Die wilde Jägerin Frau Wauer und die unterirdischen oder weißen Weiber von Sukow bei Crivitz

Aus: Mecklenburgs Volkssagen. Band 3
Autor: Von C. Struck zu Dargun, Erscheinungsjahr: 1860
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Mecklenburg-Vorpommern, Sage, Volkssage, Sukow, Crivitz, Lewitz, Braukessel, Backstube
Die Häuser des Dorfes Sukow, am östlichen Ende der Lewitz gelegen, sind fast kreisförmig um die Kirche herum gebaut worden, davon die zwölf Bauern mit ihren Wohnhäusern fast zwei Drittel des Kreises einnehmen. Geht nun ein Bauer aus seiner Hintertür, so kommt er in seinen Obstgarten; an diesem stößt eine Hopfenplantage, und hinter dieser befindet sich eine Wiese, daran unmittelbar die Lewitz liegt.

Manche Sage von der wilden Jagd und den weißen Weibern wissen diese Bauern, und ich will erzählen, was mir davon mitgeteilt worden ist:

Im Hause des jungen Warnke, rechts an der Diele, unter dem Kuhstall, wohnten zwei unterirdische Weiber, die dem Dorfe ganz besonders dadurch lästig wurden, dass sie ungetaufte Kinder stahlen und dafür ihre Wechselbälge unterschoben; weshalb jedes neugeborene Kind sorgfältig bewacht wurde, und zur Nachtzeit ein brennendes Licht bei der Wiege stehen musste. Auch neckten sie gerne und auf mancherlei Weise die Leute.

Alle Neumond, Abends im Zwielicht, wenn Warnkes beim Abendbrot saßen, rief eins dieser Weiber mit ihrer hellen Stimme: „Lehnt uns Jug'n Bruhkätel 'n bät'n!" *)

Die Bauersfrau ging dann in die Küche, holte den Kessel, setzte ihn auf die Diele und nach dem Abendessen war er verschwunden.

Am dritten Abend, zur selbigen Stunde, rief das weiße Weib wieder: „Hieer is Jug'n Bruhkätel werra; wie bedanken uns ock." **)

Die Frau ging nun hin und sah ihren Kessel auf der Diele stehen, darin sich dann immer einige Kannen schönen Biers befanden.

Eines Abends, es war im Spätherbste, hatten Warnkes Mutter und das Dienstmädchen in der Backkammer, welche sich rechts am Gang bei der Hintertür befand, eingesäuert, um am andern Morgen zu backen. Während das Mädchen den Teig zudeckte, ging Mutter Warnke noch einmal zur Hintertür hinaus. Als sie eben draußen war, hörte sie in der Lewitz das Getöse der wilden Jagd und sagte zu ihrer Dirne: „Doa is de oll Wäderhex Wauer all werra." ***)

Kaum war sie wieder zur Hintertür herein, da kamen die großen und kleinen Hunde der wilden Jägerin mit ihrem „Juckjack, huuch“ ihr nach, drangen in die Backkammer, fielen über den Teig her und schlürften, als ob sie bei der Tranktonne wären.

Die alte Frau sprach in ihrer Angst zum Mädchen: „Nu fret't Düwelstüg mie all den Deeg up." ****)

*) „Leiht uns Euren Braukessel ein bisschen!"
**) „Hier ist Euer Braukessel wieder; wir bedanken uns auch."
***) „Da ist die alte Wetterhexe Wauer schon wieder."
****) „Nun frisst das Teufelszeug mir all den Teig auf.“


Zu gleicher Zeit gab die wilde Jägerin ihr Hornsignal; da stürzte die ganze Meute zur Tür hinaus.

Neugierig, wie Warnkes Mutter war, schielte sie aus der Tür und sah, wie hoch zu Ross die wilde Jägerin aus dem Hoftor jagte, die beiden weißen Weiber mit den Haaren zusammengeknüpft vor sich über dem Pferde hängend.

Seit jener Zeit sind die weißen Weiber aus dem warnke'schen Hause verschwunden.