Die Trauung in der roten Kirche bei Hinrichshagen, unweit Woldegk

Aus: Mecklenburgs Volkssagen. Band 1
Autor: Von F. C. W. Jacobi in Neubrandenburg, Erscheinungsjahr: 1858
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Mecklenburg-Vorpommern, Sage, Volkssage,
In kalter, schauriger Mitternacht,
Als längst im Dorf kein Auge mehr wacht,
Da kommt vom Walde ein Viergespann
Und hält bei des Pfarrers Wohnhaus an.

Es pocht an die Tür mit lautem Schlag,
Damit der Pfarrer aufstehen mag.
Zum Fenster hinaus steckt er das Haupt
Und fragt, wer ihm die Ruhe denn raubt?

„Ein Brautpaar will getrauet jetzt sein,
Auf schickt Euch, steigt zum Wagen hinein,
Das Ziel ist erreichet alsobald,
Da draußen, die rote Kirch' im Wald.

Euch wird ein herrlicher, schöner Lohn,
Auf! Das Brautpaar wartet Eurer schon.
Noch eh' es Eins von dem Kirchturm schlägt,
Habt Ihr seine Händ' in einander gelegt!"

Den Pfarrer schüttelt's durch Mark und Bein,
Doch schlüpft er in den Chorrock hinein,
Erfasset bebend das heilige Wort
Und jagt in der seltsamen Kutsche fort.

Im Wald das verfall'ne Kirchlein steht,
Der Pfarrer spricht leis' sein Stoßgebet,
Dann tritt er ein in den erhellten Raum,
Ihn dünket Alles ein Märchentraum.

Er sieht geputzt dort das Liebespaar
Und Hochzeitsgäst' eine große Schaar,
Hat schnell begonnen seinen Sermon,
Damit er eiligst komme davon.

Gewechselt werden die Ringe jetzt,
Der Segen Gottes hinzugesetzt;
Dann eilt der Pfarrer der Kirchtür zu,
Die hinter ihm her sich schließt im Nu.

Bei Sturmessausen fährt er zurück.
Doch gerade in dem Augenblick,
Als er treten will ins Haus hinein,
Ein Sack mit Gold fliegt hinter ihm drein.

Mecklenburgs Volkssagen - Band 1

Mecklenburgs Volkssagen - Band 1