Doberan, den 16. August 1832

Aus: Bunte Briefe. Erster Teil.
Autor: Seyffarth, Woldemar Dr. (?-?), Erscheinungsjahr: 1832
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Mecklenburg-Vorpommern, Doberan, Reisen, Ostsee, Ostseebad, Kuren, Badegesellschaft, Badekur
Verehrter Freund!
Sind Sie fertig mit Betrachten und zufrieden mit meiner Aufmerksamkeit? Nicht wahr, das Bildchen da oben, dessen Unterschrift mir die Nennung des Ortes erspart hat, von welchem ich Ihnen jetzt schreibe, nimmt sich recht hübsch aus? Und das schöne, mit Tinte unterstrichene Gebäude heißt nicht bloß das Logierhaus, sondern ich logiere auch darin, und der Lockenkopf, den ich da so zierlich in das dritte Fenster des ersten Stocks gemalt habe, – wenn Sie etwa wegen der undeutlichen Tinten, Malerei ihn nicht erkennen sollten, das ist mein Kopf. Der Einfall, solche Lithographien auf Briefpapier zu drucken, gehört einem spekulativen Manne, und Respekt, mein Freund, vor meiner Vaterstadt, dem berühmten Weißenfels, denn hätte auch keine Louise Brachmann und kein Adolph Müllner dort gelebt, hätte auch Napoleon das dortige Rathaus nicht für zu groß erklärt im Verhältnis zur Stadt, der Ruhm von Weißenfels wäre doch begründet und gesichert durch den spekulativen Mann, der zuerst den dortigen Marktplatz auf Briefpapier lithographierte. Zwar hat er durch einen an vielen Orten nachgeahmten Einfall Anderen wahrscheinlich mehr genützt, als sich selbst. Das tut indes eben so wenig, als dass ich seinen Namen nicht weiß. Ich will nicht besser sein als meine Vaterstädter und diese sind undankbar gegen ihre großen Männer – bei deren Leben. Wie Müllner noch täglich und nächtlich durch die Straßen spazierte, nahmen. Viele nicht den Hut vor ihm ab. Kaum war er zur letzten Ruhe getragen, so erhob sich über seinem Grabe ein einfach zierliches Denkmal. Das, hoffe ich, wird auch dem Lithographen geschehen. Übrigens gleichen der dortige und der hiesige sich darin, dass sie ihren Lithographien geschmeichelt haben. Wie hübsch nimmt da oben Doberan sich aus! Und in der Wirklichkeit –, halt, so weit sind wir noch nicht.

Ich schrieb Ihnen zuletzt vorgestern Morgen von Kyritz in banger Besorgnis vor den fühlbaren Zudringlichkeiten der dortigen Postkutsche, und leider! war diese Besorgnis nicht unbegründet. Kaum eingestiegen und über das Pflaster weggerädert rief ich zu wiederholten Malen mit dem Soldaten in: ein Stündchen vor dem Potsdamer Tore: o Kyritz, o Kyritz, mein Vaterland! denn die Wehmut, wenn ich des weichen, bis dahin im Eilwagen genoffenen Sitzes gedachte, presste mir die Seufzer ellenlang aus. Doch nein, auch mein Leiden in dieser Stoßmaschine hatte sein Gutes. Unwiderlegbar drang sich mir der Beweis auf, dass meine anno 1827 gebrochenen drei Rippen unzerbrechlich, geheilt sind. Und wenn es wahr ist, dass, Leidensgefährten zu haben, die eigenen Leiden weniger schmerzhaft macht, so bot sich mir dieser, bei allen gebildeten Nationen, übervoll vorhandene Trost in einem meiner beiden Begleiter, dem Schaffner, der, als er noch nicht Schaffner war, den dummen Streich begangen hat, sich bei Belle-Alliance, ich glaube, vierzehn Male verwunden zu lassen. Dem war, wie vielen Anderen, die belle-Alliance sehr schlecht bekommen, er marterte gleich vielen Anderen sich noch jetzt damit, sie zu verdauen. Und was räsonnierte der Mann, trotz des gelben Kanonenbandes im Knopfloch! Ich wette, er war kein Alt-Preuße, denn er fand die preußische Postkutsche schlecht. Er hatte sich jedoch schon vieles Preußische angeeignet, sprach in Einem fort von seinen Taten und seinen Wunden und versicherte meinem Nachbar, einem Berliner Juden, der mit Bewunderung den Helden anstaunte und aus Angst und Bewunderung blass wurde, dass bei jener denkwürdigen Schlacht der letzte Engländer eben im Verscheiden gelegen hätte, als die preußischen Adler hervorgebrochen, die Preußen wie die Löwen auf die Franzosen gefallen, Blut in Strömen geflossen und – um Gott! schrie der Jude, sprechen Sie mir nicht von Blut, ich kann Blut nicht hören! Das war, nebenbei bemerkt, eine Lüge, denn der Jude war, wie sich später zeigte, ein Berliner Wucherjude, der aber einen besonderen Wert darauf setzte, dass er nur mit Kavallerie-Offizieren Geschäfte mache. An den armseligen Zwecken, drückte der Ungeschliffene sich aus, ist nichts zu verdienen und viel zu verlieren. Ich halte es mit den Hufeisen. – Wie würden die Zwecken den bearbeiten, wenn sie das wüssten!

In Wittstock wurde Mittag gemacht und ein kurzes Verweilen in Meyenburg, der letzten preußischen Stadt, erlaubte einen Vesper-Imbiss. Als wir eine kleine Viertelstunde hinter dieser Stadt die Grenze überschritten, drang sich mir zum Besten, der Reisenden der schmerzlich empfundene Wunsch auf, dass Seine Majestät der König oder mindestens Seine Postherrlichkeit, Herr von Nagler, binnen Kurzem genötigt werden möchte, diese Straße per Fahrpost zu bereisen. Der Eigensinn der Postillone, auf den steinigen Wegen am schnellsten zu fahren, würde dem Könige so gut wie mir, dem blessierten Schaffner und dem blutscheuen Juden, den Leib vor Schmerzen zusammenziehen und dann würde sein erster freier Atemzug sagen, was Allerhöchst Dieselben vor einigen Jahren, gelangweilt von dem Sandwege, welcher damals von Berlin nach Dresden führte, zu sagen geruht haben: Chaussee bauen – nächstes Jahr fertig. Viele finden in Aussprüchen solcher Art, wenn sie ins Werk gerichtet werden, einen Beweis für die Trefflichkeit des monarchischen Instituts. Die Besserung des Wegs von Kyritz bis Meyenburg müsste dem halsstarrigsten Widersprecher den Mund stopfen. Und würde Herr von Nagler in der federlosen Postkutsche so zerbeutelt, zerschlagen und zerstoßen, wie der blessierte Schaffner es wöchentlich zweimal wird, der blutscheue Jude es zum dritten Male wurde und ich, so Gott will, es nicht wieder werden mag, ich bin überzeugt, Herr von Nagler würde sofort ein ausgemustertes Berliner Kutschchen herbei beordern, und behaupte gewiss nicht zu wenig, dass er dadurch ein schöneres Verdienst um Deutschland sich erwerben würde als durch manche andere Berufs-Arbeit.

In Plau wurde das preußische Elend zu einem mecklenburgischen. Aber wahrhaftig, es ist die höchste Schmach für Preußen, dass sogar in Mecklenburg, wohin, wie bekannt, das Christentum um mehre Jahrhunderte später gekommen ist, Weg und Wagen nicht bloß nicht schlechter, sondern beinah um ein Viertel per Cent besser waren. Das überflügelte meine Erwartung und ließ mich von Mecklenburg viel Gutes hoffen. An Schlaf war freilich selbst in dem verbesserten mecklenburgischen Wagen nicht zu denken; die horrenden Stöße stießen. Alles, bis auf den Gedanken ans Schlafen aus dem Kopf. In solchem Zustande versucht die Verzweiflung Unmögliches. Ich knüpfte mit dem Juden ein Gespräch an und erfuhr, dass das Ziel seiner Reise Güstrow und der Zweck seiner Reise seine Verheiratung sei. Das machte mir den Mann interessant. Ein Bräutigam, an der Schwelle der Brautkammer, ist in der Regel ein poetisches Geschöpf. Ich war neugierig zu erfahren, wie solche Poesie an einem Wucherjuden aus sehe, und tat deshalb bei unserer Ankunft in Krakow den Vorschlag, während des langweiligen Pferdewechsels in der hellen, klaren, liebewarmen Mondschein-Nacht dem Wagen ein Stück vorauszuwandern. Er aber entgegnete, diese ruhige Zeit lasse sich viel besser im Wagen zum Schlafen verwenden, wickelte sich in seinen Mantel und – schlief. Der prosaische Bräutigam, der praktische Jude! Ich wanderte also allein, liebäugelte mit dem Monde, zählte die Sterne und stolperte über die Steine. Ich war weit gegangen, als der Wagen mich einholte; der Jude schlief noch, eisenfest, und einen Kondukteur gab es nicht. Die Wanderung hatte mich hungrig gemacht. Schöne Zeit, wo die Poesie dem Hunger seinen Stachel nahm, bist du je auf Erden gewandelt, warum schüttetest du nicht in der vorgestrigen Nacht ein paar Hände voll kleine, gebratene Kartoffeln nebst einem Pfund Rostbeef aus deinem Füllhorne in meinen leeren Magen! Hättest du das getan, so brauchte ich Ihnen, mein Herzensfreund, jetzt nicht das beschämende Geständnis abzulegen, dass der Hunger mich in jener Nacht Diebstahl und Verstellung, Heuchelei und Lüge gelehrt hat. Antonio, Venedigs bravster Fischer, ausgehungert bis zur Erschöpfung, warf nur einen lüsternen Blick auf das Brot aus Dalmatien, auf den Wein aus Italien, auf die Feigen aus der Levante, die Jaacopo ihm bot; aber nicht einmal die Angelrute ließ er sinken, an welcher kein Fisch sich fangen wollte, und als Jacopo in ihn drang die Gabe anzunehmen, wies er sie zurück, weil er von Blutgeld nicht zehren könne – I cannot feed on the price of blood, sagte er. Und ich, noch weit entfernt Hungers zu sterben, ich stahl das Brot, den Wein, das Fleisch, woran, wenn auch nicht Blut, doch gewiss eben so wenig die Segenswünsche der Berliner Kavallerie-Offiziere klebten. Indes, nur weg mit dem Steine, den Ihr redlicher Sinn gegen mich aufgehoben hat. Bedenken Sie, dass ich ein leibhaftiger Mensch bin, Antonio ein Phantasie - Mensch Coopers ist, dass ich kein Romanheld sein mag und eigentlich nur Gestohlenes stahl. Mein Nachbar nämlich, der Jude, Bräutigam und Schläfer, hatte, ehe er das Letztere wurde, mir gesprächsweise die interessante Mitteilung gemacht, dass er ein Leckermaul habe, welchem er jeden Morgen ein Stück Weißbrot, eine geräucherte Ochsenzunge und ein reichliches Viertel, wohl auch ein halbes Fläschchen Madeira zum Frühstücke geben müsse, hatte dann schmunzelnd auf die Paketchen gezeigt, welche mit solchem Inhalte in der Wagentasche staken, und hatte lüstern den Morgen herbeigewünscht, um sich gütlich zu tun. Mit dem Hunger nun, der mich befiel, befiel mich auch die Erinnerung an jenes Gespräch. Mit dem Hunger kommen böse Gedanken. Ich dachte mir die Freude des Juden, wenn er seine Pakete öffnen und schwelgen würde in seinem Reichtum, während mir die Zunge am Gaume hinge und mich die Reibeanstalt des Magens schmerze. Ich dachte mir dann wieder, – und das eben ist der Satan im Menschen, – wie der Jude sich wundern, sich gebärden, sich ärgern würde, wenn er den Reichtum verschwunden sähe, machte mich glauben, dass der Jude eine Täuschung verdient habe, und war mit den Argumenten meines Rechts zu solcher Täuschung noch lange nicht fertig, als Brot und Fleisch und Wein bereits aufgezehrt und die Enveloppen, um nicht zu Verrätern zu werden, zum Schlage hinaus geflogen waren. Das Recht zu dem, was ich getan, musste sehr überzeugend sein; es schläferte sogar mein Gewissen ein. Da handtiert es plötzlich um mich, ich wache auf, des Juden große Augen starren mich an, – mein Frühstück ist weg, schreit er aus Leibeskräften und hält das Messer in der Hand, mit welchem er Brot und Ochsenzunge hatte zerlegen wollen. Ihr Frühstück? frage ich in erheuchelter Verwunderung. – Mein Wein, mein Brot, meine Zunge! wiederholt der Jude und durchsucht sich und den Wagen. – Sie suchen die Pakete, bemerke ich, die gestern in der Tasche dort staken? – Mein Frühstück suche ich, schreit der Jude, meinen Wein suche ich, mein Brot suche ich, meine Zunge suche ich. Wer mir mein Frühstück nimmt, der rädert mich, der mordet mich, der schlägt mich tot. Gewiss haben Sie –. Ich hatte während dem mich wieder zum Schlafen in die Ecke gesetzt, fuhr aber bei jenen Worten in fingierter Hitze auf und rief: was habe ich? – Sich einen Spaß mit meinem Frühstücke gemacht, erwiderte das erschrockene Herz. – Ich spaße nicht mit Frühstücken, antwortete ich – und das war in vorliegendem Falle die reinste Wahrheit –. Wollen Sie aber wissen, wo Ihre Pakete hingekommen sind, hätten Sie nicht so bärmäßig geschlafen, Sie hätten gleich mir gesehen, wie die Dinger in Folge der furchtbaren Stöße aus den Taschen zum Wagen hinaus sprangen. – Der Jude sah mich ungläubig an. Zum Wagen hinaus? presste er endlich hervor. Da warf ein Stoß mich ihm an die Brust. Das schien seinen Uniglauben zu mindern, er steckte hastig den Kopf zum Schlage hinaus und schaute die Landstraße entlang. Inkommodieren Sie sich nicht, sagte ich, ihn am Rockschooße zurückziehend, der Sprung ist schon vor mehren Stunden geschehen. – Von diesem Augenblicke an sprach der Jude kein Wort mehr mit mir, steckte ein Messer ein und schied in Güstrow ohne Abschiedswort. In Güstrow nahm ich für einige Stunden im Gasthaufe am Wall Quartier. So heißt das Wirtshaus, der Wirt heißt Hagemeister. Sie können Beide in Ihrer Statistik empfehlen. Und wissen Sie wohl, dass Mecklenburg durchaus nicht zu den komplett barbarischen Ländern gehört? Ich konnte mir schon auf der Universität nicht erklären, warum die Mecklenburger Vandalen hießen, da die Mecklenburger meist recht fein gebildete Menschen waren. Endlich erklärte es mir Einer durch die Geschichte von dem verspätigten Christentum und setzte meiner Bemerkung, die Feinheit der Mecklenburger betreffend, die Versicherung entgegen, dass diese alle erst im Ausland kultiviert worden und es eine Eigentümlichkeit roher Völker wäre, schnell seine Sitten anzunehmen. Mein Erklärer war in Mecklenburg gereist, ich nicht. Also konnte ich damals nicht widersprechen. Jetzt tue ich es. In Plau wie in Krakow, in Krakow wie in Güstrow, in Güstrow wie in Schwan, und in Schwan wie in Doberan habe ich untrügliche Zeichen von Kultur bemerkt. Erstens sind die Häuser nummeriert und zweitens sind die Namen der Straßen an den Ecken angeschrieben. Eine Sitte freilich, die mir an diesen Orten aufgefallen ist, könnte andeuten, dass die Mecklenburger noch nicht lange genug in Städten wohnen, um ihre patriarchalischen Gebräuche bereits abgelegt zu haben. Allein die Sitte gefällt mir. Ich wünschte, sie fänd' in Sachsen Nachahmung. Mit seltener Ausnahme stehen vor den Häusern hölzerne, oft sehr elegant gearbeitete Bänke. Schon des Morgens treten überall zierlich gekleidete Frauen und Mädchen aus den Häusern und nehmen mit irgend einer Handarbeit oder einer sauberen Küchen, Beschäftigung Platz. Der Hausherr oder ein anderes zum Hausstande gehörendes männliches Individuum leistet ihnen zu Viertel- und halben Stunden Gesellschaft. Doch sind des Vormittags und bis zum Abende die Bänke meist mit Frauen besetzt. Nun mag ich zwar nicht behaupten, dass durch das Sitzen auf offener Straße der Fleiß besonders gefördert werde, denn ich sah namentlich in Güstrow, wo ich eine Zeitlang gassaten ging und vielleicht ein Stündchen vor dem Posthause saß, dort sah ich mehre Male die schönen Augen der Arbeiterinnen von der Arbeit weg den Vorübergehenden folgen, sah oft Vorübergehende stehen bleiben und sah oft die Fleißigen durch solche Anreden in ihrer Arbeit gestört. Ja, ich bekenne, dass ich in Güstrow der Sünde solcher Störung mich selbst schuldig gemacht habe, und bei meinem Barte! die ich an redete, waren mehr als hübsch, und artiger als manche Hofdame. Überwiegend daher gegen jenen Nachteil ist der aus dem Bank-Leben resultierende Vorteil, dass das verschlossene Leben mehr zum öffentlichen wird, dass die verleumderische Nachrede freundlicher Nachbarn weniger Spielraum findet, wenn Unschuldiges vor den hellen Augen der Lebenden als wenn es vor den toten Augen der vier Wände geschieht, dass Frauen und Mädchen wenigstens zu einiger Tätigkeit verpflichtet sind, und ganz besonders, dass sie mehr als innerhalb ihrer vier Pfähle auf Anständigkeit der Kleidung achten müssen. Was mich so oft verletzt hat, der Anblick niedergetretener, einfasszottiger Schuhe, unreiner Strümpfe, zerfetzter Unterkleider und mit Bettfedern durchschneiter Haare, – das habe ich in Güstrow nicht gesehen, wohl aber überall saubere Wäsche, blendend weiße Strümpfe, blank geputzte Schuhe, nett frisiertes Haar oder niedliche Häubchen. Und das, nicht wahr, mein alter Freund, das ist, was dem Manne mehr gefällt als goldene Armbänder, durchreifte Ärmel und Windmühlen geflügelte Hauben? Deshalb möchte ich die Banksitte ganz besonders gern in Dresden einführen. In Mecklenburg muss sie schon alt sein. Sie hat hier, wie ich bereits erfahren, zu der Redensart Veranlassung gegeben: er hat nicht einmal eine Bank vor der Türe, was den Geiz oder die Armut des Besprochenen bezeichnet.

Die Juden, das leidet keinen Zweifel, sind im Allgemeinen, Rex Judaeorum an der Spitze, um Vieles pfiffiger als die Christen, Reges Christianorum nicht ausgenommen. Von Güstrow bis Schwan hatte ich wieder einen Israeliten zur Seite. Obgleich er nach Doberan wollte, nahm er doch den Platz im Postwagen nur bis Schwan und verließ mich dort, weil, wie er sagte, er eine wohlfeilere Gelegenheit gefunden habe. Ich konnte das nicht recht begreifen, denn ich hatte ihn mit Niemand sprechen sehen; da er aber eilig war, hielt ich ihn nicht auf. Kaum vor der Stadt begriff ich den Spekulanten. Er wanderte zu Fuß, der Postillon war sein Freund und im Nu saß der Spekulant als blinder Passagier neben mir. Fragen Sie, warum er nicht schon von Güstrow aus so pfiffig war? Ich habe nicht gefragt, und doch weiß ich es. Er wohnte in Güstrow. Seine Ehre erforderte den Mehraufwand und für Zeugen, dass er als sehender Passagier dort abgereist war, hatte er gesorgt, denn während der Fahrt durch die Stadt lag er stets mit halbem Leibe aus dem Wagen und schrie jedem Bettelweibe zu: ich fahre nach Doberan.

Über die Mecklenburgische Post-Einrichtung will ich zur Zeit nichts sagen. Doch scheint sie mir vorläufig schlecht genug. -

Die Einfahrt in Doberan, diesem berühmten Seebade, erregt keine glänzende Erwartung. Zu dem Vielen, was man nicht sieht, gehört Beispielsweise auch die See. Überhaupt, glaube ich, wird der Ort mich nicht lange fesseln. Es ist einem alten Nachtwächter eingefallen zu sterben. Da hat der Leibarzt des Großherzogs Cholera geschrieen. Zufällig stirbt des folgenden Tags eine alte Frau an den Folgen des Trunks. Da schreit Alles: Cholera! und zu allen Toren hinaus – nein, Tore hat Doberan nicht –, nach allen Winden hin fliegen die Badegäste. Das Leben muss doch schön sein! Wie viele Mühe geben sich Tausende, das, was anderen Tausenden eine Last ist, noch ein paar Jahre lang zu tragen, unter steter Sorge, die Last zu verlieren! Mir sind eine Menge solche lächerliche Flüchtlinge begegnet. Einige haben sich nicht die Zeit gelassen, ihre Sachen mit zu nehmen. In Schwan lagen Kisten und Kasten, Ballen und Säcke, die ihnen mit der Post nachgesendet wurden. Die lächerlichen Menschen! Vor einer Stunde zu fliehen, von welcher Jeder weiß, dass, und Keiner, wenn sie ihm schlägt! Das Ausreißen hat Doberan verödet. Doch ist der Großherzog noch hier. Ich habe gestern in seiner unmittelbaren Nähe zu Nacht gespeist, wiewohl ich herzlich gern dieser Ehre entsagt hätte. Auf Befehl meines Magens fragte ich bald nach meiner Ankunft einen Menschen, der den Kellner vorstellt, aber ganz gewiss ein verkleideter Schöps ist, wo gespeist werde? Neben an im Salon, antwortete er. Ich gehe hin – es war fast acht Uhr –, finde zwei schöne Säle, darin mehre gedeckte Tische und eine Legion müßig gaffender Aufwärter. Gravitätisch nehme ich Platz, keiner der Kerle rührt sich. Meine Stimme schien mir für diese Tuenichtse zu gut, ich läute an zwei Weingläsern. Da setzt sich einer in langsame Bewegung. Ich habe inzwischen die Karte über lesen und fordere Koteletts. Entschuldigen Sie, mein Herr, versetzt der Kellner, hier wird erst um neun Uhr gespeist. – Jetzt also nichts gegeben? fragte ich. – Nein, jetzt wird nichts gegeben, antwortete er. – Ist das nicht eine einfältige Einrichtung für einen hungrigen Menschen? Ich nannte sie in meiner getäuschten Hoffnung bei einem viel gröberen Namen und ging, durchwanderte die Alleen und Straßen, geriet in einen Galanterieladen und habe da vorliegenden Briefbogen für Sie gekauft. Dieses Gedenken ist meine in der ersten Zeile bemerkte Aufmerksamkeit. Um halb neun Uhr wurde im Salon geläutet. Ich sprach eben noch mit dem Ladenmädchen, das mir das Papier verkauft hatte, spitzte die Ohren und wollte fort. Die zarte Schöne berichtigte jedoch meinen Irrtum durch die Bemerkung, dass dies das erste Läuten sei. Eine Viertelstunde später klang die Glocke zum zweiten, um neun Uhr klang sie zum dritten Male. Da konnte selbst das Gespräch der zarten Schöne mich nicht länger fesseln, ich sprang fort, aber obgleich einer der Ersten im Saale war ich nicht einer der Ersten, der bedient wurde, denn mir vor und Allen vor gingen, Seine Königliche Hoheit, der Herr Großherzog. Nach einer halben Stunde rückten der Herr Großherzog ihren Stuhl. Alles fuhr wie elektrisiert empor, ich ließ einen magern Entenflügel fallen, und – aufrichtig – ich bin seit lange zum ersten Male hungrig ins Bett gekrochen. Der verkleidete Schöps meldet so eben den Wagen, der mich nach dem Bade bringen soll. Also genug für heute. -

Der Kamp mit dem Herzoglichen Palais.

Der Kamp mit dem Herzoglichen Palais.

Der Kamp in Doberan.

Der Kamp in Doberan.

Das Stahlbad zu Doberan.

Das Stahlbad zu Doberan.

Die Kapelle in Althof.

Die Kapelle in Althof.

Der Heilige Damm und die Ostsee.

Der Heilige Damm und die Ostsee.

Das Salon- und das Badehaus in Heiligendamm.

Das Salon- und das Badehaus in Heiligendamm.

Der Neue Markt in Doberan.

Der Neue Markt in Doberan.

Die Großherzoglichen Logierhäuser in Heiligendamm.

Die Großherzoglichen Logierhäuser in Heiligendamm.

Das Sommerhaus der Alexandriene.

Das Sommerhaus der Alexandriene.

Die Kirche - Das Doberaner Münster.

Die Kirche - Das Doberaner Münster.

Das Großherzogliche Palais in Doberan.

Das Großherzogliche Palais in Doberan.

Der Kamp nach Osten.

Der Kamp nach Osten.

Das Innere der Kirche zu Doberan.

Das Innere der Kirche zu Doberan.

Blick auf den Buchenberg zu Doberan.

Blick auf den Buchenberg zu Doberan.