Die verhängnisvolle Überfahrt über den Ratzeburger See bei Ratzeburg.

Aus: Mecklenburgs Volkssagen. Band 3
Autor: Von J. F. L. Bohn zu Demern, Erscheinungsjahr: 1860
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Mecklenburg-Vorpommern, Sagen, Volkssagen, Ratzeburger See, Ratzeburg, Fährmann, Domhof, Domkirche,
Mein Großvater, welcher im hohen Alter verstorben, erzählte mir, folgende Begebenheit, die vor vielen Jahren dem damaligen Fährmann auf dem Dom*) zu Ratzeburg passiert sei:

Einmal steht Einer gegen Mitternacht auf der Bäck**) und ruft: „Hahl über!" das Signal zur Überfahrt.

*) Dom nennen die Leute gewöhnlich schlechtweg den kleinen Teil der Stadt Ratzeburg, der zum gleichnamigen Fürstentum und also zu Mecklenburg gehört. Bekanntlich ist die Stadt Ratzeburg Hauptstadt des jetzt unter dänischer Oberhoheit stehenden deutschen Herzogtums Lauenburg — siehe Seite 182 ersten Bandes, Anmerkung 1 — und gehört von ihr nur der auf der nördlichen, kleineren Höhe gelegene Domhof und Palmberg mit der alten, schönen Domkirche, den Schul- und früheren Kollegiengebäuden, dem Hospital und der Reservewache und 36 sonstigen Wohngebäuden an Mecklenburg. (Der Herausg.)

**) Ein eine halbe Meile von Ratzeburg in reizender Gegend belegener und zu Mecklenburg gehörender Ort, der im Sommer vielfältig von Fremden besucht wird.


Nach mehrmaligem Rufen schifft der Fährmann hinüber und trifft da einen Mann an, der ihn für ein gutes Stück Geld hinüber zu schaffen bittet. Er steigt darauf ein.

Wie sie nun in die Mitte des Sees kommen, füllt sich das Boot mit Rossäpfeln und droht zu sinken. In seiner Angst ergreift der Fährmann die im Boote befindliche Schaufel und wirft damit den Unrat über Bord, was ihm auch gelingt; und so kommen sie glücklich ans Ufer.

Als der Fährmann am andern Morgen zu seinem Boote kommt, sieht er die darin befindlichen Überreste der letzten Nacht in Gold verwandelt, und wird er sich nicht wenig geärgert haben, unwissend eine solche Menge davon in die Tiefe des Sees vergraben zu haben.