auf dem Platz und das „Pauls-Rennen“ ging ungesäumt in Szene. Um den Preis kämpften nur zwei Pferde, Herrn Espenschieds Fuchs-Hengst „Pflastertreter“ und Herrn v. Oppenheims „Tybalt“, der Sieger blieb; allein es wurde Protest gegen diesen Sieg erhoben, und es brauchte nach Schluss des Programms eine gute Stunde, ehe von Seiten des Schiedsgerichts zu Gunsten des Tybalt ein Wahrspruch gefällt werden konnte. Über den weiteren Verlauf der Rennen dieses Tages zu referieren, überlassen wir dem technischen, sportsmännischen Berichterstatter und wollen nur noch erwähnen, dass der Königl. Preussische Landstallmeister Graf G. von Lehndorff, den wir im Sattel zu sehen längere Zeit nicht das Vergnügen hatten, des Herrn von Cramms br. Hengst „Baromètre“ mit altbekannter Virtuosität siegreich durchs Ziel steuerte.

Am Abend dieses Tages waren mehrere Trainers und Jockeys bei Gollmann (in Doberan am Kamp) eingekneipt und ein paar unzweifelhafte Berliner Bekassinen hatten an einem nachbarlichen Tisch Platz genommen. Die Konversation der Söhne Albions war lebhaft und laut und oft fiel das Wort my dear! „Gott! was sind sie doch ungebildet, diese Leute“ – meinte die eine Halbweltdame – „da sagt immer einer zum andern mein Tier!“ „H. T.“

Der Kamp mit dem Herzoglichen Palais.

Der Kamp mit dem Herzoglichen Palais.

Der Kamp in Doberan.

Der Kamp in Doberan.

Das Stahlbad zu Doberan.

Das Stahlbad zu Doberan.

Die Kapelle in Althof.

Die Kapelle in Althof.

Der Heilige Damm und die Ostsee.

Der Heilige Damm und die Ostsee.

Das Salon- und das Badehaus in Heiligendamm.

Das Salon- und das Badehaus in Heiligendamm.

Der Neue Markt in Doberan.

Der Neue Markt in Doberan.

Die Großherzoglichen Logierhäuser in Heiligendamm.

Die Großherzoglichen Logierhäuser in Heiligendamm.

Das Sommerhaus der Alexandriene.

Das Sommerhaus der Alexandriene.

Die Kirche - Das Doberaner Münster.

Die Kirche - Das Doberaner Münster.

Der Kamp nach Osten.

Der Kamp nach Osten.

Das Großherzogliche Palais in Doberan.

Das Großherzogliche Palais in Doberan.