Die ewige Blüse auf dem Salzhaff

Aus: Mecklenburgs Volkssagen. Band 2
Autor: Von C. Pechel, Organist zu Alt-Gaarz, Erscheinungsjahr: 1862
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Mecklenburg-Vorpommern, Sage, Volkssage, Alt-Gaarz, Fischer, Gründonnerstag, Wustrow, Wismar, Poel
An der Westküste Mecklenburgs liegen, von Wismar abwärts, lang dahingestreckt die Insel Poel und die Halbinsel Wustrow, beide nur durch eine schmale Wasserstraße von einander getrennt. Durch diese steht die Ostsee mit dem sogenannten Salzhaffe in Verbindung, einer etwa zwei Meilen langen Binnensee, welche namentlich nach dem Meere hin durch Wustrow eingeschlossen wird. Diese Binnensee ist von geringer Tiefe, dabei sehr fischreich, und daher stehet man sie stets von Fischerbooten belebt, welche die reichen Schätze von Fischen ans Tageslicht zu fördern suchen.

Einen höchst interessanten Anblick gewährt besonders das Fischen in stillen Sommernächten. Dann ist das Salzhaff von vielen Booten übersät, welche sämtlich auf einem eisernen Rost ein großes, flackerndes Kienfeuer unterhalten, um beim Scheine desselben mittelst eiserner, an langen Stangen befestigter Widerhaken die Aale aus der See zu holen. Diese Beschäftigung nennt man blüsen. Hieran knüpft sich nun eine Sage, wohl wert in weiteren Kreisen verbreitet zu werden, weshalb ich sie nach mir gewordenen Mitteilungen aufgezeichnet habe.

Vor vielen Jahren lebte auf der Halbinsel Wustrow ein Schneider, dessen Namen uns die Sage nicht nennt, von dem sie aber erzählt, dass er ein gar roher, wüster Geselle gewesen sei. Seine Profession hatte er aufgegeben, um dafür seinen Lebensunterhalt durch Fischen sich zu erwerben. Dabei war ihm nichts heilig, nie sah man ihn im Gotteshause; an Sonn- und Festtagen, wenn Andere zur Kirche wanderten, erblickte man ihn auf der See mit Fischen beschäftigt, und wenn seine Genossen ihn aufforderten, den Tag des Herrn doch heilig zu halten, so wies er solche Aufforderung mit rohem Spotte von sich.

So war auch einmal wieder der Winter verflossen, die Eisdecke von der See verschwunden und am Grünendonnerstag Abend war der Spiegel der See so blank und klar, dass die Fischer an diesem Abend wohl zum ersten Male wieder hätten zum Blusen ausziehen können, wenn diese stille Nacht nicht zum Karfreitage geführt hätte, ein Festtag, der ja uns Christenmenschen so recht mahnend vor die Seele stellt, was die Liebe des treuen Gottes durch den Tod Seines eingeborenen Sohnes für unsere Sünden getan.

Kein Fischer spannte an diesem Abend sein Segel, nur der Schneider kehrte sich nicht daran, für ihn gab's keinen Karfreitag; er sah nur die ruhige See, das blanke Wasser, den klaren mit Sternen besäten Himmel, und das war ihm genug auch heute hinaus zu ziehen zum Blusen. Vergeblich waren die Mahnungen seiner Genossen, nicht so freventlich den Tag des Herrn zu entweihen, er zog allein hinaus, und bang und ahnungsvoll folgten ihm die Blicke der Zurückbleibenden. Hatte er sich doch soeben, wie nie zuvor, mit lästerlichem Hohne über den bevorstehenden Feiertag der Christenheit ausgelassen und dadurch die Herzen aller Umstehenden mit Schauder erfüllt.

Jetzt war der Spötter mit seinem leichten Boote mitten auf der See, das Kienfeuer seines Bootes flammte hoch auf, und bei demselben sah man ihn einen Aal nachdem andern aus der See holen und mit sprechenden Gebärden jedesmal nach seinen Genossen am Strande hinzeigen.

So war die Mitternacht gekommen, der Schneider musste einen reichen Fang tun, denn immer eifriger sahen die noch am Ufer Zurückgebliebenen ihn mit seiner langen Stange die See durchfurchen. Aber plötzlich veränderte sich die Szene. Im Nu waren die hellen Sterne am Himmel verschwunden, schwarze Wolken warfen ihre Riesenschatten über die See und der Vollmond verbarg sich hinter denselben; das Salzhaff wurde unruhig und bäumte plötzlich hoch auf, dass die Wellen das Ufer peitschten.

Als die entsetzten Zuschauer wieder ihre Blicke nach dem verwegenen, einsamen Fischer richteten, da sahen sie zwei Kähne statt des einen, und im zweiten flammte auch das Blüsenzeichen, und ein Mann hoch aufgerichtet stand in demselben und hielt drohend die Hand nach dem andern Kahne ausgestreckt.

Atemlos und mit Entsetzen sahen die Zuschauer, wie der Fischer jetzt alle Kraft anstrengte, um sein Boot durch die tobende, zischende See zu treiben und das Ufer zu gewinnen. Umsonst! Immer folgte der Andere, dessen Boot gespenstisch still die See durchschnitt; keine Hand erblickte man, welche den leichten Kahn lenkte und trieb. Jetzt waren die Boote neben einander, jetzt sah man den Fischer auf die Knie sinken und angstvoll die Hände nach der Schreckensgestalt ausstrecken; umsonst. Noch einmal brauste ein gewaltiger Windstoß mächtig über die See — die Kienfeuer erloschen — und Alles war plötzlich in grause, dunkle Nacht gehüllt.

Mit Entsetzen flohen die am Strande Harrenden, hatte der Herr ihnen doch ein Zeichen gegeben, wie er die Frevler straft.

Am andern Morgen lag das Boot zerschellt am Strande; von dem Fischer hat man nie etwas wieder gesehen.

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Seit jener Nacht sieht man nun die ewige Blüse, aber nur im Sturm, wenn derselbe die Wogen peitscht. Dann sieht man ein gebrechliches Boot gespenstisch still durch die schäumenden Wogen gleiten und im Boote stehet ein Mann, gebückt und die Hände gefaltet und wirft sehnende Blicke ans Land; aber er kann es nimmer erreichen. Das Blüsenfeuer flammet im Boote, auch der Sturm vermag es nicht zu löschen; ruhig und still flammt es empor, als war's eine gar liebliche Sommernacht.

Und wenn ein kühner Fischer es wagt, diesem gespenstischen Blüsenfeuer sich zu nahen, so kann er das Boot doch nie erreichen, denn dasselbe gleitet pfeilschnell durch die stürmende See und fliehet den verfolgenden Fischer.

Nur einmal ist es einem Fischer gelungen, sich der ewigen Blüse zu nahen, als plötzlich dieselbe sich gegen ihn kehrt, und der sonst so traurig in sich versunkene Mann derselben mit drohender Gebärde auf den kühnen Fischer einlenket und ihn verfolgt. Nur die Nähe des Strandes macht diesem es möglich, sich zu retten, denn dahin kann die ewige Blüse ihm nicht folgen.

Seit der Zeit wagt es Keiner mehr, sich der ewigen Blüse zu nahen.

Hart ist das Leben für die Fischer an der Ostsee.

Hart ist das Leben für die Fischer an der Ostsee.

Fischeralltag

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In der Saison wird jede Hand gebraucht

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