Die deutschen Kriegs- und Handelsflotten. 6. Die Handelsreederei von Hamburg.

Aus: Wissenschaftliche Beilage der Leipziger Zeitung
Autor: Redaktion - Leipziger Zeitung, Erscheinungsjahr: 1859
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Hamburg, Nordseeküste, Welthandel, Reederei, Seeschiffe, Kapitäne, Matrosen, Schiffsjungen, Steuerleute, Fregatten, Barken, russische Ostseeprovinzen, Welthandel, London, Liverpool, Ostsee
Wir wollen uns nun hier zu der Reederei der deutschen Nordseeküste wenden, die im Allgemeinen noch bedeutender und mehr in den größeren Welthandel eingreifender ist, wie die der Ostsee. Hamburg nebst London und Liverpool die drittgrößte Handelsstadt in Europa, ja in der ganzen Welt, nimmt auch in seiner Reederei einen ungemein bedeutenden Platz ein und hat besonders in den letzten 20 Jahren hierin die wichtigsten Fortschritte gemacht. Im Jahr 1847 fuhren unter Hamburger Flagge nur noch 228 Seeschiffe, 1858 aber bereits 468 Schiffe, die mit ungefähr 6.500 Kapitänen, Steuerleuten, Matrosen und Schiffsjungen bemannt waren. Besonders auch die Größe der einzelnen Fahrzeuge hat ungemein zugenommen, da die Hamburger Schiffe immer mehr zu weiten transatlantischen Fahrten verwandt werden. Im Jahr 1847 hatte Hamburg nur 84 große Dreimaster von 400—800 Tonnen Tragfähigkeit, 1857 aber schon 209 dreimastige Fregatten und Barken, was ungleich mehr ist, wie der gesamte österreichische Kaiserstaat an solchen Fahrzeugen besitzt. Kein irgendwie nennenswerter Hafen in allen 5 Weltteilen ist vorhanden, in dem die Hamburger Flagge sich nicht alljährlich am Bord stattlicher Seeschiffe zeigt. Besonders häufig erscheint solche in sämtlichen südamerikanischen Häfen der Ost- wie Westküste, in Australien, China, ganz West- und Ostindien, und am Cap der guten Hoffnung. Nach den Häfen der nordamerikanischen Freistaaten kommen Hamburger Fahrzeuge im Allgemeinen weniger wie Bremer, obgleich auch 2 verschiedene, regelmäßige Verbindungen mit Segelschiffen von Hamburg nach Neu-York, Neworleans und Boston bestehen. Von den europäischen Häfen werden die englischen am häufigsten von Hamburger Fahrzeugen besucht, wenn auch der sehr bedeutende Kohlenhandel von England nach Hamburg größtenteils von englischen Schiffen besorgt wird. Im Mittelländischen Meere erscheinen die Schiffe Hamburgs ungleich seltener, da überhaupt die Handelsverbindungen der Stadt mit allen Häfen des Mittelländischen und Schwarzen Meeres nicht so ungemein bedeutend sind, wenngleich stets ein Handel stattfindet. In der Versorgung des weitgrößten Teils von Deutschland mit Waren, die aus den Häfen des Mittelländischen Meeres kommen, wird Triest in Folge seiner geographischen Lage — bei gesteigerter Anstrengung immer mehr — Hamburg und Bremen den Rang abgewinnen können. Der Handel Hamburgs mit Spanien wird größtenteils von spanischen Schiffen besorgt, der Transport von Südfrüchten aus Messina, Palermo und Genua aber von kleinen, sehr scharf gebauten schnellsegelnden „Fruchtjagern“, die vielfach in dem schleswig-holsteinischen Elbdorf Blankenese gereedert werden. In dem wichtigen Handel Hamburgs mit Norwegen und Schweden werden hauptsächlich auch schwedische, norwegische und dänische kleine Schiffe verwandt, da diese der geringeren Bezahlung ihrer Leute wegen, wohlfeiler wie die deutschen Schiffe zu fahren vermögen. In dem Handel Hamburgs mit den deutschen und russischen Ostseeprovinzen, insoweit solcher nicht durch Eisenbahnen vermittelt wird, sind nur einzelne kleine Fahrzeuge unter Hamburger Flagge tätig und wird derselbe größtenteils von preußischen, ostfriesischen und schleswig-holsteinischen Schiffen besorgt, wie denn überhaupt die größeren Hamburger Dreimaster nur selten Reisen nach europäischen Ländern zu machen pflegen. Frachtfahrten von fremden nach fremden Häfen, wie dies die Hauptbeschäftigung der mecklenburgischen Schiffe ist, werden nur ausnahmsweise von Fahrzeugen Hamburgs unternommen, da fix größtenteils im eigenen Handel der Stadt vollauf genügende Beschäftigung finden. Bei dem Wallfischfang in der Südsee ist die Hamburger Flagge nicht vertreten, doch werden alljährlich noch einige sehr starke Fahrzeuge auf den Robben- und Walfischfang in das „Nördliche Eismeer“ gesandt. Die Zahl der Schiffe, die aus den deutschen Häfen in das „Nördliche Eismeer“ segeln, nimmt übrigens alljährlich immer mehr ab, da der Ertrag des Fanges ein zu unsicherer ist, und geht dieser Erwerbszweig mehr und mehr in die Hände der Norweger über, die ihn wohlfeiler betreiben können.

Außer kleinen Fluss- und Schleppdampfern besitzt Hamburg jetzt größere 18 Seedampfer, von denen 4 eine regelmäßige Packetfahrt nach New-York unterhalten, die anderen aber größtenteils nach englischen Häfen fahren. Eine Gesellschaft die mit 2 sehr schönen Dampfern eine regelmäßige Verbindung von Hamburg über Lissabon nach Brasilien unterhielt, vermochte nicht zu bestehen, da es an der hinreichenden Zahl von Passagieren 1. Kajüte fehlte, um die großen erforderlichen Kosten zu decken. Eine gute Rechnung findet aber die Dampfschiffslinie nach New-York, denn wenn auch augenblicklich die Auswanderung aus Deutschland nach Nordamerika sehr gesunken ist, so steigert sich doch sonst der Verkehr mit diesem Lande alljährlich immer mehr. Es gibt jetzt schon manche nordamerikanische Kaufleute, die alljährlich regelmäßig die Messen in Deutschland zum Einkauf ihrer Waren zu besuchen pflegen, wie andererseits die Chefs großer deutscher Handlungshäuser sich durch eigene Anschauung von den merkantilischen Verhältnissen in Nordamerika zu unterrichten, lieben.

Da der Schiffsbau in Hamburg selbst sehr teuer ist, so sind manche Schiffe, die unter Hamburger Flagge fahren, auf schleswig-holsteinischen, schwedischen und Lübecker Werften gebaut. Obschon die Kapitäne aller Hamburger Schiffe das Bürgerrecht und somit auch den Wohnsitz in Hamburg haben müssen, so ist doch nur der geringste Teil daselbst geboren. Sehr viele Kapitäne stammen von den friesischen Inseln der Westküste von Schleswig-Holstein, die vorzügliche Seeleute liefern, andere aus dem holsteinischen, hannoverschen, preußischen oder mecklenburgischen Gebiet. Seit den letzten 15–20 Jahren, wo überhaupt die deutsche Reederei einen großen Aufschwung nahm, sind immer mehr junge Söhne gebildeter Familien aus ganz Deutschland, die eine große Vorliebe für den kräftigen und dabei auch lohnenden Seemannsberuf hatten, auf den Hamburger Schiffen als Volontäre eingetreten. Die ersten Jahre sind eine harte Schule für derartige gebildete Seeleute, denn sie müssen nicht allein alle noch so beschwerlichen Arbeiten, sondern Wohnung, Kleidung und Nahrung, ja selbst die rohen Ergötzlichkeiten der gemeinen Matrosen teilen und dürfen sich in nichts vornehmer wie ihre Kameraden halten, oder sie werden von diesen äußerst schlecht behandelt. Hat ein junger kräftiger Mann, der wirkliche Tüchtigkeit für das Seeleben besitzt, aber nur die ersten 5–6 Jahre überstanden, dann kann er leicht das Steuermannsexamen machen, und dann die wichtige Stelle eines Steuermanns bekleiden. Besitzt er dazu einige Tausend Thaler Vermögen, um sich bei einem Schiffe mit beteiligen zu können, so kann er nach einigen Jahren des Steuermannsdienstes, bei guter Führung, schon Kapitän werden. Es fahren auf den größeren Hamburger Packetschiffen häufig Kapitäne, die noch nicht 30 Jahr alt sind und gebildeten Familien in verschiedenen Gegenden Deutschlands angehören. Ist ein Kapitän eines großen Seeschiffes, was transatlantische Fahrten macht, ein tätiger umsichtiger Mann, der selbst einen kleinen Handel mit solchen Waren, die er in seiner Kajüte mitführen kann, z. B. Naturalien, feine Zigarren usw., treibt, so vermag er sein Einkommen bis auf einige Tausend Thaler jährlich zu erhöhen. Angestrengt und verantwortlich ist freilich die Tätigkeit des Kapitäns eines großen Seeschiffes, der vielleicht das ganze Jahr kaum 6–8 Wochen am Lande ist, und sonst unausgesetzt auf dem Meere umhertreibt, dafür aber verleiht sie auch männliches Selbstbewusstsein der eigenen Kraft und Tüchtigkeit, hat viel Unabhängiges und gibt Gelegenheit, die Welt auch außer dem engen Kreise der Heimat kennen zu lernen.

Die gemeine Mannschaft der Hamburger Seeschiffe ist häufig bunter zusammengesetzt, wie dies sonst auf den meisten deutschen Fahrzeugen der Fall zu sein pflegt, und zeigt sich auch hierin wieder der universelle Charakter der Welthandelsstadt Hamburg recht bemerklich. Geborene Hamburger, die mitunter, gleich allen aus großen Städten stammenden Matrosen, den Ruf der Rohheit und Undisziplin haben, dienen nicht mehr wie 5–600 Mann auf allen Schiffen. Vortreffliche Seeleute liefern Föhr, Sylt und die übrigen friesischen Inseln der Westküste, dann auch die hannoverschen und schleswig-holsteinischen Dörfer an der Unter-Elbe und der Nordsee. Preußische und mecklenburgische Ostseematrosen, die des engen Fahrwassers der Ostsee wegen, was häufiges Umsetzen der Segel erfordert, an harte und schnelle Arbeit von Jugend auf gewöhnt sind, werden sehr gern auf den Hamburger Seeschiffen genommen; dabei dienen aber auch viele Deutsche aus dem Binnenlande, namentlich auch Sachsen, die auf den Elbkähnen dahin kamen, daselbst als Matrosen. Engländer, Holländer, dann viele Dänen, Schweden und Norweger fehlen auch nicht, wie man auch auf den Westindienfahrern, häufig Schwarze, besonders als Schiffsköche, auf den aus Ostindien und China kommenden Schiffen, aber Lascaren findet. Oft aus allen Teilen des Weltalles zusammengeweht, ist die Mannschaft eines großen Hamburger Seeschiffes. Spanier, Italiener, Dalmatier und Franzosen, wird man nur in äußerst seltenen Fällen am Bord norddeutscher Seeschiffe finden, ebenso wie der norddeutsche Matrose nur im äußersten Notfall auf südeuropäischen, z. B. auch auf österreichischen, dagegen sehr gern auf holländischen und nordamerikanischen Fahrzeugen dient.

Ein „vollbefahrener“ Matrose auf großen transatlantischen Hamburger Fahrzeugen, kann einen jährlichen Verdienst, wenn er gar nicht müßig am Lande ist, sondern fort und fort fährt, außer vollständiger freier Beköstigung, auf 150–180 Thaler jährlich berechnen, hat dagegen auch große Ausgaben für Kleidung und Schuhzeug, was bei der vielen Arbeit in Wind und Spritzwasser sehr verdirbt, zu bestreiten. Matrosen, die über 40 bis 45 Jahre alt sind, findet man auf großen Seeschiffen nicht oft, da ihnen dann in der Regel die Glieder zu steif werden, um mit der erforderlichen Behändigkeit in dem Takelwerk der hohen Masten umherklettern zu können. Die älteren Seefahrer suchen auf kleinen Küstenschiffen, dann als Lotsen, Seefischer, Kalfaterer, Werftarbeiter, Bootsfahrer usw. für sich und ihre Familien den Lebensunterhalt zu erwerben.

Dampfschiff

Dampfschiff "Helgoland"

Dampfschiff

Dampfschiff "Helgoland" - Salon

London Tavern und die Aktien-Dampfzuckersiederei in St. Pauli

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Der Schiffspavillon in St. Pauli

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Der Altonaer Hafen am Fischmarkt

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Milchewer

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Grasewer

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Rainvilles Garten

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Partie aus Neumühlen

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Blankenese

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Finkenwärder Fischer

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Hamburger Baumwollbörse

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Lagerhäuser im Hamburger Freihafen

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Hamburg Brandstwiete 1775

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Blick auf Hamburg - Unterelbe

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Hamburg Hafen mit Uferpromenade

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Hamburg Hauptbahnhof um 1900

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Hamburg Jungfernstieg 1830-1855

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Bremer Handelshaus

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Hamburger Hafenbilder

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Bremer Rathaus

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Hamburg Rathaus

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Hamburg Hafenpartie

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Hamburg Zollenbruecke 1888

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Hamburg Alster 1892

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