Die Wundereiche bei Sülz

Aus: Mecklenburgs Volkssagen. Band 4
Autor: Gesammelt und herausgegeben von M. Dr. A. Niederhöffer, Erscheinungsjahr: 1862
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Mecklenburg-Vorpommern, Sage, Volkssage, Wundereiche, Schwaan, Doberan, Sülz, Langendorf, Tribsees
Eine ähnliche Wundereiche wie die zwischen Schwaan und Doberan, steht auf der Sülzer Feldmark in einem kleinen Gehölze, nahe der Langsdorfer Scheide und dicht an der Landstraße, die von Sülz nach der preußischen Grenzstadt Tribsees führt.

Auch diese Eiche war früher weit und breit berühmt, denn sie hat ebenfalls alle mit einem körperlichen Gebrechen, als Gicht, Lähmungen und dergleichen Behaftete, sobald sie durch ihren geteilten und oben wieder zusammengewachsenen Stamm gekrochen waren, stets wieder ganz gesund gemacht; ja selbst Verwachsene sind durch sie wieder schier und glatt geworden.

Das Hindurchkriechen durch die Öffnung im Stamme des wundertätigen Baumes, wo hinauf der Bequemlichkeit halber Treppen führten, musste aber des Nachts zwischen zwölf und ein Uhr und, wie es sich von selbst bei allen dergleichen Sachen versteht, natürlich stillschweigend geschehen. Am wirksamsten erwies es sich, wenn das Experiment in der Johannisnacht vorgenommen werden konnte; es trat dann sofort völlige Heilung des Kranken ein, während dieselbe sonst öfter erst nach kurzer Zeit, dann aber ebenfalls unfehlbar erfolgte.

Aus allen Gegenden des Landes, aus dem nahen Pommern und sogar aus entfernten Ländern strömten Kranke herbei, die nach glücklicher Genesung die Wundertätigkeit der Eiche weiter ausposaunten, wodurch ihr Ruf noch immer mehr stieg und bis in die entferntesten Gegenden drang.

Seit einigen dreißig Jahren hat nun aber leider schon die Eiche ihre Heilkraft verloren, denn von der Zeit an, wo ein Ruchloser seinen Hund durch die Öffnung gesteckt hat, ist dieselbe unwiederbringlich dahin gewesen.