Die mecklenburgischen Truppen in Bayern im Sommer 1866

Autor: Archiv für Landekunde in den Großherzogtümern Mecklenburg. Jahrgang 18, Erscheinungsjahr: 1868
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Bayern, Preußen, Mecklenburg, Krieg, Großherzog Friedrich Franz II. von Mecklenburg-Schwerin, Preußenfurcht, Bismarck, Kriegsbegebenheiten
Eine bayrische Zeitschrift, das „Archiv für Geschichte und Altertumskunde von Oberfranken“, enthält in dem zweiten Heft des zehnten Bandes einen kleinen Beitrag zur Zeitgeschichte, an welchem wir, da das Gefecht von Seybothenreuth den Mittelpunkt bildet, nicht ohne Notiznahme vorbeigehen dürfen. Der Verfasser, Pfarrer Brock, ist ein Bayreuther und behandelt seine Erzählung als einen Beitrag zur Bayreuther Chronik; was sie dadurch an Weite des Überblicks verliert, gewinnt sie an Unmittelbarkeit und Sachnähe.

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„Am 14. Juli [1866]“ — heißt es — „kam eine telegraphische Depesche nach Bayreuth, nach welcher 20.000 Mann Preußen über Lichtenfels anrücken sollten. Das Bayreuther Tagblatt säumte nicht, diese Nachricht zur allgemeinen Kenntnis zu bringen, und sie verfehlte nicht, großen Schrecken einzujagen. Da sie sich als falsch erwies, wendete sich der Zorn des Volkes gegen die Redaktion des Tagblattes. Am 23. Juli endlich früh ½ 9 Uhr waren mecklenburgische und preußische Truppen auf der Eisenbahn in Hof eingezogen, und die dort stationierten bayerischen Kompanien unter ihrem Major hatten sich definitiv entfernt. Jetzt waren die Preußen zu jeder Stunde in Bayreuth zu erwarten, und man musste sich bereiten, wohl oder übel, sie aufzunehmen. Der Schrecken und die Preußenfurcht des Volkes war groß. Man versteckte, was nur zu verstecken war, und höher stieg die Angst, als am 24. Juli ein Bataillon bayerischer Truppen durch Bayreuth den Feinden entgegen zog, um, wie man vermutete, die Bernecker Pässe zu besetzen, denn nun musste man fürchten, dass wir den wirklichen Krieg mit allen seinen Schrecknissen erleben würden. Der Bayreuther Magistrat bat daher am 24. Juli den König telegraphisch, es möchten die wenigen bayerischen Truppen zurückgezogen werden, da die Zahl derselben in Oberfranken viel zu gering sei, einen erfolgreichen Kampf zu bestehen, und also der Widerstand nur dazu dienen könne, den Feind zu reizen und Leben und Eigentum friedlicher Einwohner zu gefährden. Man hat diese durch das Bayreuther Tagblatt bekannt gewordene Bitte in andern Teilen des Landes sehr übel genommen und die Bayreuther besonderer, landesverräterischer Sympathien zu Preußen bezüchtigt. Aber was lässt sich billiger- und vernünftigerweise gegen die Bitte des Magistrats einwenden? Entweder war Stadt und Land durch eine gehörige Truppenmacht zu schützen, was in jedem Falle das Willkommenste gewesen wäre, oder, wenn man über keine genügende Truppenmacht zu verfügen hatte, wäre doch nutzloses Blutvergießen und zwecklose Verwüstung des Landes unter allen Umständen zu vermeiden gewesen. Was die preußischen Sympathien in Bayreuth anbelangt, so kann man von einer protestantischen Stadt nimmermehr die ultramontane Wut gegen das ketzerische Preußen erwarten; auch wäre es unbillig zu verlangen, dass eine Stadt, welche früher zu den Hohenzollern'schen Stammlanden gehörte, die durch lange Jahrhunderte unter dem wohltätigen Szepter der Hohenzollern stand, eine Residenz derselben war und ihnen unendlich viel, ja eigentlich den Grund ihrer Blüte verdankt, in der es noch nicht vergessen sein kann, dass sie noch zu Anfang dieses Jahrhunderts preußisch war — einen Rassen- oder Stammes-Hass wider Preußen teile. Ebenso entschieden, wie jede solche Zumutung, muss aber auch der Verdacht und die Beschuldigung verräterischer Sympathien zurückgewiesen werden. Es ist uns unter dem väterlichen Szepter der bayerischen Könige wohl gegangen; wir wüssten keinen Grund, uns zu beklagen, im Gegenteile, wir haben tausend Ursachen, für treue Fürsorge, für die Pflege aller geistigen und materiellen Interessen, für eine geordnete Freiheit etc. von Herzen dankbar zu sein. Im Jahre l860 hat daher Bayreuth das 50 jährige Jubelfest der Einverleibung in das Königreich mit dankbarer Freude und Ergebenheit gefeiert, und es ist sicher keinem unter uns eingefallen, eine Auflösung der bisher bestehenden Verhältnisse zu wünschen. Die Einwohner wissen und haben es bestätigt*), was sie ihrem König und ihrer Obrigkeit schuldig sind, und stehen gewiss nicht in Treue und Hingebung hinter irgend einem Teil des Landes zurück. Darum war der Magistrat und das Bayreuther Tagblatt im vollsten Rechte, wenn es gegen jede Verdächtigung mit Energie und Entschiedenheit auftrat.

*) Zuletzt auch noch bei dem Besuche des regierenden Königs am 10. bis 13. November 1866, wo sich unter allen Klassen der Bevölkerung eine begeisterte Liebe zu dem liebenswürdigen Oberhaupt des Staates aussprach.

Wir kehren zu den Ereignissen zurück. Am 25. Juli erwartete man den Anzug der Preußen. Sie sollten über Goldkronach und Weidenberg kommen, und da die Bayern ihnen noch gegenüberstanden, war ein blutiger Zusammenstoß zu fürchten. Jedoch noch an demselben Tage kehrten die Bayern, welche nur bis Berneck gekommen waren, wieder zurück und gingen in die Gegend von Kemnath. Das Land stand nunmehr der Invasion offen. Doch vergingen noch mehrere Tage, denn die Mecklenburger und Preußen durchzogen das leicht zu verteidigende Gebirgsland und namentlich die Bernecker Pässe mit großer Vorsicht. Sie hielten, was sie später gestanden, es nicht für möglich, dass sie keinen Widerstand finden würden, und fürchteten Hinterhalt und ungleichen Kampf. Inzwischen waren die abenteuerlichsten Gerüchte um so tätiger, die Gemüter in atemloser Spannung und Aufregung zu erhalten. Jeden Augenblick hieß es: Die Preußen kommen! Hannibal ante portas! In Kulmbach seien sie eingezogen, ihre Vorposten stünden in Droßenfeld, dagegen bayerische Chevauxlegers auf der Phantasie, viele Tausende Bayern lagerten kampfbereit in Holfeld und Kemnath. Aus der Gegend hinter Mistelgau sah man schon den Pulverdampf der Schlacht aufsteigen, und Viele haben nicht bloß ferne Kanonenschüsse, sondern sogar Gewehrfeuer gehört. Die erregte Phantasie sah überall Gespenster. Dass man diese törichte Preußenfurcht bekämpfte und vorstellte, die nahenden Feinde seien doch Menschen, Christen, Deutsche, unter strenger Manneszucht stehende Soldaten, die sich ordentlich betragen würden, wenn man ihnen nicht mutwillig Grund zur Unzufriedenheit geben würde, das war sicher ganz in der Ordnung.

Endlich am 28. Juli, Nachmittags etwas vor 3 Uhr, waren sie da, die gefürchteten Feinde. Man sah auf der Bindlacher Straße erst einen Trupp Reiter, dann nach einem ziemlichen Zwischenraum einen längeren Zug und wieder nach einer Strecke einen weiteren langen Zug schnell daher ziehen. Es war eine Schwadron mecklenburgischer Dragoner mit einigen Preußen, circa 130 Mann, die Vorhut der II. preußischen Reserve-Armee unter der Führung des Großherzogs von Mecklenburg-Schwerin. Friedrich Franz, Neffen des Königs Wilhelm von Preußen. Schnell sprengten die Reiter mit gezogenem Säbel, den Zündnadel-Karabiner zum Schusse bereit, durch St. Georgen in die Stadt, besetzten den Bahnhof, das Rathaus und Regierungsgebäude, entwaffneten die Landwehr auf ihren Posten, besonders in der Hauptwache im neuen Schlosse, und sprengten durch den Rennweg dem andern Ende der Stadt zu, wo die Ostbahn ihr ganz nahe kommt. Denn soeben näherten sich auf der Ostbahn bayerische Truppen, eine Kompanie des 4. Bataillons des in München garnisonierenden Infanterie-Leibregiments. Ein Bahnwärter war dem herankommenden Zuge der Eisenbahn eine Strecke entgegengelaufen und hatte die Bayern gewarnt; die Kompanie verließ daher rasch die Wagen und stellte sich hinter dem Bahndamm auf die Straße, etwa 300 Schritte von dem Punkte, an welchem die Ostbahn die Straße nach Kemnath durchschneidet. Bald darauf kam das Gros des Bataillons auf der Kemnather Straße anmarschiert und vereinigte sich mit den auf der Ostbahn vorausgeeilten Waffenbrüdern. Major Graf Joner führte das Bataillon. Es war ein vor Kurzem erst errichtetes 4. Bataillon und bestand zum Teil aus ganz jungen, noch nicht recht einexerzierten Soldaten. Manche verstanden das Laden ihrer Gewehre noch nicht recht. Seit 8 Tagen hatten sie ihre Garnison München verlassen und waren stets in der Nähe von Kirchenlaibach und Seybothenreuth unter freiem Himmel im Biwak gestanden. Obwohl es erst Ende Juli war, war doch die Witterung seit langer Zeit sehr unfreundlich, denn jeder Tag hatte seine sehr ergiebigen Regengüsse gebracht. Daher zählte das Bataillon schon Kranke und Marode. Diese junge und noch wenig geübte Mannschaft stand nun auf einmal einem Feinde gegenüber, welcher zwar augenblicklich an Zahl noch schwach war, der aber stündlich wachsen musste, dem auf der Bindlacher Allee lange Kolonnen von allen Waffengattungen zu Hilfe eilten, und der ein ganzes Armee-Korps von 25 — 30.000 Mann hinter sich hatte, während die Bayern auf keinen Succurs [Unterstützung] hoffen durften. Mit banger Besorgnis; sah man daher dem Kampf entgegen, welcher in jedem Augenblicke ausbrechen musste. Allein die langen Reihen der Bayern standen und standen den vor ihnen in der Dürschnitz aufmarschierten Mecklenburger Dragonern gegenüber, und endlich zogen sich die Bayern zurück, ohne dass ein Schuss gefallen wäre. Erst später wurde diese auffallende Erscheinung aufgeklärt. Die Bayern hatten nämlich in ihrem Biwak die telegraphische Depesche bekommen: „Waffenruhe auf 5 Tage, vorrücken und möglichst viel Land decken“. Demgemäs, im Vertrauen auf die Waffenruhe, waren die Bayern vorgerückt, um Bayreuth zu besetzen, indem sie sich schon auf die guten Quartiere freuten. Indes sie fanden nicht allein, dass der Feind ihnen in der Besetzung Bayreuths zuvorgekommen war, sondern mussten auch noch durch einen als Parlamentär abgesandten Offizier hören, dass der die Mecklenburger kommandierende Major von Loos nichts von einer Waffenruhe wüsste. Als der Kommandant des bayerischen Bataillons, Graf Joner, eingetroffen war, verhandelte derselbe persönlich mit Major von Loos und erhielt wiederholt die Erklärung, dass man nichts von Waffenruhe wisse, aber ins Hauptquartier des Großherzogs von Mecklenburg schicken wolle, um volle Gewissheit zu erlangen. Bis dahin wurde eine 7stündige Waffenruhe vereinbart, und deshalb zogen sich die Bayern zurück, um die versprochene Kunde wegen der Waffenruhe zu erwarten.

Auffallend und bis zur Stunde nicht vollständig aufgeklärt ist der Umstand, dass Graf Joner von seinem Generale die amtliche Nachricht von einer 5tägigen Waffenruhe erhalten konnte, wovon man jedoch auf preußischer Seite nichts wusste, wie denn die in Nikolsburg am 28. Juli bewilligte Waffenruhe erst mit dem 2. August eintreten sollte. Auch in Bayreuth war durch ein amtliches Telegramm eine 5tägige Waffenruhe bekannt gemacht worden, man zweifelte jedoch sogleich an der Richtigkeit dieser Nachricht und nahm sie zurück (vide Bayreuther Tagblatt 24. Juli). Und doch konnte sich dieser Irrtum, welcher leider! sehr traurige Folgen hatte, noch länger aufrecht erhalten.

Die zurückgehenden bayerischen Truppen, welche noch, als sie vor der Stadt standen, reichlich mit Bier und Brot erquickt worden waren, zogen sich in die 1/2 Stunde von Bayreuth gelegenen Ortschaften St. Johannis, Colmdorf und Oberkonnersreuth zurück, wo sie einquartiert wurden. Was in der Eile zu ihrer Erquickung und Stärkung getan werden konnte, geschah mit Freuden. Ein Verein in Bayreuth sandte namentlich nach Oberkonnersreuth sogleich den Auftrag, 10 Eimer Bier und die nötige Kost den Landsleuten zu verabreichen. Während dies geschah, langten in Bayreuth immer mehr Truppen an: 4 Kanonen, noch eine Schwadron mecklenburgische Dragoner, wie mehrere Bataillone Infanterie, zusammen über 3.000 Mann. Auf dem Marktplatz waren die Dragoner aufgestellt und begrüßten dort ihre Kameraden mit lautem Hurrah. Um 8 Uhr Abends zog der größte Teil der feindlichen Truppen in den Rennweg und auf die Dürschnitz, singend und Hurrah rufend, und blieb dort die Nacht unter den Waffen, weil man den Angriff der Bayern erwartete. In den 10 bis 12 letzten Häusern der Stadt, namentlich in den Eckhäusern, wurden die Fenster ausgehoben und jedes Haus mit 175 Mann besetzt. Im Rennwege waren die Kanonen aufgestellt und auf dem Marktplatz biwakierte die übrige Mannschaft. Um 8 3/4 Abends erhielt der in die Stadt als Parlamentär geschickte bayerische Oberleutnant Jäger vom preußischen Oberstleutnant v. Bessel die Antwort, der Groß-Herzog wisse nichts von Waffenruhe, um 9 1/2 Uhr sollten die Feindseligkeiten beginnen. Dieser Zeitpunkt durfte nicht abgewartet werden, wenn nicht das schwache bayerische Korps sogleich durch die Übermacht erdrückt werden sollte. Der Major Graf Joner, welcher in der Eremitage sich aufhielt, brach daher bei Einbruch der Nacht mit der in St. Johannis befindlichen Mannschaft, etwa 600 Mann, auf und zog nach Weidenberg, wo er Nachts 1 Uhr ankam. Ein Laie hätte fragen mögen: warum seitwärts in den tiefen Talkessel von Weidenberg? warum nicht lieber so schnell als möglich auf dem kürzesten Wege, der noch offen stand, mit Benutzung der Eisenbahn nach Weiden zurück, wo General Fuchs mit 4 Bataillonen Infanterie, mit einer halben Batterie und einem Zuge Kavallerie stehen sollte? Bayreuth wieder zu gewinnen und dem Feinde den Weg nach Nürnberg abzuschneiden, konnte die schwache Mannschaft vernünftiger Weise jetzt nicht mehr hoffen; also warum irrte man unmittelbar vor dem starken Feinde zwecklos umher? — Die in Colmdorf und Oberkonnersreuth, 3/8 Stunden von St. Johannis, befindlichen Truppen hatten auch den Befehl bekommen: „Nach Weidenberg“, allein sie konnten den von St. Johannis abgezogenen Truppen nicht so rasch und glücklich folgen. Eine Kompanie, die 13., unter dem Oberleutnant v. Aretin, wollte über Eichelberg und Grünau die Brücke über den Main beim Eremitenhofe und so die Straße nach Weidenberg gewinnen, wurde aber Nachts 11 Uhr schon von mecklenburgischer Infanterie bei Eichelberg angegriffen. Die mecklenburgischen Vorposten waren bereits bis Eichelberg und Grünau vorgedrungen und feuerten sogleich mehrere Schüsse auf die vorüberziehenden Bayern ab. Letztere machten mit dem Vormarsche Halt und begannen über eine Anhöhe, welche sie schon passiert hatten, bis zur sogenannten alten Creußner Straße zurückzugehen. Hier wurde ein kurzes, aber heftiges Feuer mit dem Feinde gewechselt, in welchem der Soldat Ferdinand Suxberger aus Taisbach bei Dingolfing von der 13. Kompanie durch den Kopf und ein Mecklenburger durch den Arm geschossen wurde. Die Kompanie scheint sich hierauf in der Nacht zerstreut, bald aber wieder zusammengefunden zu haben, sie zog über Ottmannsreuth nach Etmannsberg, wo sie die übrige Nacht blieb und am andern Morgen bei Seybothenreuth gefangen wurde. Hier muss eine falsche Angabe widerlegt werden, welche offenbar von einem beteiligten Offizier herrührt und von der „Augsburger Abendzeitung“ aus ihren Weg durch mehrere Zeitungen gemacht hat. Sie lautet: „Ehe der requirierte Extrazug ankam, war bereits der Hauptmann einer andern Kompanie eingetroffen, der jedoch nur etwa 20 Mann noch mitbrachte; indem er von einem Boten, wie es scheint, absichtlich irre geführt, gerade gegen die Preußen geführt und tüchtig von denselben beschossen wurde.“ Dies kann keine andere Affaire, als die bei Eichelberg gewesen sein, denn von einem andern Zusammenstoß vor Seybothenreuth ist nichts bekannt. Wer aber die Örtlichkeit kennt, oder auch nur einen Blick auf die Karte wirft, wird darauf verzichten müssen, von einem Irregeführtwerden mit oder ohne Absicht zu reden, Denn es gibt keinen anderen näheren Weg, wenn man von Oberkonnersreuth aus, dem Major Joner folgend, nach Weidenberg gelangen will, als über Eichelberg und Grünau. Was hätten auch die ehrlichen Männer, welche aus Liebe zu ihren Landsleuten sich erboten hatten, sie bis Weidenberg zu begleiten, hausgesessene Männer und Familienväter, für ein Interesse haben sollen, ihre Landsleute und sich mit ihnen in den Bereich des feindlichen Feuers zu bringen!? Wenn aber Soldaten im Kriege sich unmittelbar vor der feindlichen Front bewegen, müssen sie sich darauf gefasst machen, angegriffen zu werden. — Eine 2. Kompanie, die in Oberkonnersreuth gewesen war, hielt während des oben erzählten Gefechtes in dem Hohlweg gleich bei dem Eingang ins Dorf und vereinigte sich später mit Major Joner, da sie den Weg nach Weidenberg offen fand. Die mecklenburgischen Vorposten müssen sich also zurückgezogen haben.

Eine Folge davon, dass das bayerische Bataillon sich unmittelbar vor dem Feinde geteilt hatte, war die, dass es auch geteilt und nicht ganz gleichzeitig in der Gegend von Seybothenreuth ankam, welche Ortschaft der Vereinigungspunkt für den Rückzug nach Weiden sein msste, und dass es geteilt von den Preußen ereilt wurde und um so gewisser seinem Schicksal erlag.

Seybothenreuth ist ein kleiner Ort, etwa 4 Poststunden von Bayreuth an der Bahn von da nach Regensburg und die erste Station von Bayreuth her. Das Dorf, ziemlich lang gestreckt, liegt in einem weiten Talgrunde am Südrande einer niedrigen Hügelkette. Außer der Eisenbahn führt von Bayreuth auch eine Chaussee dorthin, welche sich nach Kemnath und Weiden fortsetzt. Kurz vor Seybothenreuth (wenn man von Bayreuth kommt), in unmittelbarer Nähe einer Höhe, Forstkulm genannt, durchschneidet die Straße, die von Weidenberg nach Creußen führt, fast rechtwinklig die Bayreuth-Kemnather Straße. Südlich von Bayreuth, etwa eine Viertelstunde entfernt, im Tal ziemlich versteckt, liegt eine Mühle, die Petzelmühle genannt. Unmittelbar hinter derselben erhebt sich ein Hügel, der sanft ansteigend, bis über die Hälfte seiner Höhe bebaut, von da an aber mit Wald bewachsen ist. Der Hügel wird durch einen Fahrweg, der von der Mühle ins Holz fuhrt, geteilt. Quer unter diesem Fahrweg, etwa in der Mitte derselben, läuft ein gemauerter Kanal, den der Müller auf seine Kosten hat herstellen lassen. Die Strecke von der Mühle bis etwas oberhalb des Kanals war der Schauplatz eines Kampfes, der kurz und unbedeutend für das Ganze, doch blutig genug für die Bayern gewesen ist, und in welchem ein Teil des bayerischen Bataillons zum Teil verwundet und getötet, zum Teile gefangen wurde. Es war das die Kompanie unter Oberleutnant v. Aretin, welche von Oberkonnersreuth ausgezogen war und in Etmannsberg übernachtet hatte.

Sonntags, den 29. Juli, früh war der Müller in der Petzelmühle, wie er selbst erzählte, eben im Begriff, mit seinen Hausgenossen sich zum Kirchgang nach Birk zu rüsten, als eines der Kinder mit dem Rufe: „Soldaten kommen!“ ins Zimmer stürzte. Soldaten des Leibregiments bewegten sich mit großer Eile über die Wiese, die hinter der Mühle liegt. Der Müller fand aber noch Zeit, seine Mühle zu schließen, die sonst von den Soldaten besetzt worden wäre und bei dem Kampf dann leicht hätte zu Grunde gehen können. Die Soldaten mussten daher ihre Flucht weiter fortsetzen. Einige machten den Versuch, sich, so gut es geben wollte, zu verstecken, andere eilten den Hügel hinauf, um den Wald zu gewinnen, der sie gedeckt haben würde. Aber die Spitze der Fliehenden war kaum noch bis zu dem obengenannten Kanäle emporgekommen, als schon die mecklenburgischen Dragoner bei der Mühle und auf der Anhöhe anlangten und der Kampf begann. Die Bayern, die noch bei der Mühle waren, ergaben sich. Die auf die Anhöhe Geflohenen leisteten Widerstand. Sie bildeten ein Carré, wurden aber alsbald von den Dragonern niedergeritten, auseinander gesprengt und gefangen. Die Bayern gaben eine Salve und verwundeten und töteten eine große Anzahl von Pferden, bei 43. Wie viele von den Feinden? Darüber sind die Nachrichten sehr ungewiss. Von mecklenburgischer oder preußischer Seite ist keine Kundgebung hierüber erfolgt, und den Angaben der Landleute, auch wenn sie Augenzeugen gewesen sein wollen, ist nicht ganz zu trauen, da sie gerne übertreiben. Landleute wollen 11 feindliche Tote und Verwundete gesehen haben. Ein preußischer Major, welcher die Dragoner beim Angriffe befehligte und sein Adjutant sollen von einem bayerischen Gefreiten, welcher sich in der Nähe der Mühle hinter einem Holzstoße verborgen hatte, von den Pferden geschossen worden sein. Gewiss ist nur, dass kein Toter, wie es Anfangs hieß, auf dem Schlachtfeld verscharrt wurde, ebenso, dass kein Toter von preußischer Seite in Bayreuth und Oberfranken beerdigt wurde. Der Anführer der mecklenburgischen Dragoner bei Seybothenreuth erhielt später vom Großherzog von Mecklenburg einen Orden, kann also nicht gefallen sein.*) Verwundungen werden allerdings vorgefallen sein, wie denn der Müller der Pegelmühle aussagte, dass verwundete Dragoner in seiner Mühle den ersten Verband erhalten hätten, aber etwas Näheres hierüber anzugeben, sind wir zur Zeit außer Stand.**)

*) Leutnant v. Pressentin war gestürzt und lag mehrere Wochen lang im Kaffee Reichsadler.
**) Wir lassen dies unverändert stehen. Das Richtige ist seit lange bekannt.


Die Trennung der Bayern auch bei der Petzelmühle gab zu einem fatalen Missverständnisse Veranlassung, das von beiden kämpfenden Parteien in verschiedener Weise erzählt und ausgebeutet wurde. Die Dragoner behaupteten, die Wut der Bayern sei so groß und ihre militärischen Begriffe seien so gering gewesen, dass sie selbst, nachdem sie um Pardon gebeten und solchen erhalten hatten, die abreitenden Dragoner wieder hinterrücks angegriffen hätten. So habe ein Bayer einem Dragonerpferd das Bajonett und einen Teil des Gewehrlaufes dazu von hinten in den Leib gerannt. Er wurde sofort niedergemacht. Die Bayern dagegen behaupteten, die Dragoner hätten auch da noch nach ihnen gehauen, als sie sich ergeben gehabt hätten. Wie es scheint, hatten sich die unten bei der Mühle befindlichen Bayern ergeben, ohne dass die auf der Anhöhe Kämpfenden davon Kenntnis erhielten, und so mögen die von oben herab reitenden Dragoner die unten stehenden Bayern, die bereits Pardon erhalten hatten, wiederum angegriffen haben, und wiederum von der Mühle auf die Höhe reitende Dragoner, welche die Sache für beendigt ansahen, von den obenstehenden Bayern, welche von der Art der Beendigung des Kampfes unten nichts wussten und wissen konnten, wiederum feindlich angefallen worden sein.

Nicht unerwähnt darf der Mut eines blutjungen bayerischen Trommlers gelassen werden. Er wehrte sich aus Leibeskräften gegen die andringenden Feinde und als er endlich übermannt war, durchstieß er seine Trommel, um diese Trophäe dem Feind wenigstens unbrauchbar zu machen.

Nach dem Abzug der Feinde kamen zum Erstaunen des Müllers eine Menge bayerischer Soldaten zum Vorscheine und zwar aus zum Teil höchst abenteuerlichen Schlupfwinkeln, z. B. aus dem obengenannten gemauerten Kanal, einer aus dem Bretterboden der Tenne im Stadel bei der Mühle, ein anderer aus einer Kalkgrube, einer wurde gar aus dem Wasser gezogen, in dem er sich geraume Zeit verborgen hatte. Er war, als man ihn auffand, ganz erstarrt und konnte sich kaum regen.*)

*) Als Erinnerungszeichen an den angstvollen Sonntagmorgen bewahrt der Müller die Brieftasche eines Mecklenburger Dragoner-Korporals, die auf dem Kampfplätze gefunden wurde. Es befindet sich in derselben neben einem Spiele Karten ein Kugelsegen, d. h. ein Gebet an die Jungfrau Maria und etliche Heilige, das den Träger gegen die feindlichen Kugeln schützen soll.

Etwas später, als die Dragoner mit den Verwundeten und Gefangenen sich schon in Marsch gesetzt hatten, fand auf der entgegengesetzten Seile von Seybothenreuth, da, wo die Weidenberger Straße auf die Bayreuther trifft, ein anderer Kampf statt zwischen preußischer Infanterie mit 2 Kanonen und dem übrigen Teile des Leibregiments unter Major Graf Joner, welcher in der vorigen Nacht von St. Johannis aus nach Weidenberg gezogen war. Diese Truppen kamen in der Frühe des Sonntags von Weidenberg herauf, um die Eisenbahnlinie und Station zu gewinnen. So stießen sie auf den Feind, doch gelang es hier den Bayern, sich, obgleich sie in der Minderzahl waren, zurückzuziehen, freilich nicht ohne Verlust an Verwundeten und Gefangenen. Major Joner selbst wurde verwundet. Am schwersten litten die Bayern, als sie wie Augenzeugen erzählen, über den Eisenbahndamm weg wollten. Bei dieser Gelegenheit stürzte einer der Vorderen in der Eile zu Boden, über diesen wieder andere, die nachdrängten, und in den so entstandenen Menschenknäuel feuerten nun die Preußen. Die Kanonen — Vierpfünder — gaben zwar nur sehr wenige Schüsse ab, trugen aber viel dazu bei, die Verwirrung auf bayerischer Seite zu mehren. Aufgepflanzt waren diese Geschütze bei dem Gehölze auf dem Forstkulm. Es mag dieser Umstand die Veranlassung zu dem später in Bayreuth verbreiteten Gerüchte gegeben haben, dass „der raue Kulm ganz mit Kanonen gespickt“ sei. Mittags kam Major Graf Joner mit dem Reste seiner Mannschaft, etwa 280 Mann ohne Tornister, in Creußen an, wo er sich verbinden ließ, und entkam über Thumbach, Eschenbach und Pressat glücklich nach Weiden.

Der Verlust der Bayern in diesen Gefechten bestand in 3 Toten, welche auf dem Platze blieben und in Birk beerdigt wurden, und in 40 Verwundeten, von denen einer bald darauf im Spital zu Bayreuth starb und ein anderer, dem der Knochen des Oberschenkels zerschmettert war, später seinem schweren Leiden erlag. Die Verwundeten, unter denen 3 Offiziere (außer Graf Joner), wurden meist im St. Georgen Lazarett, im städtischen Kranken- und Siechhause zu Bayreuth, wie in Laineck bei Herrn Fabrikbesitzer Kolb untergebracht und sorgfältig verpflegt. Ein Verwundeter lag in Birk, ein anderer in Kemnath. Graf Joner ließ sich nach München bringen. Die Verwundungen waren meistens leichter Art und heilten bald. Einem war die Kugel in den Rücken und an der Vorderseite des Leibes wieder herausgedrungen. Er schien rettungslos verloren und doch genas er, denn das Langblei hatte seinen Weg nicht gerade durch die Eingeweide, sondern um die Rippen herum genommen. Die Namen der Verwundeten etc. sind im Bayreuther Tagblatte vom 9., 10., 11., 12. und 14. August aufgezeichnet. Die Gefangenen, etwa 120 bis 170 Mann, wurden mit Hauptmann Gradinger nach Cörlin bei Stettin gebracht, dort von Bayern aus unterstützt und kehrten nach dem Friedensschlusse wieder in die Heimat zurück. Noch ist zu erwähnen, dass die Preußen behaupteten, bei Seybothenreuth eine Fahne der Bayern erbeutet zu haben, wie sie denn auch eine solche bei dem feierlichen Einzuge in Berlin unter ihren Kriegstrophäen mit aufführten. Da aber die Bataillonsfahne, welche unleugbar die Bayern mit sich hatten, nach Limberg gerettet wurde, so können die Preußen nur das Fähnlein erobert haben, welches zur Bezeichnung des Lagerplatzes beim Biwakieren diente.

Vom Verluste der Mecklenburger und Preußen kann nur wiederholt werden, dass kein einziger Toter konstatiert ist.

Nachdem das Seybothenreuther Trauerspiel schon vorüber war, traf der Großherzog von Mecklenburg-Schwerin, Friedrich Franz, welcher das 2. preußische Reservecorps befehligte, am 29. Juli gegen Mittag in Bayreuth ein. Er wartete vergebens im Bahnhofe auf den Empfang einer Deputation der Stadtbehörden, wie denn auch am Tage vorher, bei dem ersten Einrücken der Mecklenburger, der Bürgermeister den feindlichen Truppen nur am Opernhause auf der Straße entgegengekommen war, um etwaige Ordres „der Gewalt“ entgegenzunehmen und Belästigungen des Privatmannes soviel tunlich ferne zu halten. Das musste im Interesse der Stadt geschehen und geschah in viel zurückhaltenderer Weise, als z. B. in Nürnberg am 31. Juli und 1. August. Erst als der Großherzog im Schlosse war, erbat sich die städtische Behörde Audienz; sie wurde freundlich und wohlwollend empfangen. Und doch wurde Bayreuth wegen dieser Art des Empfanges oder richtiger Nichtempfanges des Großherzogs bei seinem Einzug in bayerischen Blättern verdächtigt! Jedoch kann die angegriffene und schwergekränkte Stadt darin ihre volle Beruhigung finden, dass der Großherzog von Mecklenburg, als er mit den Invasionstruppen wieder abzog, in seiner Abschieds-Proklamation vom 30. August (Bayreuther Tagblatt vom 2. September) gerade rühmte, dass sowohl die Behörden als die Einwohner überall gewusst haben, die Treue gegen ihren König mit den seinen Truppen schuldigen Rücksichten in Einklang zu bringen, sowie dass der Großherzog diese Erklärung namentlich in Beziehung auf die Stadt Bayreuth gegen den königl. Regierungs-Präsidenten von Zwehl wiederholte. (Bayreuther Tagblatt vom 6. September.) Es ist leicht, andere, die von großen Gefahren bedroht sind, wegen ihrer Handlungen zu richten, zu verdächtigen und zu schmähen, zumal wenn man selbst im sichern Winkel sitzt und noch keine Proben davon abgelegt hat, was man selbst in ähnlicher Lage würde getan haben. Sollte man denn nicht bedenken, dass ein solches Benehmen nicht Freunde gewinnt zu einem einträchtigen Zusammengehen in den Tagen der Not, sondern nur Antipathien erzeugt?

Nach dem Einzug des Großherzogs in Bayreuth wurde Revue über die vorhandenen Truppen gehalten und dieselben einquartiert. Starke Massen wurden in die zunächst um Bayreuth liegenden Dörfer gelegt*), denn die Truppen wurden zusammengehalten, weil man sich vor einem Angriffe der Bayern nicht gesichert glaubte. Wie wäre — so sagten die Offiziere — das Vorgehen eines einzigen Bataillons erklärlich, wenn es nicht zu dem Zwecke der Fühlung des Feindes ausgesandt worden wäre und deshalb eine bedeutende Macht zum Rückhalte hätte? Doch zogen schon am Montag, den 30. Juli, mecklenburgische und preußische Regimenter mit andern verbündeten Truppen (Anhaltinern und Altenburgern) den Weg nach Nürnberg über Gesees und Pottenstein, wie über Creußen und Pegnitz, da Nürnberg bis zum 1. August besetzt sein sollte. Das war wieder eine Zeit der abenteuerlichsten Gerüchte. Hinter Creußen, bei Neustadt am Culm, bei Hollfeld sollte es blutige Schlachten mit großen Verlusten der Preußen gegeben haben! Am 31. Juli gingen die Truppenmärsche mit dem General-Kommando des feindlichen Heeres nach Nürnberg fort, während das Wetter nasskalt war und jeder Tag mehrere gewaltige Regengüsse brachte. Der Abzug des Gros der feindlichen Truppen befreite wohl Stadt und Land einigermaßen von der übergroßen Last der Einquartierung, legte dagegen aber auch die drückende Last der Requisitionsfuhren allen Besitzern von Zugtieren auf. Schon fürchtete man, Pferde und Ochsen niemals wiederzusehen; doch hatte man keinen Verlust zu beklagen. Zu gleicher Zeit mussten große Magazine von Lebensmitteln angelegt werden. Das Hauptmagazin war in der Spitalkirche. Bäcker und Metzger waren Tag und Nacht beschäftigt, und an Reis, Kaffee etc. wurden große Quantitäten zusammengebracht. Der Stadt kosteten diese Naturalrequisitionen mehr als 60.000 fl. Vieles Fleisch verdarb, und Brot wurde um geringen Preis wieder verkauft. Nach und nach wurde das Leben wieder etwas gemütlicher, nachdem seit der letzten Woche des Juli die Eisenbahnzüge aufgehört hatten, die Post ausgeblieben, kein Postbote mit Zeitungen etc. erschienen war. Denn am 4. August traten die Postboten ihre Gänge wieder an, und am 7. August begannen wieder alle Züge der Staats- und Ostbahn mit Personenbeförderung. Am 6. August waren Braunschweiger Husaren auf der Bahn in Bayreuth eingetroffen, welche am andern Tage weiter nach Süden zogen; doch wir wollen nicht alle diese Truppenzüge registrieren, da sie kein besonderes Interesse haben. Man hatte in der Stadt wohl bis Anfangs September Einquartierung, doch nicht allzu viel, auf dem Lande fast keine mehr, und die Soldaten — man muss ihnen diese Gerechtigkeit widerfahren lassen — hielten gute Mannszucht und wussten mit vielen Quartiergebern in freundliche Verhältnisse zu treten. Die bayerischen Behörden fungierten ungehindert unter der preußischen Inspektion fort, und nirgends kam es zu empfindlichen Bedrückungen. Dass Bayreuth mit Hof und Kulmbach oder Hof und Kulmbach allein an Preußen oder sogar an den Herzog von Koburg abgetreten werden sollte, dieses Gerücht erregte aber kaum die Gemüter, da man die Möglichkeit einer solchen Veränderung schwer glauben wollte. Der Friedensschluss vom 22. August gab auch bald die erwünschte völlige Beruhigung und bis Anfangs September waren sämtliche Invasionstruppen wieder abgezogen.“

*) Einzelne noch dazu arme Dörfer hatten 1.000 Mann, einzelne Höfe 100 und mehr Mann; St. Johannis, 1.000, Aichig 900, Seulbitz 1.000, Laineck 800, die Flachsspinnerei 300 Mann.

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An diese Bayreuthische Campagne-Chronik schließen wir die prägnante Darstellung der Kriegsbegebenheiten in Bayern, an welchen die mecklenburgischen Truppen Teil gehabt haben, aus der von dem Königlich bayerischen Generalquartiermeister-Stabe verfassten Schrift: „Anteil der Königlich bayerischen Armee am Kriege des Jahres 1866“. (München 1863. In Kommission bei Hermann Manz.) In dieser heißt es S. 217—222:

„Den 26. Morgens ging das Kommando an den von München eingetroffenen Oberstleutnant Roth über. Im Laufe dieses Tages rückten die Abteilungen, welche am 25. Juli teils vorläufig an dem Bahnknotenpunkte Weiden zurückgehalten, teils noch im Transporte dahin begriffen waren, in die Dislokation des Corps, deren Fronte die Linie Windisch-Eschenbach-Kemnath bezeichnete, allmählich ein. Der Feind indessen wurde durch die an der Staatsbahn notwendigen Herstellungsarbeiten in Heranziehung seiner Truppen so sehr aufgehalten, dass er am 27. Juli erst bei Markt Schorgast und Kulmbach stand; auch unterblieb das erwartete Vorgehen desselben auf Kemnath.

Am Abende des gleichen Tages traf der definitiv mit der Kommandoführung über das Ost-Corps betraute Generalmajor Fuchs in Kemnath ein und übernahm den Oberbefehl. Aber schon am 28. Juli früh 6 Uhr erhielt er ein Telegramm des als Landes-Commissär für Oberfranken fungierenden Regierungsrats Bucher, welcher ihm in offizieller Weise Mitteilung über den Eintritt eines Waffenstillstandes machte und zugleich den Befehl des Oberkommandos eröffnete, so viel Land zu decken, als nur immer möglich. „Die Kolonne Höfler rücke deshalb nach Hochstädt und Hollfeld vor. Bayreuth sei, so viel man wisse, noch von den Preußen frei.“

Mit Beziehung auf diese unzweifelhaft als authentisch zu betrachtende Nachricht verfügte Generalmajor Fuchs, dass das 4. Bataillon (Wirthmann) des 13. Regiments nach Waldeck und Umgegend, jenes des 7. (Stöckel) nach Waldsassen, Mitterteich, Erbendorf und Eschenbach, jenes des 14. (Michels) nach Kulmain und Kemnath, das Reserve-Bataillon (Lauböck) des 11. nach Weiden, die beiden Jäger-Kompanien nach Furth, daS 4. Bataillon (Joner) des Leib-Regiments aber mit der halben Batterie an den nun vor Allem wichtigen Punkt nach Bayreuth rücken solle.

Dieses Bataillon erhielt die Weisung, falls die genannte Stadt von den Preußen besetzt gefunden würde, weiter rückwärts Stellung zu nehmen, und brach sofort von Kirchenlaibach auf; nur die 8. Schützen-Kompanie unter Hauptmann von Parseval blieb zurück, bis die Bahn fahrbar gemacht war, dann folgte dieselbe mittelst Extrazug nach, um das Bataillon wo möglich unterwegs aufzunehmen. Indes traf der Zug nicht auf die Kolonne, und Hauptmann von Parseval beschloss daher, um die Ankunft in Bayreuth nicht zu verzögern, mit seiner Kompanie allein voraus zu fahren.

Etliche hundert Schritte vor der Stadt gab ein Bahnwärter das Signal zum Halten und meldete, der Feind, welcher vor kaum 10 Minuten eingerückt sei, habe bereits den Bahnhof mit 30 Dragonern besetzt. Der Hauptmann ließ augenblicklich aussteigen und dem gegnerischen Kommandanten durch einen Parlamentär mitteilen, dass sein Bataillon bei eingetretener Waffenruhe befehligt sei, die Garnison Bayreuth zu beziehen. Der feindliche Offizier erklärte, es sei ihm von Einstellung der Feindseligkeiten nichts bekannt; er wolle übrigens bei seinem Höchstkommandierenden anfragen und, bevor er Antwort erhalten habe*), nichts gegen die bayerischen Truppen unternehmen.

*) Dieselbe erfolgte verneinend Abend ½ 10 Uhr.

Über diese Verhandlungen war es ½ 6 Uhr Abends geworden, und Hauptmann von Parseval, welcher dem General Fuchs über seiner Lage telegraphisch berichtete, zog sich jetzt auf der Creußener Straße bis Oberkonnersreuth zurück, woselbst nach 6 Uhr auch das Bataillon anlangte.

Major Graf Joner beließ die 13. bei der 8. Schützen-Kompanie in Oberkonnersreuth, ging mit der 14., 15. und 16. nach Sankt Johannes und schickte die 7. Schützen-Kompanie als Verbindungsglied an den Durchschnittspunkt der Bahn mit der Straße nach Colmdorf vor.

Auch er hatte sich mit dem feindlichen Kommandanten ins Benehmen gesetzt; jedoch noch ehe von diesem ein definitiver Entscheid gegeben ward, erhielt er (etwa um 8 Uhr Abends) die Meldung, dass der Gegner Infanterie auf Wagen nach Untersteinach führe, und dass eben eine größere Kolonne mit Geschützen in Bayreuth einrücke. Zugleich bekam er ein Telegramm des Generals, das ihn anwies, „bei Creußen-Weidenberg Stellung zu nehmen.“

Er setzte sich nun mit der 15. und 16. Kompanie nach Weidenberg in Bewegung, befahl der 14. Kompanie nach Creußen zu rücken und ließ durch einen Offizier, welcher überdies beauftragt war, die in Aussicht gestellte Erwiderung des feindlichen Kommandanten entgegen zu nehmen, seine 3 detachierten Kompanien gleichfalls zum Rückmarsch anweisen. Hierüber brach die Abenddämmerung herein, und bald lag tiefes Dunkel über der ganzen Gegend.

Hauptmann Rudhart, welcher die 14. Kompanie führte, hatte sich nach Antritt seines Marsches, um zu rekognoszieren, zur Vorhut begeben, wurde aber schon bei Sankt Johannes durch ein Missverständnis; von der Kompanie getrennt, und nahm dies erst wahr, als er, in der Nähe der von Bayreuth nach Seybothenreuth führenden Straße plötzlich überfallen und beschossen, sich auf seine Truppe zurückziehen wollte. Mit den wenigen Leuten, die ihm geblieben, und 12 Mann der Wagenbedeckung, welche sich ihm angeschlossen hatten, gelangte er Nachts ½ 2 Uhr nach Seybothenreuth. Seine Kompanie war inzwischen den beiden vom Major geführten Kompanien nach Weidenberg gefolgt.

Die 7. Schützen-Kompanie war zwischen 8 und 9 Uhr von Colmdorf abmarschiert, kam zwischen 12 und l Uhr nach Seybothenreuth und verbarrikadierte sich dort. Ebendaselbst langte fast gleichzeitig der dem General Fuchs beigegebene Generalstabs-Hauptmann Schanzenbach an, und dieser dirigierte die gesamte in Seybothenreuth anwesende Mannschaft mit anbrechendem Morgen nach Kemnath.

Die 3. Schützen- und 13. Kompanie hatten um ½ 10 Uhr den Befehl zum Abmarsch erhalten und waren über die nördlich von Ober-Connersreuth befindliche Anhöhe gegen die Weidenberger Chaussee abgerückt, als Hauptmann von Parseval durch einen Unteroffizier den Befehl erhielt, in Ober-Connersreuth zu warten. Er wollte nun die vorausmarschierende 13. Kompanie an sich ziehen; allein ehe dieselbe von der vorgeschickten Ordonnanz erreicht ward, sah sie sich plötzlich am sogenannten Vollwenzel-Haus aufs Heftigste angefallen und wurde getrennt. Der eine Zug gelangte am nächsten Morgen ohne besonderen Unfall nach Weidenberg zum Bataillon, der andere aber, welcher um Mitternacht nach dem Dorfe Etmannsberg gekommen war, dort einige Stunden gehalten und mit Tagesanbruch seinen Marsch gegen Seybothenreuth fortgesetzt hatte, wurde zunächst dieses Ortes von Reiterei überfallen und, nachdem von 34 Mann 18 getötet oder verwundet waren*), gefangen.

*) Unter letzteren auch der Kompanie-Kommandant, Oberleutnant Freiherr von Aretin.

Die 8. Schützen-Kompanie war allein nach Ober-Connersreuth zurückgegangen, hatte diese Ortschaft aber augenblicklich wieder verlassen, als man vom Bollwenzel-Hause her feuern hörte. Auf der Höhe angelangt, wurde auch sie beschossen, wobei ein Mann fiel. Trotz aller Eile gelang es nicht mehr, mit der 13. Kompanie Fühlung zu gewinnen. Im Bollwenzel-Haus fand sich nur mehr ein einziger preußischer Soldat. Hauptmann von Parseval setzte sich nun in Marsch nach Weidenberg und langte um ½ 3 Uhr am Morgen des 29. dortselbst an.

Generalmajor Fuchs hatte auf die erste Nachricht über die Situation des Bataillons Joner dem Reserve-Bataillon des 1 I. Regiments Ordre geschickt, per Eisenbahn von Weiden nach Kemnath zu gehen, um dem erstgenannten zur Aufnahme zu dienen. Es war aber die Kunde eingegangen, dass der Feind, auch aus Böhmen vordringend, Waidhaus schon besetzt halte, und darum hatte der eben in Weiden befindliche Hauptmann Schanzenbach das abberufene Bataillon dort zurückgehalten. Der General billigte dieses Verfahren. Ebenso bestätigte er zunächst den vom genannten Offizier bei seiner schon erwähnten Anwesenheit in Seybothenreuth an den Major Grafen Joner nach Weidenberg erlassenen Befehl, auf der Hauptstraße längs des Gebirges direkt nach Kemnath zu marschieren, welchem dieser unmittelbar nach dem Empfang ( 1/2 7 Uhr Morgens) Folge leistete.

Als aber Generalmajor Fuchs mittlerweile die Gewissheit erlangt hatte, dass Seybothenreuth nicht vom Gegner besetzt sei, sandte er bald darauf dem zurückmarschierenden Bataillon den Befehl entgegen, dorthin zu rücken, weil er es von da mittelst der Eisenbahn transportieren lassen wolle.

Der Major erhielt diesen neuen Befehl gegen ½ 8 Uhr, und schlug sofort die bezeichnete veränderte Marschrichtung ein. Inzwischen war jedoch, wie erwähnt, nächst Seybothenreuth die Gefangennahme der von Emtmannsberg dahin gelangten Abteilung erfolgt, ohne dass der General oder Major Graf Joner von diesem Ereignis erfuhren. Schon in der Nähe von Doberschütz bemerkte dieser jetzt feindliche Infanterie in seiner linken Flanke, gegen die er sich durch die herangezogene Arrièregarde (8. Schützen-Kompanie) zu sichern suchte.

Das Bataillon war noch nicht bis an die Bahn gelangt, als es plötzlich durch Artillerie beschossen wurde. Zugleich entwickelte der Feind Infanterie und Kavallerie.

Der Marsch wurde eiligst fortgesetzt, so dass die aufs Äußerste erschöpfte, gleich wie das ganze Bataillon fast nur aus Rekruten bestehende Plänklerkette in dem unwegsamen Terrain nur sehr schwer zu folgen vermochte. Endlich ist die Kreuzung der Straße mit dem Bahndamm erreicht; allein wegen des erwarteten Zuges, welcher das Bataillon zurückführen soll, sind die Schlagbäume herabgelassen, und während nun der Kopf der Kolonne sich durch die schmalen Durchgänge zwängt, attackieren die Mecklenburger Dragoner gegen die Queue. Hauptmann von Fleckinger, der mit seiner Kompanie das Bataillon schließt, lässt kehren und schlägt den Angriff durch eine wirksame Entlastung ab. Inzwischen ist die Passage frei gemacht worden, und das Bataillon überschreitet rasch den Bahndamm.

Der einzige mögliche Ausweg lag nunmehr gegen Creußen. Dieser wurde denn auch eingeschlagen, und der Rückzug dorthin, gedeckt durch die Kompanie des Hauptmanns v. Parseval, allerdings aber unter schweren Verlusten, bewerkstelligt. Letztgenannter Offizier traf mit der Arrièregarde eine Stunde nach dem Bataillon in Creußen ein, übernahm dort von dem verwundeten Major das Kommando und setzte mit den 300 Mann, die übrig geblieben waren, nach kurzer Rast seinen Marsch auf Kirchenthurmbach fort. Hier requirierte er Wagen, schaffte seine Mannschaft nach Pressat und fuhr mit derselben auf der Eisenbahn nach Weiden.

          Der Verlust betrug:
                    6 Mann tot,
                    1 Offizier*), 1 Mann, 1 Pferd verwundet,
                    7 Offiziere**), von denen 4, und 243 Mann,
                    von denen 21 auch verwundet waren, dann 1                     Pferd, vermisst und gefangen,
im Ganzen: 8 Offiziere, 250 Mann, 2 Pferde.

*) Major Graf von Joner-Tettenweiß.
**) Hauptmann Gradinger, Oberleutnant Freiherr von Aretin, dann die Unterleutnants Galler, Schwarz, Baur, Übelacker und del Moro


Der Feind war eine größere Strecke gegen Creußen nachgefolgt, dann wendete er sich westwärts. Am 31. Juli rückte die Avantgarde des Großherzogs von Mecklenburg in Nürnberg ein, und nun erklärte derselbe dem Generalmajor Fuchs seine Bereitwilligkeit zu unterhandeln. Das Kriegsministerium bevollmächtigte zu diesem Zwecke den Oberstleutnant Roth, und am 4. August wurde eine Demarkationslinie vereinbart, wonach die feindliche Kantonnierungsgrenze durch die Ortschaften Waldhaus, Amberg, Altdorf und Schwabach, dann durch die Flusstäler der Rednitz. Regnitz, des Mains und der Itz bezeichnet sein sollte. Das bayerische Ost-Corps bezog ausgedehnte Kantonnierungen mit dem Stabssitz Schwandorf“.

Bayern um 1860 - Sittenbild

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