Die preußischen Ostseebäder 1836

Aus: A. Lewalds Europa: Chronik der gebildeten Welt, Band 1836, Ausgabe 3
Autor: Redaktion: (Berl. Voß. Zeit.), Erscheinungsjahr: 1836
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Mecklenburg-Vorpommern, Preußen, Pommern, Ostseebäder, Colberg, Kammin, Putbus, Rügen, Usedom, Heringsdorf, Eldena, Pugdala, Swinemünde, Stubbenkammer, Corswant, Zisterzienserkloster, Badekultur, Badeleben, Swine, Gollen, Oder
Die Ostseebäder sind in diesem Jahre, im Verhältnisse zu dem ungünstigen Wetter, nicht weniger besucht gewesen, als in dem letztvorhergehenden. Aller Orten längs der preußischen Küsten bilden sich, in Städten wie in Dörfern, neue Seebäder, und um ihre steigende Frequenz, ohne dass deshalb die altbekannten Bäder abnehmen, beweist, wie das Bedürfnis im Steigen ist. Die ostpreußischen Bäder bewähren ihren alten Ruf.

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Sie werden, ihrer Entfernung wegen, jedoch meist nur aus der Provinz selbst besucht. Die um Königsberg gelegenen sind die frequentesten. Dahingegen zählt in diesem Jahre Hinter-Pommern eine große Anzahl aus der Fremde herbeigekommener Gäste. So haben sich die Bäder bei Colberg und Kammin bedeutend gehoben. Noch sind die Einrichtungen in den meisten derselben mangelhaft, wie sich dies von neu errichteten Bädern von selbst versteht; denn die Kosten auch der einfachsten Vorrichtungen sind nicht so unbedeutend als man wohl glaubt, und die zerstörende Kraft des Meeres erfordert allzu oft die Erneuerung derselben. Ohne einen bemittelten Gönner lassen sich diese Vorkehrungen selten durch die Beiträge der Jahresgäste, decken. Auch steht dem Aufblühen dieser Bäder noch immer die schwierige Kommunikation im Wege. Allein die größere Billigkeit in diesen, von großen Heerstraßen entfernten Gegenden lockt viele Familien dahin, und wird, wenn der Eigennutz nicht zu hastig spekuliert, ihnen noch lange Zuspruch sichern. Auch unter den Hochwaldungen der Westküsten auf der Insel Wollin bilden sich Badeorte, die jetzt zumeist nur noch aus der, noch zu wenig bekannten Insel selbst besucht werden. Westlich von der Pernemündung der Oder bis zu den Mecklenburgischen Ländern haben die Stralsunder ihr Seebad dicht an der Stadt, und die Greifswalder das ihrige im alten Kloster Eldena, dessen herrliche Ruinen jetzt zur Forstschule umgeschaffen sind. Diesen Bädern, wie dem gegenüber liegenden Putbus auf Rügen, fehlt indessen ein bewegtes Meer. Wenn auch, wie Einige meinen, die freie, den Winden zugängliche Meeresströmung und der davon erzeugte Wellenschlag kein Phantom sind, sondern von großer Wirksamkeit beim Seebade, so behalten diese Bäder, namentlich Putbus, durch ihre reizende Lage Bedeutung. Nicht für Alle, welche, der Gesundheit wegen, Seebäder beziehen, ist der Wellenschlag die erste Bedingung, und gleich, wie die große Bewegtheit der Nordsee für viele Kranke schädlich wirkt, mag für andere gerade der sanfte Meerescharakter dieser stillen Ostseebäder wohltätig wirken. Die reizende Lage und das fast südliche Klima von Putbus, wenn man im Park die glücklich gedeihenden Staudengewächse und Bäume betrachtet, und die schönen Bauwerke, welche der Ort dem jetzt regierenden Fürsten verdankt, erheben Putbus zu einem der anmutigsten Landsitze, und es ist zu verwundern, dass nicht mehr Familien aus Berlin hier ihren Sommersitz aufschlagen, seitdem durch die regelmäßige Dampfschifffahrt der Begriff der Entfernung weggefallen ist.

Zum Hauptstapelplatz für die Seebadenden aus den preußischen Staaten scheint aber die Insel Usedom durch ihre Lage bestimmt. Der preußische Hauptstrom, die Oder, drei der bedeutendsten Handelsstädte unseres Staates berührend, macht sie von selbst dazu durch seinen Hauptausfluss, die Swine. Nicht durch willkürliche Bestimmungen und künstliche Anlagen hat sich Swinemünde zu einem so bedeutenden Seebade erhoben. Während in Putbus und Doberan von Seiten ihrer freigebigen Besitzer Alles geschah, Badegäste anzulocken, haben sie sich hier von selbst eingefunden: und was für sie geschehen ist, geschah erst, nachdem sie da waren. Es hat sich hier bewährt, dass Seebäder wie Städte sich nicht nach Laune anlegen lassen, vielmehr nur durch das Bedürfnis zu gedeihlicher Blüte erwachsen. Wo jetzt das Swinemünder Seebad steht, war vor Friedrichs des Großen Zeiten noch offene See. Durch unermüdlichen Fleiß wurde dem anschwemmenden Meere Schritt für Schritt abgewonnen, und das gewonnene Land mit dem lieblichen Elfenwalde bepflanzt, welcher jetzt die Zierde und auch der Schutz gegen die Winde für das Städtchen ist. Noch kann man die historischen Schritte dieser Eroberung in den verschiedenen Dünenreihen verfolgen. Wer sich näher davon unterrichten will, findet in Zöllners Reise nach Rügen dokumentierte Nachrichten, aus der Zeit selbst, wo diese Alluvionen zuerst als gesicherter Erwerb betrachtet wurden. Das Seebad ist für die Swinemünder der Ersatz für den verlorenen Hafen, seit durch die Erbauung der herrlichen Molen und die, noch immer fortgesetzte Ausbaggerung der Oder, diese bis Stettin selbst schiffbar gemacht ist, und in dieser Haupt- und Handelsstadt ein natürlicher Stapel- und Hafenplatz sich gebildet hat. Nur Dreimaster und tiefer segelnde Schiffe pflegen noch in dem Swinemünder Hafen anzulegen. Aber, auch ohne Seebad zu sein, würde die Stadt als Hauptpunkt einer der schönsten und fruchtbarsten Inseln der Ostsee eine Bedeutung behalten, die, je mehr Usedom bekannt wird, und der Industrie geneigter, nur zunehmen kann. Wir ersparen uns für ein andermal in diesen Blättern Näheres über diese grüne Insel mit ihren majestätischen Buchenwäldern, den Resten uralter Eichenforste, ihren schönen Seen, und den malerischen Aussichten, die ihre Höhen ins innere Land und auf die See gewähren. Sie kann in vieler Beziehung mit Rügen wetteifern, und der Landschaftsmaler fände hier vielleicht noch reicheren Stoff, um den grünen Buchencharakter der Ostseeländer zu studieren als in dem gelobten Eilande, welches freilich durch seine majestätische Stubbenkammern und die Fülle historischer Erinnerungen den Vorrang behält. Nur die Küstengegenden werden von den Reisenden in der Regel besucht, während das schon das nächst gelegene Corswant mit zwei malerischen, den verschiedenartigsten Charakter repräsentierenden, Landseen, und das Amt Pudagla, ein uraltes Zisterzienserkloster, später ein Witwensitz der Pommerschen Herzoginnen, verdienten, dass man sie von weiter her als den Badeörtern Swinemünde und Heringsdorf aufsuchte. Das letztere ist unstreitig einer der reizendsten Punkte an den Südküsten der Ostsee, weil es mit dem Meeres-, den sanften Gegirgs- und Waldcharakter verbindet, eine Vereinigung, die nicht häufig angetroffen wird. Die Villen und Schweizer-Häuschen wachsen mit Jahr zu Jahr auf den vorspringenden Hügeln und in den Waldecken, ohne dass der ländliche Charakter um deshalb verloren ginge. Ja den eigentlich malerisch eigentümlichen Reiz verleiht diesen Niederlassungen eben die Unordnung, in der sie entstanden sind, und noch entstehen. Ohne Winkelmaß und Richtschnur werden die Häuser nach der Bequemlichkeit und Laune ihrer Herren unter und über einander erbaut; aber noch hat ein glücklicher Geist, der über die Landschaft waltet, nichts zugelassen, was die höhere Harmonie störte. Das kleine Fischerdorf ist in diesem Jahre sehr zahlreich besucht gewesen. Für einen Statistiker möchte es von Wert sein, um die Fortschritte der Kultur zu beweisen, wenn er die Fortepiano und Klaviere zählte, welche in dieser Saison dastanden, wo vor noch nicht zwanzig Jahren der Sonnenstrahl kaum durch den dichten Buchenwald den Boden erreichte. Die Besorgnis, dass Heringsdorf dem Bade Swinemünde schaden könne, ist nicht wohl begründet. Die Lage des ersteren bedingt von selbst seine Abhängigkeit von einer Stadt, und noch dazu einer, die an einem schiffbaren Strome liegt. Wenn auch für die Bedürfnisse und Bequemlichkeit der Gäste mit jedem Jahre mehr gesorgt wird, liegt es doch weder im Sinne des gegenwärtigen Grundherrn, noch der Angesessenen daselbst, aus Heringsdorf einen Badeort im modernen Sinne zu bilden, indem sein Hauptreiz in der Entfernung jedes städtischen Zwanges beruht, und mit zwei Schritten aus den Häusern die verschwiegenste Waldeinsamkeit erreicht wird. Nur die Erbauung einer Kirche an einem malerischen Höhenpunkte wird von Vielen gewünscht.

Swinemünde war gegen frühere Jahre weniger besucht. Dies liegt nur in zufälligen Umständen; die Badegäste aus allen benachbarten Dörfern zusammen gerechnet, haben kein numerisches Gewicht gegen die Zahl, welche Swinemünde früher frequentierte, und es auch künftig gewiss wird. Durch die Tätigkeit der Badedirektion, namentlich des Herrn Bürgermeister Kirstein, wird nach Kräften dahin gewirkt, den Gästen alle Annehmlichkeiten frequenter Badeorte zu verschaffen. Da die städtischen Mittel bisher nicht ausreichten, hat Se. Majestät der König in diesem Jahre eine nicht unbedeutende Summe zur Verfügung der Direktion gestellt, welche damit bedeutende Verbesserungen, namentlich des Aufbaus eines größeren Gesellschaftshauses und die Anlage einer so sehr nötigen Kunststraße nach dem Gollen, dem schönsten Bergpunkt um Swinemünde, beabsichtigt. Der Vorwurf, dass das Meerwasser bei Swinemünde durch den Oderausfluss an Salzteilen und Kraft verliere, zerfällt in sich selbst, wenn man die Örtlichkeit ins Auge fasst und den gewöhnlichen Strich der Winde kennt, welche nicht selten das Salzwasser durch die Swine bis ins große Haff treiben. Die Stürme, welche im Frühjahr große Felsblöcke aus dem Grunde hoben, und auf die Molen warfen, haben im Ganzen der Küste weniger als die vorjährigen Schäden gebracht. Im Gegenteil zieht sich das Meer zurück, und die Alluvion längs der Küste hat merklich zugenommen.

Ostseebad Heringsdorf, Kurhaus

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Ostseebad Heringsdorf, Familienbad

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Ostseebad Heringsdorf, Strandpromenade und Kurhaus

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Ostseebad Heringsdorf, Seebrücke

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Ostseebad Heringsdorf, Strandleben

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Hart ist das Leben für die Fischer an der Ostsee.

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Fischeralltag

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In der Saison wird jede Hand gebraucht

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Sonne Sand und Meer

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