Die norddeutsche Küste und das föderative Binnenland in der Gegenwart

Aus: Die Hansestädte und das südwestliche Deutschland
Autor: Kiesselbach, Wilhelm Dr. phil. (1824-1872) wirtschafts-politischer Schriftsteller, Erscheinungsjahr: 1854
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Hanse, Hansa, Hansestädte, Freihandel, Zollverein, Preußen, Österreich, Zölle, Handelsschranken, Freihandel, Europa, Welthandel, Hamburg, Bremen, Lübeck
Wenn man gegenwärtig auf die Glockenstube des Bremer Domes steigt und den Blick über die Menge der Häuser der Stadt hinschweifen lässt, so zeigen sich noch deutlich die Umrisse der Stadt, wie sie vor der Eröffnung der amerikanischen Schifffahrt war; und man erstaunt billig über den bedeutenden Zuwachs an Gebäuden, der sich seitdem rund um angesetzt hat. Denn in dem nämlichen Verhältnis, in welchem sich der Handel des Platzes von 15 Millionen Thaler jährlichen Umsatzes während eines halben Jahrhunderts auf 75 Millionen erhoben, sprengte auch die steigende Bevölkerung die Tore auseinander und wandelten sich die bisherigen Gemüsegärten des Weichbildes in prachtvolle Straßen um. Dieses konkret vor Jedermanns Augen daliegende Bild zieht dann aber unwillkürlich den Schluss nach sich, dass in ähnlicher Weise, wie der vergrößerte Verkehr hier einen Ort verändert, tausend neue unabhängige Familien, Kräfte und Bestrebungen hervorgerufen hat, welche andere Anforderungen an die Gesellschaft, an den Staat stellen; so auch im Binnenland durch die neu erwachende Industrie gleichzeitig ganz neue wirtschaftliche und politische Zustände allmählich hervorgerufen worden sind, die frischen Gedankenrichtungen Raum geben mussten. Schon 1811 schreibt R. v. Bosse in „Posselts Annalen Bd. IV. S. 54: „Jene alte Wirtschaftsordnung verschwindet, welche in Europa durch Staats- und Lehnrecht, Zunft- und Dorfverfassung das Bestehende und jede Familie in dem Stande, in welchem sie war, zu erhalten suchte. Ähnlich einem Hauswesen, in welchem jedes Hausgerät die angewiesene Stelle nicht ändert, bei Arbeit und Tisch, bei Kindern und Gesinde die altväterliche Sitte herrscht, und wenn die Zeit kommt, es kaum bemerkt wird, dass an dem Vorrat Etwas fehle. Sie ist einer Zeit gewichen, in welcher Kind und Knecht gleiches Recht hat, weder auf alte Gewohnheit noch Bequemlichkeit gesehen, sondern frei geschaltet und gewaltet wird, damit Jeder leiste, wozu er am geschicktesten ist und so viel vollbringe, als seine höchste Anstrengung vermag.“ Die siegreich durchdringende Geldwirtschaft verlangt ein anderes Recht, eine andere Politik als das überwiegend vorherrschende Ackerbautum! Darin wurzeln in Deutschland die sogenannten französischen Ideen.

Im Allgemeinen lässt sich nun wohl der handelsgeschichtliche Satz aufstellen, dass an der Hand des beweglichen Eigentums erst die Durchbildung der Ackerbaureiche zu nationalen Staaten vor sich geht, und die jedesmalige Stufe dieses Entwicklungsprozesses darnach abgemessen werden kann, in wieweit die bisherigen Provinzialmauten im Binnenland schon der Errichtung einer einzigen Außenzollgrenze gewichen sind. Als Colbert Frankreich reorganisierte, gelang es ihm, die vielen inneren Mautschranken des Landes wenigstens auf drei größere Tarifregionen zurückzuführen; bis dann die eine und unteilbare Republik das begonnene Werk ganz durchführte. Auch zur Zeit der Freiheitskriege, wo zuerst die neuen wirtschaftlichen Verhältnisse Deutschlands hervortraten, treffen wir daher auf Stimmen und Ansichten, die für unser Gesamtvaterland ein ähnliches Ziel ins Auge fassen. So schrieb Stein (Pech IV. S. 38) im Nov. 1813 auf eine Reklamation Bremens wegen des Elsflether Zolls aus dem Hauptquartier zu Freiburg an Herrn Bürgermeister Smidt: „es sei seine Absicht, die Zölle an die Grenzen Deutschlands, namentlich an die Küsten des baltischen Meeres zu verlegen, um dort als Beitrag zu den Kriegskosten für Rechnung der verbündeten Mächte erhoben zu werden“, und im Dezember desselben Jahres äußerte er sich gegenüber von einer hanseatischen Deputation gleichfalls: „Zölle für eine einzelne Gegend dürften nicht bestehen, sondern eine einzige große Zolllinie für das ganze Reich müsse von Holland bis Russland errichtet werden.“ Die bekannten 9 Artikel der Wiener Kongress-Akte über die Schifffahrt auf den deutschen Strömen und der viel besprochene Artikel 19 der Bundesakte über die gemeinsam anzubahnende deutsche Handelspolitik beweisen dann ferner im großen Ganzen die Richtung der neuen Zeit. Allein die deutschen Verhältnisse verlangen doch eine von den französischen merklich verschiedene Behandlung in den wirtschaftlichen Angelegenheiten. Darüber haben uns die inzwischen vergangenen Jahrzehnte mit ihren handelspolitischen Neubildungen sattsam aufgeklärt.

Wir übergehen hier die Entstehungsgeschichte des Zollvereins so gut wie völlig. Prof. Wurms und Dr. Theodor Müllers vortreffliche Arbeit über „die Aufgabe der Hansestädte“, ein Buch, das in Jedermanns Händen ist, überhebt uns der Mühe, im Einzelnen zu zeigen, wie die im Gegensatze zu den föderativen Elementen des deutschen Ackerbautums auf Vereinigung hinarbeitenden Handels- und Industrieinteressen sich trotz allen Widerspruchs endlich in Deutschland ihre Bahn gebrochen haben. Die internationale Teilung der Arbeit, die gegenseitige wirtschaftliche Ergänzung der Länder, die sich jetzt über fünf Erdteile erstreckt, war so gewaltig geworden, dass ihre nach Deutschland auslaufende Kanäle unmöglich mehr in jedem einzelnen deutschen Staate besonders unterbunden werden konnten. Im siebenzehnten und achtzehnten Jahrhunderte mochten wohl, wie der Kasseler Bibliothekar Landau kürzlich in der Germania bemerkte, „an der Weser 22 Zollstätten liegen, also beinahe auf jede Meile ein Zoll. Von einer Ohm Wein, welche von Kassel nach Bremen ging, wurde etwa der neunte Teil — 18 Quart — als Zoll abgezapft. Ein Bremer Kaufmann, welcher 65 Pfund englisches Tuch auf der Weser nach Nürnberg versendete, hatte von jedem Pfund auf jeder Zollstätte 1 Groschen (also 1 Goldthaler 4 Groschen), zu Lauenförde und zu Herstelle aber nicht weniger als 28 Thlr. 12 Mariengroschen zahlen müssen, ein Beitrag, der nicht viel geringer war, als früher alle Zölle von Antwerpen nach Venedig.“ Im neunzehnten Jahrhundert dagegen trat die Masse der Waren die inneren Barrieren nieder. Aus solcher zwingender Gewalt ist dann der Zollverein hervorgegangen, ein Ursprung, den der so viel beredete Mautverband bis auf den heutigen Tag in keiner Weise verleugnet. Säßen in den Redaktionen unserer lieben deutschen Zeitungen etwas weniger verdorbene Philologen und abgestandene Poeten, und etwas mehr Handelspolitiker; so würde die öffentliche Meinung über diese nun einmal nicht zu leugnende Tatsache gewiss nicht so irre geführt worden sein, als es in den letzten Jahren der Fall war.

Der Zollverein ist, wie schon der Name ansagt, seinem Wesen nach Nichts mehr und Nichts weniger, als eine Vereinigung von unabhängigen deutschen Staaten zu einer gemeinschaftlichen Erhebung der Mautbeträge. Man kam auf Seiten der Regierungen bei dem heftigen Drängen der Kaufmannschaften gegen die viele inneren Zollschranken allmählich auf empirischem Wege zu der Ansicht, dass eine einzige Außenlinie weit weniger Gesamtadministrationskosten auswerfe, als die mannigfache innere Grenzbewachung; und man merkte außerdem bald, wie sehr die nunmehr mögliche freiere Verbindung der produktiven Kräfte im Innern die Konsumtion und den Steuerbeitrag der Bevölkerung steigern. Die handelspolitischen Systeme der außerdeutschen Nationen, mit denen der Zollverein in Berührung kam, haben denselben dann freilich wohl durch den Gegensatz den äußeren Anschein eines gleichfalls selbstständigen handelspolitischen Körpers verliehen. An die gemeinschaftlich von den Staaten desselben vorgenommenen Tarifveränderungen lehnten sich die erbittertsten Kämpfe der verschiedenen deutschen Wirtschaftsparteien, wie man nur in England, Frankreich oder Nordamerika über die Richtung der Staatshandelspolitik streiten kann. Aber wie der Zollverein nie als solcher seine Handels- und Schifffahrtsverträge durch ein eigenes Organ abgeschlossen hat, wie er für sich kein gemeinsames Konsularsystem, kein gemeinsames statistisches Bureau, keine Flagge aufzuweisen vermag, so hat er auch bisher niemals den handelspolitischen Begriff einer Country ausgefüllt. Er ist trotz aller daran geknüpften Hoffnungen deutscher Patrioten geblieben was er war: ein Verein unabhängiger, gleichberechtigter Ackerbaustaaten zur gemeinsamen Zollerhebung. Ein römischer Jurist würde vielleicht hinzusetzen: „quod ab initio vitiosum est, tractu temporis convalescere nequit.“ Wir wollen einmal flüchtig untersuchen, ob dieses Wort hier wohl zutrifft. In so fern scheint uns dasselbe allerdings für uns eine volle Bedeutung zu haben, dass die unbedingte Hereinziehung der norddeutschen Küste mit ihrem frischen Seeleben in die Grenzen des Zollvereins, wie er jetzt ist, nicht nur dessen Schäden nicht heilen, denselben noch keineswegs zu einem Handelskörper umgestalten, wohl aber die gesamte maritime Tätigkeit der Hansen zum Schaden von ganz Deutschland ruinieren wird. Man muss heut zu Tage keine ethisch-patriotische Brillen aufsetzen, sondern zunächst einmal die Dinge betrachten, wie sie für sich liegen. Mit Zukunftswünschen nützt man seinem Vaterlande viel, viel weniger, als mit einer nüchternen Einsicht in die Wirklichkeit.

Der Kern der preußischen Monarchie liegt in dem Hinterlande der Ostsee; er setzte sich zu einer Zeit fest, als jeder größere wirtschaftliche und politische Zug in Deutschland erlahmt war, und den willkürlich angelegten Fürstensitzen in den kleinen Ackerbaustaaten nirgends ein geographisch begünstigter Verkehrsknotenpunkt gegenüber trat. Individuelle Begabung der Herrscher, und nicht etwa geographische Notwendigkeit, haben dann in der Folge durch Einverleibung fremder Gebietsteile ein Ganzes hervorgerufen, dessen Einheit nur in seiner einheitlichen Regierung und Verwaltung besteht, dem aber weder eine örtlich einheitliche Fläche, noch eine Gleichartigkeit seiner einzelnen Provinzen zu Grunde liegt. Man hat Preußen sehr häufig den vorzugsweise protestantischen Staat genannt. Allein wenn sich das soziale Wesen des Protestantismus in einer möglichst freien Bewegung des Individualismus ausspricht; so kann ein Staat unmöglich als protestantisch bezeichnet werden, welcher zur Aufrechthaltung seiner Einheit eines scharf angespannten Militär- und Beamtennetzes unveräußerlich bedarf. Die Bevölkerung Preußens ist allerdings vorwiegend protestantisch, aber der Stil des Staatsgebäudes ist ganz romanisch-byzantinischer Natur. Wir mischen, wie sich von selbst versteht, in diese Worte auch nicht den kleinsten Tropfen eines moralischen Vorwurfs, wir konstatieren einfach eine Tatsache. Verbindet man mit derselben ferner den Umstand, dass das preußische Landesgebiet in zwei von einander ziemlich weit getrennte Massenkörper zerfällt, so begreift man es vollends leicht, mit welchem Rechte Preußen stets als ein „erobernder Staat“ hingestellt worden ist. Seine gesamte Politik muss darauf hinausgehen, zunächst einmal eine Vereinigung zwischen dem Osten und dem Westen herzustellen — das Schicksal Hessens liegt eben so sehr außerhalb als innerhalb der Grenzen des Kurfürstentums begründet — und darauf seine Marken tunlichst nach Außen abzurunden. Zu solchen Zwecken bot der Zollverein die vortrefflichsten Handhaben dar. Durch die Errichtung derselben wurde ja nicht nur ein freier Verkehr zwischen dem Rheintale und dem Hinterlande der Ostsee geschaffen, sondern auch das Fehlen eines selbstständigen Zollvereinsorgans überwies der preußischen Krone von selbst die handelspolitische Hegemonie des Verbandes — der Zollverein ward recht eigentlich eine Ergänzung des preußischen Staatswesens.

Aus diesem Grunde konnte und durfte der Verein auch aus seiner rein negativen, nur gegen die inneren Zollschranken gerichteten Natur nicht heraustreten, weil er sonst seine Ergänzungseigenschaft verloren und den preußischen Staat auf Bahnen fortgerissen hätte, die sein innerstes Wesen auf die Dauer zerstört haben würden. Wir wiederholen es hier, wir predigen auch nicht im Entferntesten politische Ethik; wir schauen einfach die Dinge an, wie sie liegen. Preußen ist kein auf den Handel basierter Staat und kann es auch niemals werden. Man braucht dabei nicht auf die Worte der Verachtung zu hören, die von Berlin aus für die kaufmännische und industrielle Tätigkeit laut geworden ist. Die Vergleichung der „Loomlords“ und „Cottonpeers“ mit den pommerschen Grundbesitzern; man braucht nicht an die Unsicherheit der preußischen Bürokratie in kommerziellen und namentlich maritimen Angelegenheiten zu erinnern oder gegenwärtig darauf hinzudeuten, dass in den Verwicklungen der orientalischen Frage die Wünsche des ostseeischen Handelsstandes von der Kreuzzeitung geradezu verspottet werden — wir wollen ja keinen Hass gegen Preußen säen. Man überlege nur ruhig und kalt bei sich, ob ein Staat, dessen Erinnerungen rein kriegerischer Natur sind, dessen Kern aus einem Ackerbautum besteht, welcher das Dasein der „großen Städte“ vernichten will, dessen geographische Lage zwischen Russland und Frankreich politische Gesichtspunkte notwendig in den Vordergrund drängt, die mit den wirtschaftlichen Interessen der Gegenwart Nichts zu schaffen haben, ob ein solcher durch militärischen und bürokratischen Mechanismus gestützter Staat trotz seiner vortrefflichen Verwaltung selbst bei dem besten Willen im Stande ist, das heutige große Handelsleben der Völker zum Anfangs- und Endpunkt seiner Tätigkeit zu machen? Niemand kann doch im Leben zu freiwilligen Handlungen ernstlich aufgefordert werden, die seine Existenz in Frage stellen. Und ein solcher Staat steht an der Spitze eines Zollvereins, gebildet aus einer Menge unabhängiger einzelner gleichberechtigter Ackerbaustaaten, von denen jeder die Befugnis hat, jede zu ergreifende handelspolitische Maßnahme durch sein Veto zu verhindern. Ist das, fragen wir, ein kaufmännischer Kompagnon, mit dem das Meerleben nur so ohne Weiteres ein gemeinschaftliches Geschäft zu entrieren vermag? Einem derartigen Hinterlande gegenüber muss eine jede, vom Welthandel berührte Küste ihre besondere Stellung einnehmen, geschweige das seit alten Zeiten unabhängig gestaltete Hansetum!

In den letzten Monaten, seitdem das gleichfalls agrarischen Hannover dem Zollverein beigetreten und dadurch für Bremen und Hamburg die Frage nahegerückt ist, ob sie nicht diesem Beispiele folgen sollen, hat man uns von Seiten der Anschlusspartei in öffentlichen Blättern mehrfach darauf hingewiesen, dass es ja keinem der amerikanischen oder englischen Hafenplätze einfiele, für sich eine Sonderposition in dem allgemeinen Mautsystem ihres Landes zu verlangen. Man hat gefragt, warum die hansischen Kaufleute, die doch in New-York, Boston, Baltimore früher alle die Zollmanipulationen durchzumachen gehabt hätten, jetzt bei ihrer Rückkunft nach der Heimat sich um jeden Preis die preußischen Douaniers fern halten wollten? Die Stellung der preußischen Ostseestädte hat ferner zum Beispiele dienen müssen; und was die Nordseeküste Hannovers wagen kann, so lautete die Ansicht, davor braucht auch Hamburg und Bremen nicht zurückzuscheuen. Wir wollen den guten Zweck dieses Räsonnements in keiner Weise in Abrede stellen; wir beklagen es gleichfalls tief, dass Hamburgs und Bremens Industrie durch die Folgen des Septembervertrages so gut wie vernichtet ist. Allein gelten lassen können wir die angeführten Gründe durchaus nicht! Bei der Frage nach dem eventuellen Anschluss der Hansestädte an den Zollverein handelt es sich in erster Linie gar nicht um die größere oder kleinere Beweglichkeit des Verkehrs in Bremerhaven, Vegesack oder an der Schlachte. Diese, wenn man so will, technischen Angelegenheiten sind verhältnismäßig untergeordneter Natur. Es handelt sich zunächst einmal darum, unter welchen Bedingungen verbindet sich in Deutschland das Meerleben mit dem Landleben zu einer gemeinsamen ökonomischen Politik? Die amerikanischen und englischen Seestädte bilden die Häfen von vorwiegenden Handelsstaaten. Ihre Kaufleute wissen, dass die Kabinette von St. James oder Washington keine Politik einschlagen werden, welche den Interessen des Handels zuwiderläuft. Die preußischen Ostseestädte liegen an einem Gestade, das von dem Welthandel nur mittelbar berührt wird, und Hannover trägt nicht den deutschen Anteil am heutigen internationalen Weltleben, sondern Hamburg und Bremen.

Hätten wir auf irgend einem Räume der Erde das Verhältnis; einer vom Welthandel voll berührten Küste zu ihrem aus unabhängigen agrarischen Staaten gebildeten föderativen Binnenlande politisch neu zu organisieren, wir würden an die Küste unbedingt eine volle politische Souveränität verlegen. Das ist der Sinn der oft gehörten Worte: „Wenn die Hansestädte nicht vorhanden wären, so müsste man sie erfinden.“ Bei dem Anschluss Bremens und Hamburgs an den preußischen Zollverein tritt nicht etwa einfach eine zwölfte und dreizehnte Stimme zu der vorhandenen hinzu, es handelt sich nicht um die Gewinnung der Nordseeküste durch den Zollverein, sondern die Frage lautet: Kann der Zollverein, wie er jetzt ist, überhaupt etwas mit diesem Meere machen? Wir sagten oben: „das internationale, durch die See vermittelte Völkerleben setzt sich jetzt aus dem Wechselverkehr aller fünf Erdteile zusammen; je höher seine Bedeutung steigt, desto mehr tritt die Wichtigkeit eines Landes zurück.“ Wie darf nun aber eine souveräne Küste sich einem Oberlande hingeben, das noch vorwiegend agrarischer Natur ist, dessen ökonomische Politik in den Händen eines Militärstaates liegt und dessen wirtschaftliche Organisation bisher rein negativer Natur war? Das Leben einer Nation verdorrt heut zu Tage, sobald sie nicht vollen Teil an dem Welthandel nimmt, der wirtschaftliche Geist an der Nordseeküste muss sich allmählich über ganz Deutschland ergießen. Allein zu solchem Ziele muss auch den beiden Hansestädten ihre volle Autonomie belassen werden, sonst sind sie nicht im Stande, dem binnenländischen Ackerbautum das Gleichgewicht zu halten. Meer und Land können sich nur unter beiderseitiger Gleichberechtigung ökonomisch-politisch vereinen; aus diesem Satz ziehe man unbedingt jede Konsequenz!

Wir verkennen die augenblickliche peinliche Lage von Bremen und Hamburg keineswegs; allein wir wollen es versuchen, die Wege zu zeigen, auf denen sie ihre Berechtigung zur Anerkennung zu bringen vermögen. Nur wer selbst sich aufgibt, der ist verloren!

Hansewappen

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Hanse Kogge

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