Die Wirkung von schönen Worten.

Autor: Morgenstern, Christian (1871-1914)
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Es gibt nichts Lohnenderes, als der Schwachheit des Menschen durch ein schönes Wort zu Hilfe zu kommen. Verordne einem ‚Patienten‘ dreimal täglich Manulavanz, und er wird sich über alle erhaben fühlen, die sich bloß die Hände waschen. Je interessanter du seine Gewohnheiten benennst, desto geschmeichelter und dankbarer wird er sein, und das eine Wörtchen Alkoholismus, um ein Beispiel zu nennen, hat sicherlich nicht nur Gorkis Satin, sondern unzählige andere Unglückliche unzählige Male berauscht und getröstet. Übersetze das Unglück maßvoll ins Arabische, Griechische, Lateinische, und du wirst ein wahrer Wohltäter der Menschen werden. Du gibst ihrem Geist dadurch Anregung, du verschaffst ihnen eine kleine Distanz zu ihren Leiden oder Lastern. Wie fremdartig ist es, Angina zu haben, wie beinahe ehrenvoll, die Krisis eintreten zu fühlen. Du knüpfst damit das Individuum, das nichts mehr fürchtet als das Alleinsein, das Alleingelassenwerden, an ferne fremde Zeiten und Kulturen; das alte, das neue Europa versammelt sich um sein Lager, und selbst wenn die Pest es befällt und fällt, kommt sie ihm doch aus Asien: die Mutter der Menschheit selbst trifft es mit den Schatten ihrer gewaltigen Flügel.